Achter Auftritt

[122] Strato mit einem Schwerde in der Hand.

Aridäus. Philotas.


STRATO. König, ich kam zu dem Soldaten, der den Prinzen gefangen genommen, und forderte des Prinzen Schwerd in deinem Namen von ihm zurück. Aber höre, wie edel sich der Soldat weigerte. »Der König, sprach er, muß mir das Schwerd nicht nehmen. Es ist ein gutes Schwerd, und ich werde es für ihn brauchen. Auch muß ich ein Andenken von dieser meiner Tat behalten. Bei den Göttern, sie war keine von meinen geringsten! Der Prinz ist ein kleiner Dämon. Vielleicht aber ist es euch nur um den kostbaren Heft zu tun –« Und hiermit, ehe ich es verhindern konnte, hatte seine starke Hand den Heft abgewunden, und warf mir ihn verächtlich zu Füßen – »Da ist er! fuhr er fort. Was kümmert mich euer Gold?«

ARIDÄUS. O Strato, mache mir den Mann wieder gut! –

STRATO. Ich tat es. Und hier ist eines von deinen Schwerdern![122]

ARIDÄUS. Gib her! – Willst du es, Prinz, für das deinige annehmen?

PHILOTAS. Laß sehen! – Ha! – Bei Seite. Habet Dank, ihr Götter! Indem er es lange und ernsthaft betrachtet. – Ein Schwerd!

STRATO. Habe ich nicht gut gewählet, Prinz?

ARIDÄUS. Was findest du deiner tiefsinnigen Aufmerksamkeit so wert daran?

PHILOTAS. Daß es ein Schwerd ist! – Indem er wieder zu sich kömmt. Und ein schönes Schwerd! Ich werde bei diesem Tausche nichts verlieren. – Ein Schwerd!

ARIDÄUS. Du zitterst, Prinz.

PHILOTAS. Vor Freuden! – Ein wenig zu kurz scheinet es mir bei alle dem. Aber was zu kurz? Ein Schritt näher auf den Feind ersetzt, was ihm an Eisen abgehet. – Liebes Schwerd! Welch eine schöne Sache ist ein Schwerd, zum Spiele und zum Gebrauche! Ich habe nie mit etwas andern gespielt. –

ARIDÄUS zum Strato. O der wunderbaren Vermischung von Kind und Held!

PHILOTAS bei Seite. Liebes Schwerd! Wer doch bald mit dir allein wäre! – Aber, gewagt!

ARIDÄUS. Nun lege das Schwerd an, Prinz; und folge mir.

PHILOTAS. Sogleich! – Doch seinen Freund und sein Schwerd muß man nicht bloß von außen kennen. Er zieht es, und Strato tritt zwischen ihn und den König.

STRATO. Ich verstehe mich mehr auf den Stahl, als auf die Arbeit. Glaube mir, Prinz; der Stahl ist gut. Der König hat, in seinen männlichen Jahren, mehr als einen Helm damit gespalten.

PHILOTAS. So stark werde ich nicht werden! Immerhin! – Tritt mir nicht so nahe, Strato.

STRATO. Warum nicht?

PHILOTAS. So! Indem er zurückspringt, und mit dem Schwerde einen Streich durch die Luft tut. Es hat den Zug, wie es ihn haben muß.

ARIDÄUS. Prinz, schone deines verwundeten Armes! Du wirst dich erhitzen! –

PHILOTAS. Woran erinnerst du mich, König? – An mein Unglück;[123] nein, an meine Schande! Ich ward verwundet und gefangen! Ja! Aber ich will es nie wieder werden! Bei diesem meinem Schwerde, ich will es nie wieder werden! Nein, mein Vater, nein! Heut sparet dir ein Wunder das schimpfliche Lösegeld für deinen Sohn; künftig spar' es dir sein Tod! Sein gewisser Tod, wenn er sich wieder umringt siehet! – Wieder umringt? – Entsetzen! – Ich bin es! Ich bin umringt! Was nun? Gefährte! Freunde! Brüder! Wo seid ihr? Alle tot? Überall Feinde? – Überall! – Hier durch, Philotas! Ha! Nimm das, Verwegner! – Und du das! – Und du das! Um sich hauend.

STRATO. Prinz! was geschieht dir? Fasse dich! Geht auf ihn zu.

