Gegen Morgen

[56] Was kümmern mich die flinken Zeitungsjungen.

Mich ängstet nicht das Nahen verspäteter Autotiere.

Ich ruhe auf meinen schreitenden Beinen.


Verregnet ist mein Gesicht.

Grünliche Reste der Nacht

Kleben um meine Augen.

So hab ich mich gern –


Wie die spitzen, heimlichen

Wassertropfen auf tausend Wänden knacken.

Von tausend Dächern plumpsen.

Auf blinkenden Straßen hüpfen ...

Und alle grämlichen Häuser

Horchen auf ihren

Ewigen Gesang.


Dicht hinter mir ist die brennende Nacht verdorben ...

An meinem Rücken lagert ihr dunstiger Leichnam.

Doch über mir fühl ich den rauschenden,

Kühlen Himmel.


Siehe – ich bin vor einer

Strömenden Kirche.

Groß und still empfängt sie mich.


Hier will ich etwas verweilen.

Versunken sein in ihre Träume.

Träume aus grauer

Glanzloser Seide ...
[56]

Quelle:
Alfred Lichtenstein: Gesammelte Gedichte. Zürich 1962, S. 56-57.
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