Sechster Auftritt


[764] Peter. Lisette. Jungfer Ohldin. Lelio. Herr Kräusel.


PETER in seinem vorigen Aufzuge. Was, zum Teufel! Begegnet man einem Bräutigam hier so? Es kömmt mir ja weder Hund noch Katze entgegen. Für was zum Henker sieht man mich an? Weiß man auch, wer ich bin?

LELIO. O! mein wertester Herr Capitaine, fassen Sie sich – –[764]

PETER. Ach! was habe ich mit Ihnen zu schaffen? Ist das Ihre Muhme?

LELIO. Ja.

LISETTE. Mein Herr, Sie sind in einem fremden Hause sehr unhöflich.

PETER. In einem fremden? Ich glaube man weiß noch nicht, daß ich den Augenblick Herr desselben werden kann? Mademoiselle, ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen die Ehre antragen zu lassen, meine Gemahlin zu werden. Sie müssen verruckt sein, wenn Sie nicht mit Händen und Füßen zugreifen wollten.

JUNGFER OHLDIN. Ach daß Gott! Lelio.

HERR KRÄUSEL. Erschrak ich nicht über den Kerl! Ich dachte, bei meiner Seelen, es wäre Peter. Wie doch die Menschen einander manchmal so gleich sehn.

LELIO. Meine liebe Muhme, kehren Sie sich nicht an seine allzu natürlichen Ausdrückungen. Ein Kriegsmann ist dergleichen Reden gewohnt.

PETER. Das ist wahr. Ich bin noch nach der alten deutschen Art. Und die Frau, die ich nehmen will, muß nicht ein Haar anders sein. Sind Sie so?

LISETTE. Es ist Ihr Glück, daß sie nicht so ist; sonst würde sie Sie schon mit der artigsten Art zur Türe heraus gestoßen haben.

JUNGFER OHLDIN. Pfui doch, Lisette. Erzürne ihn nicht.

LISETTE. Was? Ich glaube. Sie treten ihm noch die Brücke. Herr Capitaine, Sie müssen doch närrisch im Kopfe sein, daß Sie glauben, meine Jungfer werde so einen tollen Ehekrüpel nehmen, wie Sie sind. Ich bin ein armes Mägdgen; aber, wenn Sie in Golde bis über die Ohren steckten, ich sähe Sie nicht über die Achsel an. Ha! ha! Was für eine reizende Figur! Einen Stelzfuß, einen Bart, vor dem man weder Nase noch Maul sehn kann – –

PETER. Hört doch, Plappermaul, nehme ich Euch, oder Eure Jungfer? Wenn ich der anstehe – – Und ich stehe ihr an – – ich weiß. Nicht – –

JUNGFER OHLDIN. Ja – – Aber – –

PETER. Aber – – Aber – – Aber. Wäre Sie schon meine Frau,[765] ich wollte Ihr das dumme Wort aus dem Maule bringen. Wie hoch ist Ihr Vermögen? Wenn es nicht noch dreimal so groß ist, als meine Schulden – –

LISETTE. Darinne besteht vielleicht Ihre Habseligkeit?

LELIO. Ihre Schulden, mein Herr Capitaine, würden vielleicht das kleinste Hindernis bei der Sache sein. Aber ich seh, daß meine Muhme durch Ihr Betragen –

JUNGFER OHLDIN. Stoßen Sie ihn nicht ganz vor den Kopf.

LISETTE zu Petern sachte. Mache es ja recht arg. Sie beißt wirklich sonst noch an – – Nun, was will Er, mein Herr?


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 764-766.
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Die alte Jungfer
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