Das fünffte Buch.

[104] Mittlerweile, daß die Gräfin von Monteras zu Panopolis sich so übel befand, war der Graf von Rivera binnen vier und zwanzig Stunden, vermittelst beständiger Abwechselung der Post-Pferde, glücklich auf der Vestung Rozzomonte angekommen. Er sah hier mehr ein irrdisches Paradies, als ein Gefängnüs.

Die Vestung liegt auf einem ziemlich hohen Felsen, dessen obere Fläche man in einer halben Stunde kaum umgehen kan: rings umher entdeckte man ein weit offenes Land, und in der Ferne einen breiten Arm von der Abendländischen See, welchen ein daran stossendes blaue Gebürge in einen unvergleichlichen Schatten setzte: ein breiter Strohm, der unten an dem Fuß des Bergs vorbey floß, zertheilte sich durch das platte Land in viele kleine Gewässer. Man bemerkte hier die angenehmste Himmels-Gegend: man sah allenthalben bebaute Felder, grüne Weyden, fette Triften, lustige Gehölze und schöne Gärten; das ganze Land war voller Einwohner: wo ein Flecken sich endigte, da fieng ein andrer an: eine Hof-Städte, eine Meyerey lag hier bey der andern. Kurz, es war gleichsam dieses die einzige Landschaft von dem ganzen Königreich, welche die allgemeine[105] Noth nicht mit empfand, und deren Einwohner sich dargegen durch ihren Acker-Bau und durch ihre gute Wirthschaft noch geschützet hatten.

Auf der Vestung selbst war ein vortrefflicher Garten: er umringte den Hof und die Gebäude, ihn selbst aber bedeckten die Vestungs-Werke. Auf den kleinen Wällen sah man die schönste Baum-Alleen.

Die Gemächer waren meist Königlich ausgezieret, und schien mehr für die glücklichste Menschen, als für Gefangene zu seyn, welche in des Königs Ungnade gefallen waren. Was noch mehr, so beherrschte diese Vestung ein General, welcher alle Eigenschaften besaß, seinen Gefangenen die Wiederwärtigkeiten ihres Glückes auf die angenehmste Weise zu versüssen: er war schon alt, er hatte aber einen desto munteren und aufgeweckten Kopf, je schwächer bey ihm die Füsse waren.

Er empfieng den Grafen von Rivera, als ob er ihm längst wäre bekant gewesen; er fiel ihm um den Hals: Ihr Unglück, mein Herr, redete er ihn an, welches sie sonder Zweifel hieher bringet, ist mir leid: doch, haben sie nur einen guten Muth: ich werde suchen, ihre Gefangenschaft ihnen nicht beschwerlich zu machen.

Der Officier, welcher den Grafen begleitet hatte, überreichte hierauf diesem Obersten Befehlshaber[106] ein Schreiben von dem Hertzog von Sandilien.

Als der General solches gelesen, umfieng er den Grafen aufs neue, und konte ihm seine Freude nicht bergen, die er hatte, ihn kennen zu lernen; zumahl, da er aus dem Brief des Hertzogs von Sandilien so viel ersehen konnte, daß dessen Verbrechen von gantz keiner Bedeutung seyn müsse.

Der General stützte darauf seinen baufälligen Cörper auf seinen Stecken, und führte den Grafen, mit halb-gebrochenen Schritten, durch die vornehmste Gemächer des Schlosses; unter welchen er denselben bat, die annehmlichsten sich zu seinem Quartier zu wehlen. Der Graf that solches, und als er darauf etwas von Speisen zu sich genommen hatte, begab er sich mit einem gelaßnen Sinn zur Ruh.

Die arme Gräfin von Monteras hatte keine so gute Nacht, als der Graf. Man hatte ihr zur Ader gelassen; dem ungeacht war die Hitze bey ihr dergestalt gestiegen, daß sie irrte. Der Hertzog schien darüber untröstbar, und Asmenie konte nichts als weinen: man schickte eilends nach ihrer Frau Mutter; sechs der besten Pferde, aus dem Hertzoglichen Stall, wurden ihr mit einem Gutscher und Reit-Knecht nach Prato gesandt: die Pferde liefen bis dahin in einem Traben, die alte Gräfin warf sich voller Schrecken, auf die erhaltene Nachricht von dem Zustand[107] ihrer Tochter, in ihre Gutsche: sie fuhr in einem Rennen und so schnell die Pferde lauffen konten, nach Panopolis. Auf der Helffte des Wegs wurden sie mit einem frischen Gespann verwechselt, die eben so hurtig vom Weg trabten als die vorige.

Die Gräfin fand ihre Tochter noch abwesend; die Aertzte hatten ihr ein gewisses Pulver beygebracht, welches die unordentliche Hitze und Wallungen im Geblüt zu dämpfen pflegte: solches that seine Wirckung: Sie ruhete darauf einige Stunden; und da sie die Augen wieder aufschlug, war sie wieder bey sich selbst. Hier wurde sie mit innigster Freude ihrer Frau Mutter gewahr, die unten bey ihr auf dem Bette saß: sie ergriff alsobald derselben ihre Hand, führte sie nach dem Mund, und wolte sich aufrichten; allein ihre Mattigkeit ließ solches nicht zu: ihre Frau Mutter küste sie auf das zärtlichste: woher kommt euch, liebste Tochter, redete sie dieselbe an, ein so hefftiger Zufall? man hat mir gesagt, eine ausserordentliche Gemüths-Bewegung habe solchen bey euch verursacht? ach! setzte sie hinzu, Hab ich euch nicht immer ermahnet, euch davor in acht zu nehmen?

Aber, liebste Frau Mutter, ließ diese sich mit schwacher Stimme vernehmen, wenn ich daran Ursach ware, daß der unschuldigste Mensch von der Welt um sein Leben kommen solte? Lasset, euch mein Kind, diese Furcht aus den Gedancken[108] reden, antwortete der Gräfin Mutter. Man bringet einen Cavallier, wie der Graf von Rivera ist, so hurtig nicht ums Lebens: Euer Oheim, der Hertzog, hat ihn bereits der ersten Wuth des Königs entrissen, und denselben in völlige Sicherheit gebracht: Ach! gnädige Frau Mutter, versetzte darauf die beängstigte Gräfin, ich kenne die Eifersucht des Königes; ich habe Ursach alles von ihm zu fürchten.

Als die Gräfin dieses sagte, trat der Hertzog ins Zimmer; und da er sah, daß sie sich besser befand, kont er ihr seine Freude darüber nicht genugsam ausdrucken. Er berichtete ihr, um sie völlig zu beruhigen, daß dem König seine Ubereilung mit dem Grafen von Rivera leid wäre; daß er ihm bekannt hätte, wie er sich in dieser Sache zu hurtig habe aufbringen lassen. Noch mehr sey ihm die Nachricht von ihrer Unpäßlichkeit an das Hertze gedrungen. Er hätte deswegen seinen Leib-Aerzten befohlen, für dieselbe so viel Sorgfalt, als für sein eigen Leben zu haben. Auch solte der Graf von Rivera, wo sie es verlangen würde, wieder auf freyen Fuß gesetzt werden: es wär aber, fügte er hinzu, nicht rathsam, sich dieser Gefälligkeit des Königes, zum Vortheil des gefangenen Grafens zu bedienen; denn die Ehre und Majestat des Königes litte darunter, wenn der Graf so bald wieder solte frey gesprochen, und die Gerechtigkeit des Monarchens gleichsam dadurch eines Fehltritts beschuldiget werden. Der Hertzog versicherte dabey seine kranke Base, daß er den Grafen an einen[109] so guten und sichern Ort hätte bringen lassen, daß er nirgendwo besser seyn könnte.

Diese Nachrichten waren der betrübten Gräfin so angenehm, daß solche ihr besser, als alle bisherige Arzneyen zuschlugen: ihre Augen wurden munterer, ihre schier erblaßte Wangen durchzogen wieder ein wenig Farbe: ihre Lippen rührten sich zu einer holden Schmeicheley: sie ergriff den Hertzog bey der Hard und führte solche mit einer zarten Bewegung nach dem Mund. Der Hertzog beantwortete ihr diese Liebkosung, indem er ihr Haupt mit einem durchdrungenen Gemüt an seine Brust drückte: Ach! werdet nur wieder gesund, wertheste Tochter, sprach er zu derselben, das übrige soll sich alles geben.

