Die Krähen

[73] Feldein nach einem dürren Baum

Fliegt eine Schar von Krähen,

Die langsam wie im düstern Traum

Die schwarzen Flügel blähen.


Sie sind hinausgesandt vom Tod,

Und wie den Sturm die Möven,

Verkünden sie, wenn Unheil droht

Der Heide stillen Höfen.


Wo sie sich nahen, rasselt wach

Der Hofhund an der Kette,

Und wälzen sich mit Angst und Ach

Die Kranken auf dem Bette.


Sie bauen am Kamin ihr Nest,

Dann stirbt der Herr des Hauses,

Sie laden schreiend sich zum Fest,

Zum Rest des Leichenschmauses.


Es jagt ein dunkler Erdengeist

In ihren finstern Seelen;

Sie fliegen, wo sein Finger weist,

Dahin aus ihren Höhlen.


Dort fliegen sie, je vier und vier –

Wohin wohl heut beschieden?[73]

O mögen gute Geister mir

Mein Heimathaus umfrieden!

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 73-74.
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