Feudal

[77] Wir waren gestern unter uns,

Beim Grafen von der Wisch,

Der gesamte Adel der Provinz,

Zu Gejaid und Tanz und Tisch.


Am kleinen Bahnhof warten wir jetzt

Und wollen nach Süd und Nord,

Ein jeder auf sein Schloß und Gut,

Der nächste Zug bringt uns fort.


Mit Habichtsnasen und langem Bart

Steht hier die Ritterschaft,

Mit Mark in den Knochen, in hohem Wuchs,

In alter Herrenkraft.


Ihr Sprechen ist etwas absonderlich,

Statt Ja sagen sie Jä.

Ich unterhalte im Kreise mich

Mit Öllegaard Westensee.


Wie hab' ich getanzt mit der schönen Komteß,

Mein Herz schlug stürmisch und wild.

Deine schwarzen Augen, dein Zigeunerhaar,

Niemals vergess' ich dein Bild.
[78]

Komteß, bleib' hier. Sieh dich um nach West,

Die Haide liegt weit gestreckt.

Auf die Reigerbeize dort ziehn wir hin,

Das Silberhorn hat uns geweckt.


Komteß, bleib' hier. Sieh dich um nach Ost,

Der Wald liegt weit gestreckt.

Auf die Wolfsjagd wollen dorthin wir ziehn,

Das Rüdenhorn hat uns geweckt.


Ich liebe dich, Öllegaard, weil du noch viel,

Viel hochmütiger als die andern schaust,

Weil du kein Blondhaar hast, kein weißrotes Gesicht,

Weil du mir trotzt und vertraust.


Wie das nasse Gras unsre Hengste umschlägt,

Der letzte Stern ging aus.

Auf deinem gelben Stulpen hockt hoch

Der Islandfalke zum Strauß.


Die Sonne blitzt auf, aus Weiden und Schilf

Streicht schwerfällig ein Reiher ab.

Die Haube los! Wie der Herrliche steigt!

Dein Falke holt ihn herab.


O wundervolles Morgenspiel,

In Lüften Kampf und Krieg,

Der Reiher stürzt, seine Feder ist dein,

Im Haidedampf leuchtet der Sieg.


Ich halte den mächtigen Vogel fest,

Bis du dem Edeling

Um den widerspenstigen Hals gelegt

Den goldnen Sklavenring.
[79]

Vierhundert Leibeigne umstellen den Wald,

Freund Wolf, flüchte dein Fließ.

Da trottet er, der magre, schäbige Gesell,

Schnell, Herrin, wirf den Spieß.


Der traf doch? Sitz' ab. Ich stoß' in's Horn.

Wo blieb die Bestie?

Friert dich? Der Tag ist kalt und naß,

Dein Füßchen watet im Schnee.


Heda! Einen Hörigen her!

Schlitzt ihm auf den Leib!

Nun wärm' deinen Fuß im warmen Gedärm,

Das sind unsre Rechte, Weib.


Quelle:
Detlev von Liliencron: Der Haidegänger und andere Gedichte, Leipzig 1890, S. 77-80.
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