Die schlaue Corinna war unterdessen, daß die Gräfin ihrer Unpäßlichkeit halber nicht aus dem Zimmer kam, auf allerhand Streiche bedacht, wie sie den Grafen wiederum in Freyheit setzen, und ihn der Hertzogin von Salona zuspielen möchte. Sie kam deswegen zu dem Hertzog von Sandilien: sie entdeckte ihm mit einer listigen Bescheidenheit, wie sie von allen Begebenheiten des Grafens von Rivera Wissenschaft hätte; und wie sie auf einen Anschlag gekommen wär, den König mit guter Art von einem so gefährlichen Mitbuhler zu befreyen. Der Herzog wolte sich anfänglich gegen dieses Weib nicht heraus lassen, noch dieselbe glauben machen, als ob seine Absichten mit seiner Basen bis auf den Thron giengen: allein, Corinna[110] sah hier dem Herzog tiefer ins Herz, als er solches meynte: sie erklärte sich deshalben so schmeichelhaft: daß gleichwohl die ganze Welt die würdige Wahl des Königs billigte, und daß es endlich ihm selbst von dem König dürfte übel genommen werden, wenn er sich darinn seiner Neigung wiedersetzen wolte. Kurz, der Herzog ließ sich mit ihr ein: sie offenbarte ihm ihre Anschläge, den Grafen der Herzogin von Salona zu freyen. Der Herzog fande solches wohl ausgedacht: er versprach ihr eine reiche Belohnung, wenn sie diese Heyrath zu Stand bringen würde.

Die verschmitzte Corinna hatte ihm nicht gesagt, daß die Herzogin von Salona des Handels bereits einig wäre: sie ersann hundert Schwierigkeiten, um die Verdienste ihres Verstandes desto grösser zu machen, wenn sie die Herzogin darzu würde bereden können. Der Herzog im Gegentheil zweifelte gar nicht, der Graf würde ein solches Glück, welches das gröste wär, so er in der Welt machen könte, mit beyden Händen ergreiffen; er hoffte dadurch die gröste Hindernüs zu heben, welche seine Base bishero noch gehindert hätte, ihre Liebe dem König zu wiedmen.

Corinna kam nach einigen Tagen wieder zu dem Herzogen, und berichtete ihm, daß die Sache mit der Herzogin von Salona so gut als richtig wär: dieselbe hätte zwar Anfangs, sagte sie, ihren Vortrag sehr verächtlich angehöret:[111] sie hätte ihren hohen Rang, den Wohlstand ihres Geschlechts, nebst andern Schwierigkeiten vorgeschützet; dem ungeachtet aber war sie doch so glücklich gewesen, dieselbe zu bereden, daß sie sich entschlossen hätte, den Grafen von Rivera zu ihrem Gemahl anzunehmen: wenn nur der König ihm die Gnade thun würde, demselben eines von den Ober-Aemtern bey Hof zu geben; weil sie sonst, als eine Dame, die den Vortritt bey Hofe hätte, sich ohne Verletzung des Wohlstandes an einen blossen Cammerherrn nicht vermählen könte; sie zweifelte auch nicht, der König würde solches, in Betrachtung der ganz besonderen Verdiensten dieses Cavalliers, gar leicht gewähren; wo anders ihre Durchlaucht, der Herzog von Sandilien, sich dieser Sache annehmen wolte.

Wenn wir sonst keine Schwierigkeit werden zu heben finden, als diese, antwortete hierauf der Herzog, so soll unser Anschlag bald einen guten Fortgang gewinnen. Er befahl damit der Corinna die Verschwiegenheit, und versicherte sie nochmahls aller Erkentlichkeit.

Der Herzog verfügte sich darauf zum König. Dieser war nicht zum besten auf: seine Leib-Aerzte hatten an seiner Gesundheit angefangen zu künsteln, und bey den rauhen Winter-Tagen ihm verboten nicht aus seinem Zimmer zu gehen. Dem König fiel damit die Zeit lang: diese Langeweile machte ihn immer an seine Liebe denken, und dieses stete Denken, worinnen sich[112] Argwohn, Eifer und Sehnsucht mischten, verursachte ihm allerhand Beschwerlichkeiten.

Der Herzog fand den König in einem solchen Zustand, da er ihm seinen Vorschlag eröfnete: Er hatte aber kaum noch ausgeredet, als der König, voller Zorn und Unmut, heraus fuhr: wie, Hertzog! solt ich mich noch des Treu-losen Grafens von Rivera annehmen, und seine Verrätherey mit den höchsten Aemtern meines Hofs vergelten? wo denket ihr hin? würde dieses nicht auch andere hinfort verleiten, mich ohn alle Scheu und Ehrfurcht zu beleidigen?

