Ausgleich

[240] Wir tun so manches Böse nicht,

Das wir doch heimlich bei uns nähren,

Nur weil es uns an Mut gebricht,

Wenngleich dazu wir fähig wären.


Manch schwer Gewitter rückt heran

Und wendet plötzlich ab sein Wüten.

Sein Blitz folgt einer andern Bahn

Und schmettert dort in Staub die Blüten.


Klopf jeder an sein Herz, wer heil

Und schuldlos hinlebt seine Tage

Und du, halt nicht so hoch und steil,

Gerechtigkeit, die strenge Wage!

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 240-241.
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