Fünfter Auftritt


[742] Lelio. Lisette. Peter, mit einem Korbe Gebackens.


PETER. Holla, ihr Leutchen! kauft ihr heute nichts?

LISETTE. Nichts, das mal, Peter.

PETER. Makronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen; nichts?

LISETTE. Nichts. Nein.

PETER. Gar nichts? Herr Lelio, für das Naschmaul. Makronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen.

LELIO. Pack dich! Ich habe heute kein Geld!

PETER. Kaufen Sie immer. Makronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen.

LELIO. Ich werde bald eine Erbschaft tun. Willst du mir so lange borgen, so nehme ich dir deinen ganzen Korb ab.

PETER. Ha! Ha! Sie kommen auf des Herren Capitains Sprünge. Der kaufte mir gewiß auch alle Tage ab, wenn ich nur bis nach seiner Heirat mit dem Gelde warten wollte. Aber, ihr Herren, so was frißt sich wohl gut, doch läßt sichs schwer bezahlen, wenn man es nicht mehr schmeckt.[742]

LELIO. Was ist das für ein Capitaine?

PETER. Je der, er wohnt drei Treppen hoch, hintenraus.

LELIO. Wo denn?

PETER. Da, oben in der breiten Straße. Es ist eine kleine Stube, nur mit einem Fenster.

LISETTE. Nu, wissen Sie denn noch nicht genug? Der Capitaine, in der breiten Straße, drei Treppen hoch, hintenraus, in einer kleinen Stube mit zwei Fenstern.

PETER. Ja, ja. Ganz recht. Eben der.

LELIO. Wie heißt er aber denn? Narre.

PETER. Je, wie er heißt – – Er heißt – – warten Sie – – ich werde mich wohl besinnen. Sein Hund heißt Judas. Es ist so ein großer gelber Fleischerhund – – das weiß ich. Aber er – – er heißt – – von Prügel – – nein – von Stoß – – nein – ha ha – – Schlag, von Schlag. Der Herr Capitaine von Schlag.

LELIO. So kennst du den?

PETER. Warum nicht? Auch seinen Bedienten habe die Ehre zu kennen. Denn der ist meiner Mutter Tochter Mann. Und wo ich mich nicht irre, so sind wir gar Schwäger.

LISETTE. Je Peter, so könntest du uns einen großen Dienst tun.

PETER. Topp! Wenn er mir was einbringt, so ist er so gut als getan. Laß hören! Er setzt seinen Korb weg.

LISETTE. Weißt du, wen der Herr von Schlag heiraten will?

PETER. Die erste, die beste; wenn sie nur Geld hat. Ich glaube, er nähme dich. Aber – –

LISETTE. O! Ich will schon sehen, daß ich mich anderwärts ohne das Aber unterbringe. Kurz er will unsre alte Jungfer heiraten.

PETER. Ja er will – –

LISETTE. O! sie will auch.

PETER. Desto besser. Die Sache ist also richtig. Und ich habe künftig einen Kundmann mehr.

LISETTE. Ja, Narre, aber wir wollen nicht. Sie macht sich über den Korb.

PETER. Nu gut, so wird nichts draus.[743]

LELIO. Zu wünschen wäre es, und ich verlöre meine Erbschaft nicht.

PETER. Ha! ha! ha!

LELIO. Was lachst du?

PETER. Ha! ha! Steht Ihre Erbschaft auf Freiers Füßen? Gut, daß ich meine Makronen noch habe! Aber, was wolltest du mir sagen, Lisette? Er sieht, daß sie nascht. O! mein Blut, du wärst mir die Rechte! Kätz weg! Ich werde ankommen bei meiner Frau. Sie hat mir alle Stückgen zugezählt. Er setzt den Korb auf die andre Seite.

LISETTE. Narre, ich will kosten. Vielleicht kaufe ich was, wenn mirs schmeckt. Nu, höre nur. Mache dir doch einen Weg mit deinem Krame – – Sie geht auf die andre Seite. zu ihm.

PETER. Wärst du nur stehn geblieben, Lisette. Ich kann auf jenem Ohre so gut hören, als auf dem. Er setzt den Korb wieder auf die andre Seite. Nu, was soll ich denn bei ihm, er kauft mir ja nichts ab.