Ich habe alles wohl überlegt, allergnädigster König, antwortete hierauf der Hertzog. Meine Base hat mir aufrichtig das ganze Gespräch, welches sie mit dem Grafen zu Prato gehabt, erzehlet. Sie ruft den Himmel zum Zeugen an, daß der Graf nicht allein unschuldig; sondern, daß er auch Ew. Majestät eifrigster und getreuster Diener wär. Der Herzog berichtete bey dieser Gelegenheit dem König den eigentlichen Verlauf dieser Sache, worauf der König sich zwar etwas ruhiger bezeigte; gleichwohl aber daraus auch so viel erkante, daß, wo der Graf ihn nicht hintergangen hätte, derselbe wenigstens doch von der Gräfin geliebet würde. Dieses machte ihn den Vortheil erkennen, den er durch die vorgeschlagene anderwärtige Vermählung des Grafens mit der Herzogin von Salona erlangen würde: er gab deswegen dem Herzog von[113] Sandilien freye Macht, dieses Geschäft so bald als möglich, hinaus zu führen, und dem Grafen nicht nur die vorige Königliche Gnade, sondern auch die Ober-Falkenirer-Stelle anzubieten; im Fall er sich entschliessen würde, die Herzogin von Salona zu heyrathen.

Der Herzog, als er wieder in seinen Pallast zurück kam, wuste lange nicht, wem er sich in diesem Geschäfte anvertrauen, noch durch wen er dem Grafen von seinen Absichten die Eröfnung solte thun lassen: er sann hin und her: endlich fiel er mit seinen Gedancken auf den Herrn von Ridelo. Vielleicht, sprach er bey sich selbst, ist dieses Herrn seine Freundschaft für den Grafen so groß, daß er, ihm zu gefallen, sich wohl entschliessen dürfte, diese Reise anzutreten: er fuhr deswegen zu ihm, nach seinem Pallast. Herr Intendant, redete ihn der Herzog an, nachdem ihn dieser in sein Cabinet geführet, ich weiß, daß sie ein aufrichtiger Freund von dem Grafen von Rivera sind. Sie können ihm davon eine neue Probe geben, wenn sie sich wolten gefallen lassen, zu ihm nach der Vestung Rozzomonte zu reisen und demselben einen gewissen Vortrag zu thun, den ich sonst niemand wohl als ihnen anzuvertrauen wüste.

Ich und mein Haus, erklärte sich hierauf der Herr von Ridelo, sind dergestalt dem Grafen von Rivera mit Hochachtung und Freundschaft verbunden, daß ich keine Gelegenheit verabsäumen werde, demselben alle nur möglichste Dienste zu erweisen, und dieses um so viel mehr, wenn[114] Ew. Durchlaucht selbst darzu mich auffordern solten.

Sie wissen, mein Herr Intendant, fuhr darauf der Hertzog fort, daß unseres Grafens Ungnade von einem unglücklich gefaßten Argwohn des Königs herrühret: und daß, wo ich ihn nicht noch dem Eifer des Königs zu rechter Zeit entzogen hätte, es übel mit ihm würde ausgesehen haben. Ich muß gestehen, fuhr er fort, daß ich etwas an diesem jungen Cavallier gefunden, das mir gleich im ersten Anblick für denselben eine besondere Hochachtung gab. Ja, wann ich es sagen darf, so hätte ich niemand lieber, als ihm, meine Base gegönnet, wo nicht, zu meinem Verdruß der König darzwischen gekommen wär. Indessen wurde mir von sicherer Hand entdeckt, daß die Hertzogin von Salona ihm nicht ungeneigt wär: ich hab es auch bey ihr durch eine geheime Unterhandlung so weit gebracht, daß sie sich wirklich erkläret hat, ihn zu ihrem Gemahl anzunehmen. Der König giebt darzu seine Einwilligung; und damit er dieser hohen Parthie nicht unwürdig scheinen mögte, so will ihn derselbe zum Ober-Falkenier ernennen, welche Stelle von unsern Hof-Aemtern den vierten Rang führet. Niemand, als sie, mein Herr, kan dieses Geschäfte besser zu Stande bringen. Und weil wir den Grafen von Rivera beyderseits hochschätzen, so wird es ihnen, mein Herr Intendant, auch hoffentlich nicht misfallen, daß ich in die ser Angelegenheit mich niemand anders, als ihnen, anvertrauen mag.[115]

Der Herr von Ridelo bezeigte sich dafür dem Hertzogen verbunden; und ob er gleich des Grafens Meynung wuste, und in dieser Sache wenig bey ihm auszurichten hofte; so begab er sich doch dem ungeacht gleich den folgenden Tag darauf nach Rozzomonte.

