Prolog zu Kleists Herrmannsschlacht

[14] An Bismarcks zehnjährigem Todestag.


Es sind gerade hundert Jahre her,

Als Deutschland in der tiefsten Schande lag.

Es sind gerade hundert Jahre her,

Als Kleist sein Schauspiel schrieb: Die Herrmannsschlacht.

Er schrieb es voller Haß und Wutgestöhn,

Daß mancher Vers den rechten Takt verlor,

So wild und außer sich schrieb er sein Drama.

Und jeder, der die Handschrift las, fand drin

Die Ähnlichkeit, die zwischen Rom von ehmals

Und jenem unerhörten Zwingherrn war,

Der unser Vaterland in Ketten warf:

Napoleon. Der Dichter starb. Sein Stück

Ward jahrelang nach seinem Tode erst

Gedruckt. Und spärlich war die Aufführung

Bis jetzt. Der große, unglückliche Dichter

Hats niemals auf der Bühne wirken sehn.

Nichts ist darin von Ebenmaß und Wohlklang;

Nur das Genie spricht hart aus jedem Wort,

Aus jedem Vers schreit sein empörtes Herz.


Zum Andenken an Bismarcks Todestag,

Der vor zehn Jahren alle Welt durchbebte,[15]

Soll heute hier die Herrmannsschlacht erscheinen.

Kein besserer Name kann Kleists Rächer sein.

Was er gewollt: das große Vaterland,

Bismarck hats durchgesetzt mit seiner Kraft,

Auf erznem Felsgrund steht das Deutsche Reich.


Quelle:
Detlev von Liliencron: Gute Nacht. Berlin 1909, S. 14-16.
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