[331] Anton. Damis.
ANTON. Da sehen Sie! nun läuft sie fort, da Sie nach ihrer Pfeife nicht tanzen wollen. –
DAMIS. Mulier non Homo! bald werde ich auch dieses Paradoxon für wahr halten. Wodurch zeigt man, daß man ein Mensch ist? Durch den Verstand. Wodurch zeigt man, daß man Verstand hat? Wann man die Gelehrten und die Gelehrsamkeit gehörig zu schätzen weiß. Dieses kann kein Weibsbild, und also hat es keinen Verstand, und also ist es kein Mensch. Ja, wahrhaftig ja; in diesem Paradoxo liegt mehr Wahrheit, als in zwanzig Lehrbüchern.
ANTON. Wie ist mir denn? ich habe Ihnen doch gesagt, daß Sie Herr Valer gesucht hat? Wollen Sie nicht gehen und ihn sprechen?
DAMIS. Valer? ich will ihn erwarten. Die Zeiten sind vorbei, da ich ihn hochschätzte. Er hat seit einigen Jahren die Bücher bei Seite gelegt; er hat sich das Vorurteil in den Kopf setzen lassen, daß man sich vollends durch den Umgang,[331] und durch die Kenntnis der Welt, geschickt machen müsse, dem Staate nützliche Dienste zu leisten. Was kann ich mehr tun, als ihn betauern? Doch ja, endlich werde ich mich auch seiner schämen müssen. Ich werde mich schämen müssen, daß ich ihn ehemals meiner Freundschaft wert geschätzt habe. O wie ekel muß man in der Freundschaft sein! Doch was hat es geholfen, daß ich es bis auf den höchsten Grad gewesen bin? Umsonst habe ich mich vor der Bekanntschaft aller mittelmäßigen Köpfe gehütet; umsonst habe ich mich bestrebt, nur mit Genies, nur mit originellen Geistern umzugehen: dennoch mußte mich Valer, unter der Larve eines solchen, hintergehen. O Valer! Valer!
ANTON. Laut genug, wenn er es hören soll.
DAMIS. Ich hätte über sein kaltsinniges Kompliment bersten mögen! Von was unterhielt er mich? von nichtswürdigen Kleinigkeiten. Und gleichwohl kam er von Berlin, und gleichwohl hätte er mir die allerangenehmste Neuigkeit zuerst berichten können. O Valer! Valer!
ANTON. St! wahrhaftig er kömmt. Sehen Sie, daß er sich nicht dreimal rufen läßt?
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