Der Graf von Rivera war auf das angenehmste bestürzt, als er den Herrn von Ridelo bey sich sah. Er fragte ihn, nachdem sie sich einander zärtlich umarmet hatten, wo er herkäme, und ob er einen Gefangenen besuchen wolte, deme seine Gefangenschafft so süsse gemacht würde, daß er schier seiner Freyheit darüber vergässe; ob man gleich sonst zu sagen pflegte, daß es keine schöne Gefängnüsse gäben. Es mag leicht seyn, antwortete ihm der Herr von Ridelo, daß sie allhier ruhigere Stunden geniessen, als ihre Freunde zu Panopolis, die bisher ihrentwegen nicht wenig in Sorgen leben. Ich bring ihnen unterdessen viel Gutes, Herr Graf, sprach er zu demselben; ich furchte nur, sie mögten nicht alles annehmen: sie sind frey, und wieder in voriger Gnade bey dem König: er erkläret sie zugleich zum Ober-Falkenier: ja, sie sollen so gar die erste Heyrath bey Hofe thun, und die Hertzogin von Salona zur Gemahlin bekommen. Der Hertzog von Sandilien, fügte er hinzu, hält dieses letzte vor das eintzige Mittel, die Eifersucht des Königes zu besänftigen, und das Glück des Herrn Grafens vollkommen zu machen.

Der Graf fand sich durch dieses Anerbieten[116] äusserst beehrt: er dankte dem Herrn von Ridelo, daß er sich die Mühe genommen hätte, deswegen zu ihm zu reisen; und erklärte sich dahin, daß er noch zur Zeit seiner Ehrsucht wüste Gränzen zu setzen, und daß es ihm eine grosse Last seyn solte, sich schon zu verheyrathen; ob er gleich gestehen müste, daß solches nicht vortheilhafter geschehen könnte, als es ihm vorgeschlagen würde. Was aber des Königs Eifersucht beträffe; so müste er zwar aufrichtig bekennen, daß er sich von der Gräfin von Monteras habe einnehmen lassen; so bald aber der König gleiche Neigung für sie hätte blicken lassen, so wär er darinn seinem Verhängnüs gewichen und hätte alle Pflichten der Ehrerbietung, des Wohlstandes und der Aufrichtigkeit gegen seinen König beobachtet.

Was wird also, fragte der Herr von Ridelo, bey dieser Sache zu thun seyn? schlagen der Herr Graf diejenige Parthie aus, welche man ihnen als das gröste Glück, so sie an unserm Hof erwarten können, anbietet; so wird dadurch des Königs auf sie geworfene Eifersucht, dem Schein nach, gerechtfertiget, und auf das höchste getrieben werden: dessen Ungnade ist ihnen sodann gewiß. Wohlan, sprach der Graf, er lasse mich auf dieser Vestung, oder verweise mich auf meine Herrschaft, und verbiete mir auf Lebenslang den Hof: die Strafe wird für mich süsse und der Gerechtigkeit des Königs gemäß seyn. Ach! die Gefahr, liebster Herr Graf! redete ihm der Herr von Ridelo ein,[117] ist für sie grösser, als sie sich solche einbilden: der König ist ein junger jäh-zorniger Herr; die Verschmähung der ausserordentlichen Vortheile, die er ihnen anbieten lässet, wird dessen Argwohn auf das grausamste vermehren, und ihnen vielleicht gar das Leben kosten.

Er ist Herr darüber, antwortete der Graf mit Gelassenheit; ich bin sein Unterthan: Könige können thun, was sie wollen, wenn sie keinen GOtt und keine Gerechtigkeit über sich erkennen. Ach! verfolgte der Herr von Ridelo, sie lassen sich doch besser rathen, und geben den Regungen ihrer feurigen Jugend nicht allzuviel Gehör: es ist öfters die großmüthigste Standhaftigkeit mit einem gewissen Eigensinn verschwistert, der zwar unsrer Tugend schmeichelt; aber alsdann nicht mehr zu entschuldigen ist, wenn er uns blos deswegen unglücklich macht, weil wir uns vorgenommen haben, darinn nichts nachzugeben: ihr Leben ist viel zu edel, als daß sie es nicht höher achten solten: sie sind solches den Wünschen ihrer Freunden, der Liebe ihrer Angehörigen und der Erwartung eines ganzen Volkes schuldig.

Was rathen sie mir dann, fragte hierauf der Graf, das ich thun soll? Ich würde, wann ich an ihrer Stelle wär, die Gnade des Königs annehmen, antwortete jener, und darinn der Schickung des Himmels folgen. Wann die Vermählung mit der Hertzogin, unterbrach dieser, nicht davon die Bedingung machte, so würde[118] ich es selbst glauben, und ihrem Rath folgen; alleine, ich halte nicht dafür, daß dergleichen blose Staats-Heyrathen GOtt wohlgefällig seyn können.

