Bajä

[33] Mit Purpursegeln fliegt nach der Küste zu

Ein reizend Prachtschiff. Ist es ein Geisterboot

Aus einer alten Heideninsel,

Eine der goldenen Gondeln Nero's?


Nach seiner marmorstrahlenden Villa fährt

Der Herrscher Roms und kost der Geliebten Haupt

Und flüstert zärtlich: Nimm die Lyra,

Rühre die Saiten, geliebte Cypris!


Horch, voll die Lyra klang, und es sang das Kind:

Als jene Glutnacht wütend um Rom sich schlang,

Da warf das Feuer vor dich nieder

Einen verbrennenden Zweig vom Lorbeer.


Ich sah auf dich, Herr! Ruhig erhobst du dich,

Schlugst deine weltmüd-trunkenen Augen auf,

Und lächelnd sprachest du die Worte:

»Ilions Flammen verdunkelt ein Tag.«


So möcht' auch ich von liebender Glut verzehrt

Zu deinen Füßen sterben und sterbend noch

Dich küssen! Siehe, deine Sklavin

Bietet dir Persephoneia's Äpfel. –
[33]

Die schöne Nymphe sang es, und Nero sprach:

Wenn einst hereinbricht meine Verhängnisnacht,

Erhebe dich zuerst und stürze

Über die Scheiter mir nach zum Orcus!

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 33-34.
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