Akelei

[47] Um der Frühlingszeit Verscheiden,

Unter Blumen mancherlei,

Auf den Weiden

Blühst du schön und frank und frei,

Akelei!
[47]

Sommerschwül ist's, und im Walde

Hört man nur des Kuckucks Schrei;

Ach, wie balde

Starb dahin der holde Mai!

Akelei!


Durch die Forstung ohn' Ermüden

Pirscht dahin die Jägerei.

Roß und Rüden

Ruft der Hörnerklang herbei,

Akelei!


Nach der Quelle dunklem Glanze

Beugt der Hirsch sein Prachtgeweih,

Doch die Lanze

Bohrt sein lechzend Herz entzwei.

Akelei!


Dunkle Tropfen Blutes rannen,

Eine Blume stand dabei,

Um die Tannen

Schwang sich hoch der kühne Weih.

Akelei!


Aber draußen vor dem Walde

Singen Hirten zur Schalmei:

Ach, wie balde

Starb dahin der holde Mai!

Akelei!

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 47-48.
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