LISETTE. Könntest du nicht etwan mit einer gescheiten Art auf seine Heirat zu reden kommen – –

PETER. Auf eine gescheite Art? Zweifelst du daran? Der Henker, ich weiß solche schöne Übergänge – – zum Exempel – – er spräche: ich brauche nichts von deiner Ware, Peter. So würde ich etwan sagen – – Ja, was wollte ich sagen? – – Je nu, ich würde sagen: nichts? gar nichts? Behüte Sie Gott – – und ginge wieder meiner Wege.

LISETTE. Narre, was hättest du denn also von der Heirat mit ihm geredet? Und nicht allein das sollst du tun, sondern du sollst auch sehen, wie du ihm unsre Jungfer aus dem Sinne bringst. Wir wollen dir auch deswegen die dazu gehörige Freiheit geben, ihr alle Schande und Laster nachzusagen, wenn es nur was hilft.

LELIO. Der Einfall wäre nicht dumm, aber der, der ihn ausführen soll, ist desto dümmer.

PETER. O, nein. Sie irren sich, Herr Lelio. In solchen Sachen habe ich was getan. Nur eine kleine Probe zu machen. Gesetzt, Sie wären der Herr Capitaine. Was, würde ich sagen, Sie wollen heiraten? wer hätte sich das sollen träumen[744] lassen? Sie, der sonst ein solcher Verächter des Ehestands – – zwar, nein, das wäre nichts. Es ist nicht wahr. Er hätte lange gern geheiratet. – – – Aber so – – Was? die alte Jungfer wollen Sie heiraten? – – Nu, nu es ist nicht übel, sie hat wacker viel Geld.

LISETTE. Ei, du wärst uns der Rechte! Geh, geh, ich sehe schon, es ist mit dir nichts anzufangen.

PETER. Ei, wie so? Hast du mich doch noch nicht probiert. Aber glaubst du, daß es was helfen würde, wenn ich sagte: das alte Affengesichte wollen Sie heiraten? Sie sieht ja aus, als wenn sie schon drei Jahr im Grabe gelegen hätte. Die wird Ihr hochadliches Geschlecht weit fortpflanzen. Und, im Vertrauen gesagt, man spricht gar, sie wäre eine Hexe. Ihr Reichtum, von dem man so viel Redens macht, sind lauter glühende Kohlen, die sie in großen Töpfen hinter der Kellertür stehn hat, und wobei ein großer schwarzer Hund Wache liegt. Einer mit feurigen Augen, mit sechs Reihen Zähne, mit einem dreifachen Schwanze – –

LISETTE. Ach, behüte uns Gott. Mit einem dreifachen – – Kerl! du machst einem mit deinen Reden zu fürchten, daß man des Todes sein könnte. Sie macht sich wieder über den Korb.

PETER. Ho! Ho! Und bei ihm würde das alles nichts helfen. Laß dich unbekümmert, würde er sagen. Ich will schon sehn, daß ich mich des Schatzes bemächtige. So gut ich in Schlesien oder Böhmen, wenn der Bauer sein bißgen Habseligkeit noch so tief vergraben hatte – –

LISETTE. Mir fällt noch was Bessers ein. Das wird gewiß gehn.

PETER. Nu was? hat dich der Teufel schon wieder übern Korbe? Ich muß ihn nur wieder umhängen.

LISETTE. Sei kein Narre, er wird dir ja zu schwer.

PETER. Nein. Nein. Wenn ich ihn zu lange stehn ließe, möchte er gar zu leichte werden.

LISETTE. Ich weiß, daß unsre Jungfer den Herrn von Schlag noch nie gesehen hat. Ich dächte, wenn du dich für ihn ausgäbst – – –[745]

LELIO. Ich versteh dich, Lisette. Das ist vortrefflich ausgesonnen.

PETER. Ich versteh noch nichts.

LISETTE. Kommt fort, wir wollen die Sache an einem sichern Orte überlegen. Hier möchten wir überrascht werden.


Ende des ersten Aufzugs.[746]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 742-747.
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