Zweiter Auftritt


[239] Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah.


AL-HAFI.

Die Gelder aus

Ägypten sind vermutlich angelangt.

Wenns nur fein viel ist.

SALADIN.

Hast du Nachricht?

AL-HAFI.

Ich?

Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in

Empfang soll nehmen.

SALADIN.

Zahl an Sittah tausend

Dinare!


In Gedanken hin und her gehend.


AL-HAFI.

Zahl! anstatt, empfang! O schön!

Das ist für Was noch weniger als Nichts. –

An Sittah? – wiederum an Sittah? Und

Verloren? – wiederum im Schach verloren? –[239]

Da steht es noch das Spiel!

SITTAH.

Du gönnst mir doch

Mein Glück?

AL-HAFI das Spiel betrachtend.

Was gönnen? Wenn – Ihr wißt ja wohl.

SITTAH ihm winkend.

Bst! Hafi! bst!

AL-HAFI noch auf das Spiel gerichtet.

Gönnts Euch nur selber erst!

SITTAH.

Al-Hafi! bst!

AL-HAFI zu Sittah.

Die Weißen waren Euer?

Ihr bietet Schach?

SITTAH.

Gut, daß er nichts gehört!

AL-HAFI.

Nun ist der Zug an ihm?

SITTAH ihm näher tretend.

So sage doch,

Daß ich mein Geld bekommen kann.

AL-HAFI noch auf das Spiel geheftet.

Nun ja;

Ihr sollts bekommen, wie Ihrs stets bekommen.

SITTAH.

Wie? bist du toll?

AL-HAFI.

Das Spiel ist ja nicht aus.

Ihr habt ja nicht verloren, Saladin.

SALADIN kaum hinhörend.

Doch! doch! Bezahl! bezahl!

AL-HAFI.

Bezahl! bezahl!

Da steht ja Eure Königin.

SALADIN noch so.

Gilt nicht;

Gehört nicht mehr ins Spiel.

SITTAH.

So mach, und sag,

Daß ich das Geld mir nur kann holen lassen.

AL-HAFI noch immer in das Spiel vertieft.

Versteht sich, so wie immer. – Wenn auch schon;

Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid

Doch darum noch nicht matt.

SALADIN tritt hinzu und wirft das Spiel um.

Ich bin es; will

Es sein.

AL-HAFI.

Ja so! – Spiel wie Gewinst! So wie

Gewonnen, so bezahlt.[240]

SALADIN zu Sittah.

Was sagt er? was?

SITTAH von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend.

Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; läßt gern

Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch. –

SALADIN.

Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht? –

Was hör' ich, Hafi? Neidisch? du?

AL-HAFI.

Kann sein!

Kann sein! – Ich hätt' ihr Hirn wohl lieber selbst;

Wär' lieber selbst so gut, als sie.

SITTAH.

Indes

Hat er doch immer richtig noch bezahlt.

Und wird auch heut' bezahlen. Laß ihn nur! –

Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld

Schon holen lassen.

AL-HAFI.

Nein; ich spiele länger

Die Mummerei nicht mit. Er muß es doch

Einmal erfahren.

SALADIN.

Wer? und was?

SITTAH.

Al-Hafi!

Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so

Mir Wort?

AL-HAFI.

Wie konnt' ich glauben, daß es so

Weit gehen würde.

SALADIN.

Nun? erfahr ich nichts?

SITTAH.

Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden.

SALADIN.

Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah

So feierlich, so warm bei einem Fremden,

Bei einem Derwisch lieber, als bei mir,

Bei ihrem Bruder sich verbitten wollen.

Al-Hafi, nun befehl ich. – Rede, Derwisch!

SITTAH.

Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir

Nicht näher treten, als sie würdig ist.

Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen

Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen.

Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe;

Weil itzt in Hafis Kasse doch das Geld

Nicht eben allzuhäufig ist: so sind

Die Posten stehn geblieben. Aber sorgt[241]

Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,

Noch Hafi, noch der Kasse schenken.

AL-HAFI.

Ja,

Wenns das nur wäre! das!

SITTAH.

Und mehr dergleichen. –

Auch das ist in der Kasse stehn geblieben,

Was du mir einmal ausgeworfen; ist

Seit wenig Monden stehn geblieben.

AL-HAFI.

Noch

Nicht alles.

SALADIN.

Noch nicht? – Wirst du reden?

AL-HAFI.

Seit aus Ägypten wir das Geld erwarten,

Hat sie ...

SITTAH zu Saladin.

Wozu ihn hören?

AL-HAFI.

Nicht nur Nichts

Bekommen ...

SALADIN.

Gutes Mädchen! – Auch beiher

Mit vorgeschossen. Nicht?

AL-HAFI.

Den ganzen Hof

Erhalten; Euern Aufwand ganz allein

Bestritten.

SALADIN.

Ha! das, das ist meine Schwester!


Sie umarmend.


SITTAH.

Wer hatte, dies zu können, mich so reich

Gemacht, als du, mein Bruder?

AL-HAFI.

Wird schon auch

So bettelarm sie wieder machen, als

Er selber ist.

SALADIN.

Ich arm? der Bruder arm?

Wenn hab' ich mehr? wenn weniger gehabt? –

Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, – und Einen Gott!

Was brauch' ich mehr? Wenn kanns an dem mir fehlen?

Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten.

SITTAH.

Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater

Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!

