|
[117] Mitten im Eichforst,
Am lodernden Feuer,
Tanzt das Zigeunermädchen.
Ihre weißen Zähne lächeln
Im Mondstrahl;
Und in den Augen brennt ihr die Glut.
Sie tanzt den Fandango,
Ziert sich,
Ziert sich nicht;
Die nackten Arme über den Kopf schnellend,
Klirrt sie den Takt
Mit den silberbeschlagenen Kastagnetten.
Und der Fiedler rast mit dem Bogen,
Daß kreischend die Töne entfliehen
Ins Walddunkel.
Grell auf leuchtet das Feuer,
Dann bricht es zusammen.
Aber von frischem geschürt
Wirft es Lichter weit in die Baumschatten,
Auf Farrenkraut und Glockenblumen.
Klagend fällt die Flöte ein;
Aber dazwischen
Kichern die Saiten der Mandoline...
[118]
Aus lischt der Brand.
Nur noch Mondlicht
Lauscht durch die Blätter;
Still wirds.
Die kleinen Steppenpferde rupfen,
Vom Zügel befreit,
Die feinen Gräser.
Czico, der Knabe,
Hält das Mädchen in seinen Armen;
Um sein braunes Gesicht
Wirrt sich ihr schwarzes Haar.
Er nennt sie:
Mein Ringeltäubchen,
Meine Eidechse,
Meine Goldschlange!
Und erzählt ihr Geschichten,
Märchen aus dem Morgenlande:
Vom König Suleiman.
Erzählt ihr von seinen Kesseln und Fallen,
Und wie er heut Morgen
Eine Gans gestohlen habe.
Das alles erzählt er ihr
Lachend,[119] Und lachend hört sies.
Und über blinkernde Kieselsteine
Stürzen die Quellen
In die schweigende Sommernacht...
Schon verblassen die Sterne
In den binsenumnickten Moorwassern,
Wo die Wildente schläft.
Durchs Gezweige
Spielen gelbe und rote
Und blaue Frühlichter,
Den Morgen wiegend.
Czico schleicht ans nächste Dorf,
Um wieder eine Gans zu stehlen;
Und stört den Fuchs,
Seinen Kumpan,
Der auf denselben Wegen ist.
Dann wird Tag.
Gähnend stehn die Bauern vor den Türen.
Durch die Haide schleppen sich die Zigeuner,
Braun und ungewaschen,
Braun wie die Haide.
Und über Bauern und Zigeunern[120]
Steigen Lerchen
Singend
In die sonnedurchzitterte Luft.
Ausgewählte Ausgaben von
Gute Nacht
|
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro