Fünfter Auftritt


[650] Paul Werner. Franziska.


WERNER. Frauenzimmerchen, kennt Sie denn meinen Major?

FRANZISKA. Den Major von Tellheim? Ja wohl kenn ich den braven Mann.

WERNER. Ist es nicht ein braver Mann? Ist Sie dem Manne wohl gut? –

FRANZISKA. Von Grund meines Herzens.

WERNER. Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchen; nun kömmt Sie mir noch einmal so schön vor. – Aber was sind denn das für Dienste, die der Wirt unserm Major will erwiesen haben?

FRANZISKA. Ich wüßte eben nicht; es wäre denn, daß er sich das Gute zuschreiben wollte, welches glücklicher Weise aus seinem schurkischen Betragen entstanden.

WERNER. So wäre es ja wahr, was mir Just gesagt hat? – Gegen die Seite, wo der Wirt abgegangen. Dein Glück, daß du gegangen bist! – Er hat ihm wirklich die Zimmer ausgeräumt? – So einem Manne, so einen Streich zu spielen, weil sich das Eselsgehirn einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe! Der Major kein Geld?

FRANZISKA. So? hat der Major Geld?

WERNER. Wie Heu! Er weiß nicht, wie viel er hat. Er weiß nicht, wer ihm schuldig ist. Ich bin ihm selber schuldig, und bringe ihm ein altes Restchen. Sieht Sie, Frauenzimmerchen, hier in diesem Beutelchen, Das er aus der einen Tasche zieht. sind hundert Louisdor; und in diesem Röllchen Das er aus der andern zieht. hundert Dukaten. Alles sein Geld![650]

FRANZISKA. Wahrhaftig? Aber warum versetzt denn der Major? Er hat ja einen Ring versetzt –

WERNER. Versetzt! Glaub Sie doch so was nicht. Vielleicht, daß er den Bettel hat gern wollen los sein.

FRANZISKA. Es ist kein Bettel! es ist ein sehr kostbarer Ring, den er wohl noch dazu von lieben Händen hat.

WERNER. Das wirds auch sein. Von lieben Händen! ja, ja! So was erinnert einen manchmal, woran man nicht gern erinnert sein will. Drum schafft mans aus den Augen.

FRANZISKA. Wie?

WERNER. Dem Soldaten gehts in Winterquartieren wunderlich. Da hat er nichts zu tun, und pflegt sich, und macht vor langer Weile Bekanntschaften, die er nur auf den Winter meinet, und die das gute Herz, mit dem er sie macht, für Zeit Lebens annimmt. Husch ist ihm denn ein Ringelchen an den Finger praktiziert; er weiß selbst nicht, wie es daran kömmt. Und nicht selten gäb er gern den Finger mit drum, wenn er es nur wieder los werden könnte.

FRANZISKA. Ei! und sollte es dem Major auch so gegangen sein?

WERNER. Ganz gewiß. Besonders in Sachsen; wenn er zehn Finger an jeder Hand gehabt hätte, er hätte sie alle zwanzig voller Ringe gekriegt.

FRANZISKA bei Seite. Das klingt ja ganz besonders, und verdient untersucht zu werden. – Herr Freischulze, oder Herr Wachtmeister –

WERNER. Frauenzimmerchen, wenns Ihr nichts verschlägt: – Herr Wachtmeister, höre ich am liebsten.

FRANZISKA. Nun, Herr Wachtmeister, hier habe ich ein Briefchen von dem Herrn Major an meine Herrschaft. Ich will es nur geschwind herein tragen, und bin gleich wieder da. Will Er wohl so gut sein, und so lange hier warten? Ich möchte gar zu gern mehr mit Ihm plaudern.

WERNER. Plaudert Sie gern, Frauenzimmerchen? Nun meinetwegen; geh Sie nur; ich plaudere auch gern; ich will warten.

FRANZISKA. O, warte Er doch ja! Geht ab.[651]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 650-652.
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