13. Friedensbild

[126] Wenn über Eichen Sturm und Donner schnauben,

Singt unter Blumen ungestört die Grille;[126]

Im Bergtal lebt und webt noch die Idylle,

Wenn rings die Länder Krieg und Pest durchrauben.


O sieh, da herrscht noch Sitte, Treu und Glauben;

Die Kinder führt ein Patriarchenwille,

Der Tag ist Arbeit und die Nacht ist Stille,

Am Hausdach nisten Storch und weiße Tauben.


Die Wanduhr pickt, und alles schläft – doch näher

Und näher tönt schon Echo von Geschützen,

Und durch die Schluchten steigt herauf der Späher.


Der Morgen graut – der Greis auf seinen Stützen,

Die Mutter mit dem Kind, der Hirt und Mäher

Knie'n im Gebet: »Herr, du wirst uns beschützen!«

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 126-127.
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