Die Feme

[188] Zum drittenmal schnitt ich den Span

Aus deinem Tor; es kräht der Hahn

Bei meinem Werk zum drittenmal

Und dreimal blinkt' im Morgenstrahl

Des Rächers Stahl.


Steh auf, steh auf von Becher, Spiel und Tanz,

Wirf weg dein Schwert, nimm den Rosenkranz;

Wirf weg den Panzer, er schützt dich nicht;

Dich fordert vor Gericht

Die Feme, die Feme!


Und wärst du auch des Kaisers Sohn,

Nicht Fürstenhut, nicht Grasenkron',

Nicht Inful schützet dich, noch Stab.

Ich sag' dich ächtig und sag' dich ab,

Auf ist das Grab!


Mit gichtischem Mund, mit zuckendem Blick

Verfällt dein ächtig Haupt dem Strick.

Dem Feinde vergeb' ich dein Kind, dein Weib,

Den Vögeln deinen Leib –

Gott gnade deiner Seele!

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 188.
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