Die schwarzen Mönche in Schleswig

[59] 1190.


Die Cluniacenser von Sanct Michael,

Das waren lustige Brüder;

Die tanzten und juchten kreuzfidel

Mit den Nonnen von Sanct Lüder.


Der Abt tanzte selber weit voran,

Ein Lüdrian sondergleichen.

Einst spielten die Mönche dem wackern Mann

Den tollsten von all ihren Streichen.


Ein Mönch fand den Abt im Kloster nicht,

Der war bei Nachtzeit verschwunden.

Warte, dir läut ich das jüngste Gericht,

Gleich soll es die Glocke bekunden.


Das Sterbeglöckchen, bimmeldi bim,

Wütet wild und vermessen.

Bim, bimmeldi, bimmeldi, schlimmer als schlimm,

Der Mönch reißt am Strang wie besessen.


Die Kutten laufen wie Küchlein her:

Misericordia sempiterna.[60]

Was ist denn los? fragts kreuz und quer.

»Abbas mortuus est in taberna.«


Sie machen sich auf in die Stadt in Eil,

Alle kennen die Taverne.

Das Volk nimmt lachend am Zuge teil,

Just löschte der Tag die Sterne.


Mortuus est in anima! schreit

Der Mönch schier unverdrossen.

Er schwingt das Rauchfaß, er psalmodeit;

Mit plerren die Ordensgenossen.


Die feierliche Prozession

Ist ad bordellum gekommen.

Da finden sie den saubern Patron;

Dem wird sehr beklommen.


Bei einer langen Hure lag

Der geistliche Herr mit Vergnügen.

Oh weh, es rührt ihn fast der Schlag,

Er muß sich den Umständen fügen.


Nun geht es im Triumphschritt zurück,

Die Wallfahrt äfft Klagelieder.[61]

Dem würdigen Abt fällt Stück um Stück

Von seiner Sauseele nieder.


Bischof Waldemar hörte bald den Verdruß,

Er kannte keine Gnade.

Der Abt und die Mönche, das war kein Genuß,

Erhielten die Bastonade.


Quelle:
Detlev von Liliencron: Gute Nacht. Berlin 1909, S. 59-62.
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