SALADIN, Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit[242]

Auf einmal wieder nieder! – Mir, für mich

Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm

Ihm fehlet; und in ihm uns allen. – Sagt,

Was soll ich machen? – Aus Ägypten kommt

Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,

Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. –

Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,

Mir gern gefallen lassen; wenn es mich,

Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst

Darunter leidet. – Doch was kann das machen?

Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwerd, muß ich doch haben.

Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen.

Ihm gnügt schon so mit wenigem genug;

Mit meinem Herzen. – Auf den Überschuß

Von deiner Kasse, Hafi, hatt' ich sehr

Gerechnet.

AL-HAFI.

Überschuß? – Sagt selber, ob

Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens

Mich drosseln lassen, wenn auf Überschuß

Ich von Euch wär' ergriffen worden. Ja,

Auf Unterschleif! das war zu wagen.

SALADIN.

Nun,

Was machen wir denn aber? – Konntest du

Vor erst bei niemand andern borgen, als

Bei Sittah?

SITTAH.

Würd' ich dieses Vorrecht, Bruder,

Mir haben nehmen lassen? Mir von ihm?

Auch noch besteh' ich drauf. Noch bin ich auf

Dem Trocknen völlig nicht.

SALADIN.

Nur völlig nicht!

Das fehlte noch! – Geh gleich, mach Anstalt, Hafi!

Nimm auf bei wem du kannst! und wie du kannst!

Geh, borg, versprich. – Nur, Hafi, borge nicht

Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen

Von diesen, möchte wiederfodern heißen.

Geh zu den Geizigsten; die werden mir

Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl,

Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert.[243]

AL-HAFI.

Ich kenne deren keine.

SITTAH.

Eben fällt

Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß

Dein Freund zurückgekommen.

AL-HAFI betroffen.

Freund? mein Freund?

Wer wär' denn das?

SITTAH.

Dein hochgepriesner Jude.

AL-HAFI.

Gepriesner Jude? hoch von mir?

SITTAH.

Dem Gott, – –

Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, des einst

Du selber dich von ihm bedientest, – dem

Sein Gott von allen Gütern dieser Welt

Das kleinst' und größte so in vollem Maß

Erteilet habe. –

AL-HAFI.

Sagt' ich so? – Was meint'

Ich denn damit?

SITTAH.

Das kleinste: Reichtum. Und

Das größte: Weisheit.

AL-HAFI.

Wie? von einem Juden?

Von einem Juden hätt' ich das gesagt?

SITTAH.

Das hättest du von deinem Nathan nicht

Gesagt?

AL-HAFI.

Ja so! von dem! vom Nathan! – Fiel

Mir der doch gar nicht bei. – Wahrhaftig? Der

Ist endlich wieder heim gekommen? Ei!

So mags doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. –

Ganz recht: den nannt' einmal das Volk den Weisen!

Den Reichen auch.

SITTAH.

Den Reichen nennt es ihn

Itzt mehr als je. Die ganze Stadt erschallt,

Was er für Kostbarkeiten, was für Schätze,

Er mitgebracht.

AL-HAFI.

Nun, ists der Reiche wieder:

So wirds auch wohl der Weise wieder sein.

SITTAH.

Was meinst du, Hafi, wenn du diesen angingst?

AL-HAFI.

Und was bei ihm? – Doch wohl nicht borgen? – Ja,

Da kennt Ihr ihn. – Erborgen! – Seine Weisheit

Ist eben, daß er niemand borgt.[244]

SITTAH.

Du hast

Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm

Gemacht.

AL-HAFI.

Zur Not wird er Euch Waren borgen.

Geld aber, Geld? Geld nimmermehr! – Es ist

Ein Jude freilich übrigens, wie's nicht

Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß

Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er

Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten

Von allen andern Juden aus. – Auf den,

Auf den nur rechnet nicht. – Den Armen gibt

Er zwar; und gibt vielleicht Trotz Saladin.

Wenn schon nicht ganz so viel: doch ganz so gern;

Doch ganz so sonder Ansehn. Jud' und Christ

Und Muselmann und Parsi, alles ist

Ihm eins.

SITTAH.

Und so ein Mann ...

SALADIN.

Wie kommt es denn,

Daß ich von diesem Manne nie gehört? ...

SITTAH.

Der sollte Saladin nicht borgen? nicht

Dem Saladin, der nur für andre braucht,

Nicht sich?

AL-HAFI.

Da seht nun gleich den Juden wieder;

Den ganz gemeinen Juden! – Glaubt mirs doch! –

Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig,

So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in

Der Welt gesagt wird, zög' er lieber ganz

Allein. Nur darum eben leiht er keinem,

Damit er stets zu geben habe. Weil

Die Mild' ihm im Gesetz geboten; die

Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht

Die Mild' ihn zu dem ungefälligsten

Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit

Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß

Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich

Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige.

Er ist zu allem gut: bloß dazu nicht;

Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich[245]

Nur gehn, an andre Türen klopfen ... Da

Besinn' ich mich so eben eines Mohren,

Der reich und geizig ist. – Ich geh'; ich geh'.

SITTAH.

Was eilst du, Hafi?

SALADIN.

Laß ihn! laß ihn!


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 2, München 1970 ff., S. 239-246.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Nathan der Weise
Nathan der Weise
Nathan der Weise: Studienausgabe
Nathan der Weise: Handreichungen für den Unterricht. Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen
Nathan der Weise: Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen (Suhrkamp BasisBibliothek)
Nathan der Weise

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon