Es lebe der Kaiser!

[154] Es war die Zeit um Sonnenuntergang,

Ich kam vom linken Flügel hergejagt.

Granaten heulten, heiß im Mörderdrang,

Hol' euch die Pest, wohin ihr immer schlagt.[154]

Ich flog indessen, das war nichts gewagt,

Unter sich kreuzendem Geschoß in Mitten.

Rechts reden unsre Rohre, ungefragt,

Links wollen feindliche sich das verbitten.

Gezänk und Anspuken, ich bin hindurchgeritten.


Plötzlich erkenn' ich einen Johanniter

Am roten Kreuz auf seiner weißen Binde.

Wo kommst du her, du schneidiger Samariter,

Was trieb dich, daß ich hier im Kampf dich finde?

Er aber riß vom Haupt den Hut geschwinde,

Und schwang ihn viel, den seltnen Lüftekreiser,

Und schwang ihn hoch im schwachen Abendwinde,

Und rief, vom Reiten angestrengt und heiser,

Gestern ward unser greiser, großer König Kaiser.


Und zum Salute donnern die Batterieen

Den Kaisergruß, wie niemals er gebracht.

Zweihundertfünfzig heiße Munde schrieen

Den Gruß hinaus mit aller Atemmacht.

Scheu schielt aus gelbgesäumter Wolkennacht

Zum ersten Mal die weiße Wintersonne,

Und schwefelfarben leuchtete die Schlacht

Bis auf die fernst marschierende Kolonne –

Daß hoch mein jung Soldatenherze schlug in Wonne.


Tot lag vor mir ein Garde mobile du Nord,

Es scharrt mein Fuchs und blies ihm in die Haare.

Da klang ein Ton herüber an mein Ohr,

Den Höllenlärm durchstieß der Ton, der klare.

Nüchtern, nicht wie die schmetternde Fanfare,

Klang her das Horn von jenen Musketieren.

Daß dir, mein Vaterland, es Gott bewahre,

Das Infanterie Signal zum Avancieren.

Dann bist du sicher vor Franzosen und Baschkiren.
[155]

Zum Sturm, zum Sturm! Die Hörner schreien! Drauf!

Es sprang mein Degen zischend aus dem Gatter.

Und rechts und links, wo nur ein Flintenlauf,

Ich riß ihn mit ins feindliche Geknatter.

Lerman, Lerman! Durch Blut, Gewehrgeschnatter,

Durch Schutt und Qualm! Schon fliehn die Kugelspritzen.

Der Wolf brach ein, und matter wird und matter

Der Widerstand, wo seine Zähne blitzen.

Und Siegesband umflattert unsre Fahnenspitze.

Quelle:
Detlev von Liliencron: Adjudantenritte und andere Gedichte, Leipzig 1883, S. 154-156.
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