Morgenrot und Abendrot

[11] Vor der Schlacht, im Morgenrot,

Legt um seines Pferdes Hals

Den Arm der Tod.

Er lehnt sich an die Mähne,

Schmökt sein isabellgelbes Tonpfeifchen,

Und grinst ins Tal,

Wo, wie zwei stößige Hirsche,

Zwei Heere zusammenstoßen wollen.


Nach der Schlacht, im Abendrot,

Reitet gleichgültig-gemütlich-gemächlich

Übers Blutfeld der Tod.

Tralala!

Den Erschlagenen speit er

In die gebrochnen Augen,

Wie der Fischer ins Wasser speit.

Ihn salutieren friedlich durcheinander

Die von beiden Feinden

Wie mit Geierkrallen

Gegenseitig entrissenen

Fahnen und Standarten:

Hurra! der Sieger!


Quelle:
Detlev von Liliencron: Gute Nacht. Berlin 1909, S. 11-12.
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