Regennacht

[68] Der Tag ist futsch. Der Himmel ist ersoffen.

Wie falsche Perlen liegen kleine Stumpen

Zerhackten Lichts umher und machen offen

Ein wenig Straße, ein paar Häuserklumpen.


Verfault ist alles sonst und aufgefressen

Von schwarzem Nebel, der wie eine Mauer

Herunterfällt und morsch ist. Und im Pressen

Bröckelt wie Schutt der Regen – dichter – grauer –


Als wollte jeden Augenblick die ganze

Verseuchte Finsternis zusammensinken.

Wie eine seltsame, ertrunkne Pflanze

Unten im Sumpf siehst du ein Auto blinken.
[68]

Die ältsten Huren kommen angekrochen

Aus nassen Schatten – schwindsüchtige Kröten.

Dort schleicht eins. Dorten wird ein Schein erstochen.

Der Regensturz will alles übertöten ...


Du aber wanderst durch die Wüsteneien.

Dein Kleid hängt schwer. Durchnäßt sind deine Schuhe.

Dein Auge ist verrückt von Gier und Schreien.

Und dieses treibt dich – und du hast nicht Ruhe:


Vielleicht erscheint inmitten düstrer Feuer

Der Teufel selbst in der Gestalt des Schweines.

Vielleicht geschieht etwas ganz ungeheuer

Blödsinniges, Brutales, Hundsgemeines.


Quelle:
Alfred Lichtenstein: Gesammelte Gedichte. Zürich 1962, S. 68-69.
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