5.

[123] Du rühmst den Schlaf, weil jeder Schmerz versiege,

Von seinem Hauch in süßen Traum gesungen,

Weil ausgelöscht in seinen Dämmerungen

Des Tages Qual wie Glut im Duft verfliege?


Und bangst du nicht, auf jener dunklen Stiege

Hinabzugehn ins Lügenreich, bezwungen

Und wehrlos hinzusinken, wahnumschlungen,

Beraubt um deiner Freiheit kühnste Siege?
[123]

O laß im Schlaf sein Weh den Feigen töten,

Laß Blumen selig träumen, laß der Kröten

Geschlecht den Winterschlaf im Felsen rühmen!


Doch uns soll nichts des Lebens Schmerz verblümen,

Nur ihm sei Dank mit jeder Morgenröte,

Der uns vom Staub zum Menschengeist erhöhte.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 123-124.
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