Siebender Auftritt


[766] Herr Rehfuß und die Vorigen.


HERR REHFUSS. Sie werden es nicht übel nehmen, meine liebe Mademoiselle Ohldin – –

LISETTE. Nein, nein, mein guter Freund, er kömmt an die Falsche. Hier ist die Mademoiselle Ohldin – –

HERR REHFUSS. Sie werden es nicht übel nehmen, meine liebe Mademoiselle, daß ich – –

PETER. Mein Freund, wenn Ihr was zu sagen habt, so macht es kurz. Gleich muß uns auch so ein Narr in unsern wichtigsten Traktaten stören.

HERR REHFUSS. Meine liebe Mademoiselle, ich habe mir von dem Herrn von Schlag sagen lassen – –

PETER. Von wem? von mir?

HERR REHFUSS. Nein, nein. Verzeihen Sie, von dem Herrn von Schlag; daß er die Mademoiselle Ohldin in wenig Tagen heiraten werde.

LISETTE. Verfluchter Streich!

PETER. Was hätte ich Euch gesagt? – –

HERR REHFUSS. Weil mir nun der Herr Capitaine einige hundert Taler auf einen Wechsel schuldig ist – –

PETER. Was wäre ich Euch schuldig? Seid Ihr närrisch?

HERR REHFUSS. Ich rede von dem Herrn Capitaine. Der Wechsel ist heute um, und es stünde bei mir, ihn in Verhaft nehmen zu lassen.[766]

PETER. Mich, in Verhaft nehmen zu lassen?

LISETTE. Schweig, Peter, sonst sind wir verraten.

HERR REHFUSS. Weil er mir aber gesagt, daß seine Jungfer Braut für ihn bezahlen wollte, so habe ich mich erkundigen wollen, ob die Mademoiselle Ohldin – –

JUNGFER OHLDIN. Mein Herr Capitaine, ich weiß nicht wie Sie sich auf mein Wort so viele Rechnung im voraus haben machen können? Wenn Sie schuldig sind –

HERR REHFUSS. Nein doch, Mademoiselle, die Rede ist von dem Herrn Capitaine von Schlag.

JUNGFER OHLDIN. Je nu, das ist er ja – –

PETER. Ja, ja, ich bins mein Freund. Laß Er sich um die Bezahlung nicht bange sein. Ich will mich als ein ehrlicher Kerl bei Ihm abfinden.

HERR REHFUSS. Mein Herr, Sie sind allzu gütig. Ich besinne mich nicht, daß Sie mir etwas schuldig wären.

PETER. Ja, ja. Ich bin Ihm etliche hundert Taler schuldig. Waren es nicht fünfhundert?

HERR REHFUSS. Nein, nein. 900 ist mir der Herr Capitaine von Schlag schuldig. Aber Sie – –

PETER. O das heißt auch gar zu viel für einen andern auf sich zu nehmen. Nu, nu. Ich bin 900 Taler schuldig. Und nicht wahr, meine liebe Frau, du willst es bezahlen?

HERR REHFUSS. Ich weiß nicht, mein Herr, ob Sie mich für einen Narren ansehen.

LELIO. Und ich weiß nicht, ob Er uns nicht alle für Narren ansieht. Er spricht, der Herr Capitaine ist Ihm so und so viel schuldig; und wenn es der Herr Capitaine eingeständig ist, so will Er es wieder leugnen? Was soll das heißen?

PETER. Ja, ja. Ich bin Ihm 900 Taler schuldig.

HERR REHFUSS. Nein, mein Herr, von Ihnen mag ich nicht einen Pfennig haben.

PETER. Er soll es richtig bekommen.

HERR REHFUSS. Sie sind mir nichts schuldig.

PETER. Gedulde Er sich nur noch, aufs höchste, acht Tage.

HERR REHFUSS. Sind Sie denn der Herr Capitaine?

PETER. Zum Henker! was geht Ihm das an. Wenn ich Ihn bezahlen will? Ich mag es sein oder nicht. Und kurz, ich bins.[767] So gewiß ich 900 Taler von Ihm geborgt habe, so gewiß will ich sie Ihm, mit Intressen, wieder geben.

HERR REHFUSS. Aber, mein Herr, warum bekennen Sie sich zu einer fremden Schuld?

PETER. Ach. Ich bin ein rechtschaffner Kerl. Was ich schuldig bin, bezahle ich.

LISETTE. Ohne Zweifel wird Er sich im Namen geirrt haben, mein lieber Mann. Ich glaube, es ist noch ein Capitaine dieses Namens hier – –

PETER. Ja, ja. Ganz recht. Es ist noch einer hier, der so heißt. Er ist meines ältern Vaters Bruder Tochtermann, und wir sind Geschwister Kinder mit einander.

JUNGFER OHLDIN. Mein Freund, Er wird wohl tun, wenn er Seine Forderungen ein andermal vorbringt. Wenn der, den ich heiraten werde, ihm in der Tat was schuldig ist, so soll schon zu der Bezahlung Rat werden. Ich kann aber wohl sagen, ich weiß nicht, was ich hierbei denken soll?

PETER. Denken Sie was Sie wollen. Und Er, mein Freund, kann sich Seiner Wege packen, oder – –

HERR REHFUSS. Ich bitte nur nicht übel zu nehmen – –

LISETTE. Nein, nein. Wir nehmen es nicht übel, wenn Er geht. Geh Er nur. Geht ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 766-768.
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