[341] Damis. Lisette.
DAMIS. Lisette kann sich nur auch gleich mit fortmachen. Will denn meine Stube heute gar nicht leer werden? Bald ist der da, bald jener; bald die, bald jene. Soll ich denn nicht einen Augenblick allein sein? Setzt sich an seinen Tisch. Die Musen verlangen Einsamkeit, und nichts verjagt sie eher, als der Tumult. Ich habe so viele und wichtige Verrichtungen, daß ich nicht weiß, wo ich zuerst anfangen soll; und gleichwohl stört man mich. Mit der Heirat, mit einer so nichtswürdigen Sache, ist der größte Teil des Nachmittags darauf gegangen; soll mir denn auch der Abend durch das ewige Hin- und Widerlaufen entrissen[341] werden? Ich glaube, daß in keinem Hause der Müßiggang so herrschen kann, als in diesem.
LISETTE. Und besonders auf dieser Stube.
DAMIS. Auf dieser Stube? Ungelehrte! Unwissende!
LISETTE. Ist das geschimpft, oder gelobt?
DAMIS. Was für eine niederträchtige Seele! die Unwissenheit, die Ungelehrsamkeit für keinen Schimpf zu halten! für keinen Schimpf? So möchte ich doch die Begriffe wissen, die eine so unsinnige Schwätzerin von Ehre und Schande hat. Vielleicht, daß bei ihr die Gelehrsamkeit ein Schimpf ist?
LISETTE. Wahrhaftig, wann sie durchgängig von dem Schlage ist, wie bei Ihnen – –
DAMIS. Nein, das ist sie nicht. Die wenigsten haben es so weit gebracht – –
LISETTE. Daß man nicht unterscheiden kann, ob sie närrisch, oder gelehrt sind? – –
DAMIS. Ich möchte aus der Haut fahren – –
LISETTE. Tun Sie das, und fahren Sie in eine klügere.
DAMIS. Wie lange soll ich noch den Beleidigungen der nichtswürdigsten Kreatur ausgesetzt sein? – – Tausend würden sich glücklich preisen, wenn sie nur den zehnten Teil meiner Verdienste hätten. Ich bin erst zwanzig Jahr alt; und wie viele wollte ich finden, die dieses Alter beinahe dreimal auf sich haben, und gleichwohl mit mir – – Doch ich rede umsonst. Was kann es mir für Ehre bringen, eine Unsinnige von meiner Geschicklichkeit zu überführen? Ich verstehe sieben Sprachen vollkommen, und bin erst zwanzig Jahr alt. In dem ganzen Umfange der Geschichte, und in allen mit ihr verwandten Wissenschaften, bin ich ohne gleichem – –
LISETTE. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
DAMIS. Wie stark ich in der Weltweisheit bin, bezeugt die höchste Würde, die ich schon vor drei Jahren darin erhalten habe. Noch unwidersprechlicher wird es die Welt jetzt aus meiner Abhandlung von den Monaden erkennen. – – Ach, die verwünschte Post! – –
LISETTE. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt![342]
DAMIS. Von meiner mehr als demosthenischen Beredsamkeit, kann meine satirische Lobrede auf den Nix der Nachwelt eine ewige Probe geben.
LISETTE. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
DAMIS. Freilich! Auch in der Poesie darf ich meine Hand nach dem unvergänglichsten Lorbeer ausstrecken. Gegen mich kriecht Milton, und Haller ist gegen mich ein Schwätzer. Meine Freunde, welchen ich sonst zum öftern meine Versuche, wie ich sie zu nennen beliebe, vorgelesen habe, wollen jetzt gar nichts mehr davon hören, und versichern mich allezeit auf das aufrichtigste, daß sie schon genugsam von meiner mehr als göttlichen Ader überzeugt wären.
LISETTE. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
DAMIS. Kurz, ich bin ein Philolog, ein Geschichtskundiger, ein Weltweiser, ein Redner, ein Dichter – –
LISETTE. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! Ein Weltweiser ohne Bart, und ein Redner, der noch nicht mündig ist! schöne Raritäten!
DAMIS. Fort! den Augenblick aus meiner Stube!
LISETTE. Den Augenblick? Ich möchte gar zu gern die schöne Ausrufung: und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! noch einmal anbringen. Haben Sie nichts mehr an sich zu rühmen? O noch etwas! Wollen Sie nicht? Nun so will ich es selbst tun. Hören Sie recht zu, Herr Damis: Sie sind noch nicht klug, und sind schon zwanzig Jahr alt!
DAMIS. Was? wie? Steht zornig auf.
LISETTE. Leben Sie wohl! Leben Sie wohl!
DAMIS. Himmel! was muß man von den ungelehrten Bestien erdulden! Ist es möglich von einem unwissenden Weibsbilde – –
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