Man sagt aber, erwiederte der Herr von Ridelo, daß die Herzogin von Salona tugendhaft und Liebens-würdig wäre: es kan seyn, versetzte jener, ich liebe sie aber nicht; was kan ich dafür, daß mein Herz so unartig ist? Sie sehen sich vor, Herr Graf, redete der Herr von Ridelo weiter, daß eine unglückliche Liebe sie nicht dahin verleite, eine allem Ansehen nach glückliche auszuschlagen. Wo ist der kluge Welt-Weise? würde meine Frau wieder ausrufen, wann sie hier zugegen wär, Heist dieses seine Affecten beherrschen und von der Liebe sich nicht einnehmen lassen?

Ach! was sagen sie mir? mein werthester Herr Intendant, war hierauf des Grafens Antwort: heist dieses von der Liebe sich einnehmen lassen, wenn man dasjenige, was man mit der grösten Zärtlichkeit verehret, der allergrausamsten Schuldigkeit aufopfert? So bald hatte ich nicht die Liebe des Königes für die Gräfin von Monteras wahrgenommen; so that ich meinem Herzen alle nur ersinnliche Gewalt, die für sie gefaste Neigung noch in ihrer ersten Geburt zu ersticken. Ich vermiede mit der grösten Sorgfalt alle Gelegenheit sie alleine zu sprechen: ich sah, daß mir ihre Augen, wann ich sie in Gesellschafft fand, einen verborgenen Kummer entdeckten:[119] sie schien mir damit meinen Wankelmut vorzuhalten: sie seufzete, wenn ihr ungefär meine Blicke begegneten: ich entschuldigte damit gleichsam bey ihr meine Aufführung, indem ich sie auf den König wiese: sie that, als ob sie mich verstünde, und als ob sie deswegen betrübt wäre. Dieses war nicht genug: ich muste zu Vermehrung meiner Pein nicht allein das Unglück haben, daß der König mein Mitbuhler wurde; sondern er machte mich auch zum Vertrauten seiner Liebe, was sag ich? gar zu seinem Unterhändler. Ich habe geglaubt, ich hätte meiner Pflicht damit ein Genügen gethan, daß ich meine eigene Regungen unterdruckte, und die Gräfin dahin zu bewegen suchte, den König zu lieben. Ach, grausame Pflicht! was hast du meinem Herzen nicht vor unsagliche Marter gekostet? solte man mich auch noch verbinden wollen, einer Person die Hand zu geben, welche ich nicht lieben kan?

Sie sind, mein werthester Herr Graf, antwortete hierauf der Herr von Ridelo, bey allen ihren grossen Eigenschaften nicht wenig zu beklagen: sie machen, daß man sie lieben muß: sie gefallen der vollkommensten Dame an unserm Hofe: ihre Tugenden haben bey ihr mehr Reizungen, als die Königliche Crone: sie bewegen sie auch wider ihren Willen, daß sie dem König kein Gehör giebt: der König weiß um die Ursach dieser Kaltsinnigkeit: er muß denjenigen nothwendig hassen, dem die Gräfin von Monteras in ihrem Herzen einen solchen empfindlichen Vorzug[120] giebt: Könige sind gewohnt über alles zu herrschen, und wer ihrer Gewalt etwas in den Weg leget, oder vor ihnen sich einigen Vorzug erwirbet, der ist ihr Feind, und der hat sich allenthalben in acht zu nehmen, daß er nicht das Opfer ihrer beleidigten Hoheit werde.

Ich verstehe sie, hochgeschätzter Freund! erklärte sich hierauf der Graf; ich beklage von Herzen, daß ich meinem König, dem ich sonst mit äusserster Treu und Liebe zugethan bin, Anlaß gegeben habe, auf mich ungnädig zu werden: Bitten sie doch deswegen den Herzog von Sandilien, daß er, zur Beruhigung des Königes, mich auf dieser Vestung lasse: sagen sie ihm, daß ich ihm für eine so süsse Gefangenschaft verbunden wäre, und daß ich, so lang ich lebe, ein aufrichtiger Diener von ihm und seinem ganzen Hause bleiben werde: oder will man einen Unschuldigen nicht mit dem Verlust seiner Freyheit strafen, so verbiete man mir auf allezeit den Hof, und lasse mich davon entfernet, in der Verborgenheit, auf meinen Gütern leben: ich werde dem König auch abwesend meine Ehrfurcht, meinen Gehorsam und meine Redlichkeit zeigen.

Nach dieser Erklärung des Grafens, trat der alte General ins Zimmer, und bewillkomte den Herrn von Ridelo nach seiner gewöhnlichen Höflichkeit. Meine Herren, sprach er darauf zu ihnen, es ist bald Mittag; gefällt es ihnen, allein, oder mit der Gesellschaft zu speisen? Der Herr[121] von Ridelo wolte das erste wehlen; allein, der Graf fiel ihm in die Rede: Nein, werthester Herr Intendant, sagte er zu ihm, sie müssen sich dismahl nach unserer Weise bequemen und auch sehen, wie hier die Gefangene leben. Auf dieser Vestung, fuhr er fort, herschet ein eigner Stern, der lauter muntere und angenehme Einflüsse hat; die unglückseligste Menschen vergessen hier ihren Kummer: die Strafe der Gefangenschaft, womit sie die Gerechtigkeit, oder ein widriges Schicksal beleget, verwandelt hier ihre sonst gewöhnliche Härte in eine ganz vergnügte Lebens-Art. Sie werden sich gefallen lassen, davon einen Zeugen abzugeben.

Der General muste von Herzen über des Grafens Einfälle lachen: dieser alte Soldat hatte denselben binnen den vierzehen Tagen, als er sein Gefangener war, ungemein lieb gewonnen: es schienen gleichsam seine Kräfte sich zu verjüngen, um sich nach dessen Jugend einzurichten und ihrer Anmut sich mit theilhaftig zu machen. Der König hätte keinen sinnreichern Mann finden können, diejenige aufzumuntern, welche den Verlust ihrer Freyheit beklagten, und öfters fürchten musten, um alle Vortheile dieses Lebens zu kommen.

Der General führte darauf seine beyde vornehme Gäste in einen grossen Speise-Saal, welcher eigentlich eine Art des Gewächs-Hauses war, wohin im Winter die Pomeranzen-Bäume gebracht wurden. Dieser hatte viel merkwürdiges[122] in sich: die vier Jahrs-Zeiten waren darinn auf eine besondere sinnreiche Art entworffen. In der Mitten zeigte sich der Winter mit einem grossen Camin, darinn, weil noch die Kälte regierte, ein starkes Feuer brante. Die Aufsätze auf den Gesimsen bestunden aus verschiedenen kleinen Figuren, welche die kalte Nord-Länder vorstellten, die theils mit Rennthieren auf Schlitten fuhren, theils mit Schritt-Schuhen schliffen, theils Holz, theils Felle von allerhand Thieren trugen, in der Umfassung stunden verschiedene Geschirre von feinem Porcellan; und das darinn enthaltene Gemähld zeigte auf eine sehr künstliche Art die vornehmste Beschäftigungen und Kurzweile, die man zu Winters-Zeit vorzunehmen pfleget.

Zur Rechten Seiten dieses Saals sah man den Frühling in einem ordentlichen Winter und Lust-Garten vorgestellt, welcher mit einer zierlichen Balustrade von dem Saal unterschieden war. Man sah hier das schönste Blumen-Stück mit untermengten Taxis, Lorbeer, Pomeranzen, und Citronen-Bäumen; welche theils zwischen kraus-gezogenen Bux, und einem von Muscheln, Sand und Kohlen bundfärbigten Grund aus der Erden wuchsen; theils in Kasten und Geschirren nach der Ordnung mit eingeschoben waren, und durch verborgene eiserne Röhren, welche der Rauch aus geheitzten Oefen warm hielte, vor der Kälte geschützet wurden. In der Mitten dieses in vier Ländergen eingetheilten Stuben- und Winter-Gartens, sah man ein[123] Springwerk, welches mit einem schlorfenden Zischen in die Höh spielte, und mit einem schallenden Rausch in einen kleinen Behälter niedersprudelte.

Der Sommer zeigte sich auf der andern Seiten in einer kleinen Landschaft, welche eine feine Drat-Arbeit von dem Saal absonderte. Es war hier alles grün: die Bäume bestunden aus Tannen, Fichten, Taxis und Wachholder-Gesträuchen: in der Vertiefung sah man ein künstlich erhabenes Gebürge, mit Sand, Steinen und Mos bedecket, von dessen Höhe ein kleiner Wasser-Fall herunter lief, der hernach auf einem von Bley verfertigten Canal, als ein klarer Bach, zwischen den Gesträuchen und einem frisch belegten Wasen-Grund durchfloß. Das Zwitsern und Singen der hier unter einander fliegenden Vögel belebten diesen durch die Kunst verfertigten Wald auf eine Art, daß man auch die Schönheit der Natur in der blosen Abschilderung bewundern muste.