PHILOTAS sich von ihm entfernend. Auch du, Strato? auch du? – O Feind, sei großmütig! Töte mich! Nimm mich nicht gefangen! – Nein, ich gebe mich nicht gefangen! Und wenn ihr alle Stratos wäret, die ihr mich umringet! Doch will ich mich gegen euch alle, gegen eine Welt will ich mich wehren! – Tut euer Bestes, Feinde! – Aber ihr wollt nicht? Ihr wollt mich nicht töten, Grausame? Ihr wollt mich mit Gewalt lebendig? – Ich lache nur! Mich lebendig gefangen? Mich? – Eher will ich dieses mein Schwerd, will ich – in diese meine Brust – eher – Er durchsticht sich.

ARIDÄUS. Götter! Strato!

STRATO. König!

PHILOTAS. Das wollt ich! Zurücksinkend.

ARIDÄUS. Halt ihn, Strato! – Hülfe! dem Prinzen zur Hülfe! – Prinz, welche wütende Schwermut –

PHILOTAS. Vergib mir, König! ich habe dir einen tödlichern Streich versetzt, als mir! – Ich sterbe; und bald werden beruhigte Länder die Frucht meines Todes genießen. – Dein Sohn, König, ist gefangen; und der Sohn meines Vaters ist frei –

ARIDÄUS. Was hör' ich?

STRATO. So war es Vorsatz, Prinz? – Aber als unser Gefangener hattest du kein Recht über dich selbst.

PHILOTAS. Sage das nicht, Strato! – Sollte die Freiheit zu sterben, die uns die Götter in allen Umständen des Lebens gelassen haben, sollte diese ein Mensch dem andern verkümmern können? –[124]

STRATO. O König! – Das Schrecken hat ihn versteinert! – König!

ARIDÄUS. Wer ruft?

STRATO. König!

ARIDÄUS. Schweig!

STRATO. Der Krieg ist aus, König!

ARIDÄUS. Aus? Das leugst du, Strato! – Der Krieg ist nicht aus, Prinz! – Stirb nur! stirb! Aber nimm das mit, nimm den quälenden Gedanken mit: Als ein wahrer unerfahrner Knabe hast du geglaubt, daß die Väter alle von einer Art, alle von der weichlichen, weibischen Art deines Vaters sind. – Sie sind es nicht alle! Ich bin es nicht! Was liegt mir an meinem Sohne? Und denkst du, daß er nicht eben sowohl zum Besten seines Vaters sterben kann, als du zum Besten des deinigen? – Er sterbe! Auch sein Tod erspare mir das schimpfliche Lösegeld! – Strato, ich bin nun verwaiset, ich armer Mann! – Du hast einen Sohn; er sei der meinige! – Denn einen Sohn muß man doch haben. – Glücklicher Strato!

PHILOTAS. Noch lebt auch dein Sohn, König! Und wird leben! Ich hör es!

ARIDÄUS. Lebt er noch? – So muß ich ihn wieder haben. Stirb du nur! Ich will ihn doch wieder haben! Und für dich! – Oder ich will deinem toden Körper so viel Unehre, so viel Schmach erzeigen lassen! – Ich will ihn –

PHILOTAS. Den toden Körper! – Wenn du dich rächen willst, König, so erwecke ihn wieder! –

ARIDÄUS. Ach! – Wo gerat' ich hin!

PHILOTAS. Du taurest mich! – Lebe wohl, Strato! Dort, wo alle Tugendhafte Freunde, und alle Tapfere Glieder Eines seligen Staates sind, im Elysium sehen wir uns wieder! – Auch wir, König, sehen uns wieder –

ARIDÄUS. Und versöhnt! – Prinz! –

PHILOTAS. O so empfanget meine triumphierende Seele, ihr Götter; und dein Opfer, Göttin des Friedens! –

ARIDÄUS. Höre mich, Prinz! –

STRATO. Er stirbt! – Bin ich ein Verräter, König, wenn ich deinen Feind beweine? Ich kann mich nicht halten. Ein wunderbarer Jüngling!

ARIDÄUS. Beweine ihn nur! – Auch ich! – Komm! Ich muß[125] meinen Sohn wieder haben! Aber rede mir nicht ein, wenn ich ihn zu teuer erkaufe! – Umsonst haben wir Ströme Bluts vergossen; umsonst Länder erobert. Da zieht er mit unserer Beute davon, der größere Sieger! – Komm! Schaffe mir meinen Sohn! Und wenn ich ihn habe, will ich nicht mehr König sein. Glaubt ihr Menschen, daß man es nicht satt wird? – Gehen ab.


Ende des Philotas.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 2, München 1970 ff., S. 122-126.
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