Zweiter Auftritt


[309] Lisette. Valer.


LISETTE. Ha! ha! ha!

VALER. Mir ist nicht lächerlich, Lisette.

LISETTE. Nicht? Ha! ha! ha!

VALER. Ich glaube, du lachst mich aus?

LISETTE. O so lachen Sie mit! Oder ich muß noch einmal darüber lachen, daß Sie nicht lachen wollen. Ha! ha! ha!

VALER. Ich möchte verzweifeln! In der Ungewißheit, ob sie mich noch liebt –

LISETTE. Ungewißheit? Sind denn alle Mannspersonen so schwer zu überreden? Werden sie denn alle zu solchen ängstlichen Zweiflern, sobald sie die Liebe ein wenig erhitzt? Lassen Sie Ihre Grillen fahren, Herr Valer, oder ich lache aufs neue. Spannen Sie vielmehr Ihren Verstand an, etwas auszusinnen, um den alten Chrysander – –

VALER. Chrysander traut mir nicht, und kann mir nicht trauen. Er kennt meine Neigung zu Julianen. Alle mein Zureden würde umsonst sein; er würde den Eigennutz, die Quelle davon, gar bald entdecken. Und wenn ich auch eine völlige Anwerbung tun wollte; was würde es helfen? Er ist deutsch genug, mir gerade ins Gesicht zu sagen, daß ich seinem Sohne hier nachstehen müsse, welcher wegen der Wohltaten des Vaters das größte Recht auf Julianen habe. – – Was soll ich also anfangen?

LISETTE. Mit den wunderlichen Leuten, die nur überall den ebenen Weg gehen wollen! Hören Sie was mir eingefallen ist. Das Dokument, oder wie der Quark heißt, ist das einzige was Chrysandern zu dieser Heirat Lust macht, so daß er es schon an seinen Advokaten geschickt hat. Wie wenn man von diesem Advokaten einen Brief unterschieben könnte, in welchem – – in welchem – –

VALER. In welchem er ihm die Gültigkeit des Dokuments verdächtig macht; willst du sagen? Der Einfall ist so unrecht nicht! Aber – wenn ihm nun einmal der Advokate ganz das Gegenteil schreibt, so ist ja unser Betrug am Tage.[309]

LISETTE. Was für ein Einwurf! Freilich müssen Sie ihn stimmen. Es ist von je her gebräuchlich gewesen, daß es sich ein Liebhaber etwas muß kosten lassen.

VALER. Wenn nun aber der Advokat ehrlich ist?

LISETTE. Tun Sie doch, als ob Sie seit vier Wochen erst in der Welt wären. Wie die Geschenke, so ist der Advokat. Kommen gar keine, so ist der niederträchtigste Betrieger der redlichste Mann. Kommen welche, aber nur kleine, so hält das Gewissen noch so ziemlich das Gleichgewicht. Es steigen alsdenn wohl Versuchungen bei ihm auf; allein die kleinste Betrachtung schlägt sie wieder nieder. Kommen aber nur recht ansehnliche, so ist gar bald der ehrlichste Advokat nicht mehr der ehrlichste. Er legt die Ehrlichkeit mit den geschenkten Goldstücken in den Schatz, wo jene eher zu rosten anfängt, als diese. Ich kenne die Herren!

VALER. Dein Urteil ist zu allgemein. Nicht alle Personen von einerlei Stande sind auf einerlei Art gesinnet. Ich kenne verschiedene alte rechtschaffene Sachwalter – –

LISETTE. Was wollen Sie mit Ihren alten? Es ist eben, als wenn Sie sagten, die großen runden Aufschläge, die kleinen spitzen Knöpfe, die erschrecklichen Halskrausen, aus welchen man Schiffssegel machen könnte, die viereckigten breiten Schuhe, die tiefen Taschen, kurz die ganze Tracht, wie sich etwa Ihre Paten an Ehrentagen mögen ausstaffiert haben, wären noch jetzt Mode, weil man noch manchmal hier und da einige gebückte zitternde Männerchen über die Gassen so schleichen sieht. Lassen Sie nur noch die, und Ihr Paar alte rechtschaffene Advokaten sterben; die Mode und die Redlichkeit werden einen Weg nehmen.

VALER. Man hört doch gleich, wenn das Frauenzimmer am beredtesten ist!

LISETTE. Sie meinen etwa, wenn es ans Lästern geht? O wahrhaftig! des bloßen Lästerns wegen, habe ich so viel nicht geplaudert. Meine vornehmste Absicht war, Ihnen beizubringen, wie viel überall das Geld tun könne, und was für ein vortreffliches Spiel ein Liebhaber in den Händen hat, wenn er gegen alle freigebig ist, gegen die Gebieterin,[310] gegen den Advokaten und – – Dero Dienerin. Sie macht eine Verbeugung.

VALER. Verlaß dich auf meine Erkenntlichkeit. Ich verspreche dir eine rechte ansehnliche Ausstattung, wenn wir glücklich sind – –

LISETTE. Ei, wie fein! eine Ausstattung? Sie hoffen doch wohl nicht, daß ich übrig bleiben werde?

VALER. Wann du das befürchtest, so verspreche ich dir den Mann darzu. – – Doch komm nur; Juliane wird ohne Zweifel auf uns warten. Wir wollen gemeinschaftlich unsre Sachen weiter überlegen.

LISETTE. Gehen Sie nur voran; ich muß noch hier verziehen, um meinem jungen Gelehrten –

VALER. Er wird vielleicht schon unten bei dem Vater sein.

LISETTE. Wir müssen uns alleine sprechen. Gehen Sie nur! Sie haben ihn doch wohl noch nicht gesprochen?

VALER. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich es ganz und gar überhoben sein könnte! Seinetwegen würde ich dieses Haus fliehen, ärger als ein Tollhaus, wenn nicht ein angenehmerer Gegenstand – –

LISETTE. So gehen Sie doch, und lassen Sie den angenehmern Gegenstand nicht länger auf sich warten. Valer geht ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 309-311.
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