Siebenter Auftritt

[389] Das Fräulein. Der Reisende. Der Baron.


DAS FRÄULEIN. Ach! Papa – –

DER BARON. Nu, nu! fein wild, fein wild! Vorhin liefst du vor mir: was sollte das bedeuten? – –

DAS FRÄULEIN. Vor Ihnen bin ich nicht gelaufen, Papa; sondern nur vor Ihrem Verweise.

DER BARON. Der Unterscheid ist sehr subtil. Aber was war es denn, das meinen Verweis verdiente?

DAS FRÄULEIN. O! Sie werden es schon wissen. Sie sahen es ja! Ich war bei dem Herrn –

DER BARON. Nun? und –

DAS FRÄULEIN. Und der Herr ist eine Mannsperson, und mit den Mannspersonen, haben Sie befohlen, mir nicht allzuviel zu tun zu machen. –

DER BARON. Daß dieser Herr eine Ausnahme sei, hättest du wohl merken sollen. Ich wollte wünschen, daß er dich leiden könnte – – Ich werde es mit Vergnügen sehen, wenn du auch beständig um ihn bist.

DAS FRÄULEIN. Ach! – es wird wohl das erste und letztemal gewesen sein. Sein Diener packt schon auf – – Und das wollte ich Ihnen eben sagen.

DER BARON. Was? wer? sein Diener?

DER REISENDE. Ja, mein Herr, ich hab es ihm befohlen. Meine Verrichtungen und die Besorgnis, Ihnen beschwerlich zu fallen – –

DER BARON. Was soll ich ewig davon denken? Soll ich das Glück nicht haben, Ihnen näher zu zeigen, daß Sie sich ein erkenntliches Herz verbindlich gemacht haben? O! ich[389] bitte Sie, fügen Sie zu Ihrer Wohltat noch die andre hinzu, die mir eben so schätzbar, als die Erhaltung meines Lebens sein wird; bleiben Sie einige Zeit – wenigstens einige Tage bei mir; ich würde mir es ewig vorzuwerfen haben, daß ich einen Mann, wie Sie, ungekannt, ungeehrt, unbelohnt, wenn es anders in meinem Vermögen steht, von mir gelassen hätte. Ich habe einige meiner Anverwandten auf heute einladen lassen, mein Vergnügen mit ihnen zu teilen, und ihnen das Glück zu verschaffen, meinen Schutzengel kennen zu lernen.

DER REISENDE. Mein Herr, ich muß notwendig –

DAS FRÄULEIN. Da bleiben, mein Herr, da bleiben! Ich laufe, Ihrem Bedienten zu sagen, daß er wieder abpacken soll. Doch da ist er schon.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 389-390.
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