Der Trink-Tisch, welcher dem Camin gegen über stund, war eine Abbildung des Herbsts: man sah in der Mitten Bachum mit Epheu und Trauben-Blättern becränzet und sich auf Silenen stützen: um ihn herum waren die Wald-Götter mit den kleinen Bachus-Kindern, welche theils Trauben und Trinck-Geschirre trugen, theils auf Sackpfeifen und Dudelsäcken spielten. Unten zeigte sich ein kleines Grottenwerk mit einem alabastern Kumpen, worinnen zum[124] Ausspülen der Gläser aus einem Kranen beständig das Wasser spritzte.

Mitlerweile der Graf von Rivera alle diese Erfindungs-reiche Seltenheiten den Herrn von Ridelo hatte beobachten machen; kamen nach und nach auch die Kostgänger des Commendanten herbey, welche als Gefangene von einem gewissen Rang, von demselben gewöhnlich mit zur Tafel gezogen wurden.

Der erste war ein vornehmer Geistlicher: er kam mit abgemessenen Schritten, und einem steif-zurückgeschlagenen Haupt in den Saal getreten: seine Stirne zeigte einen stolzen Ernst, und aus seinen Augen leuchtete ein Feuer, welches allen denjenigen Zorn und Rache drohete, die seinen Meynungen sich widersetzen wolten. Nachdem er die Anwesende mit einer gezwungenen Demut begrüsset hatte, fragte der Herr von Ridelo heimlich den Commendanten, wie doch dieser ehrwürdige Mann auf die Vestung kommen sey. Der Commendant berichtete ihn, daß dieser Prälat seinen ganzen Sprenkel aufgewiegelt, und die Leute durch seine Streit-Predigten dergestalt in einander gehetzet hätte, daß darunter die gemeine Ruh und Sicherheit wäre verletzet worden. Man hätte ihn deswegen hier auf diese Vestung gebracht, daß er unter Leuten, die vom Krieg ihr Handwerk machten, den Frieden lernen solte.

Der Herr von Ridelo fragte darauf weiter:[125] wer ist dann dieser muntere Alte, der bey seinem elenden und magern Cörper doch einen so vergnügten Muth bezeiget? Es ist, antwortete der Commendant, unser berühmter Goldmacher, der die Cammer, unter dem Vorwand, die gemeine Berg-Erze durch den Mercurium zu lösen, und in lauter Silber zu verwandeln, um etliche Tonnen Gold gebracht hat: er ist sonst der ehrlichste Mann von der Welt, und es wird nicht lang anstehen, so wird er ihnen sein Vergnügen über die Entdeckung eines neu-erfundenen Geheimnisses offenbaren.

Indem sie sich noch bey diesem Goldmacher aufhielten, kam ein Obrist-Wachtmeister von einem Dragoner-Regiment: er hatte ein trotziges und wildes Ansehen; es schien, als ob er auf die andere nur seine Blicke warf, um sie vor ihm in Furcht zu setzen: Dieser Tersites hatte sich bey seinem Regiment nicht Fried-liebender, als der obgemeldte Prälat in seinem Kirchspiel aufgeführet, und etlichmahl wider das Königliche Duell-Mandat sich herumgebalget.

Es kam darauf ein vierter, welcher die Freundlichkeit selbst zu seyn schien: er machte allen Anwesenden zehen Reverenze für einen, fragte, wie sie sich befänden, wie sie geruhet hätten, was sie neues wüsten, und dergleichen; dem Herrn von Ridelo aber kont er seine Freude nicht genugsam ausdrücken, daß er die Ehre hätte, demselben hier seine Aufwartung zu machen. Dieses war der Ritter Bonadi, der deswegen dem[126] Herrn Commendanten in die Kost war gegeben worden: weil er sich, zur Schande seines Hauses, welches jetzo mit einem Herzoglichen Titul pranget, an eine leichtfertige Metze gehängt, und dieselbe geheyrathet hatte.

Ein fünfter unterbrach diesen Ritter, welchen der Herr von Ridelo alsobald für den Freyherrn von Riesenburg erkante: er umarmte ihn, als einen Cavallier, der ehedessen eine Zeitlang bey Hofe gewesen war, und der zuweilen auch in den Gesellschaften bey seiner Frauen sich mit eingefunden hatte. So lieb es mir ist, mein Herr Baron, sagte der Herr von Ridelo, sie zu sehen, so wünschte ich doch nicht, daß ich diese Ehre an einem Ort haben mögte, wo ich sie ihrer Freyheit beraubet finde. Ich hoffe, antwortete ihm dieser, solche bald wieder zu erlangen, und ich werde nach Tisch mir die Erlaubniß ausbitten, ihnen meine ganze Begebenheit umständlich zu erzehlen.

Zuletzt kamen noch einige Officiers von der auf der Vestung liegenden Besatzung, nebst ihrem Regiments-Caplan. Die Tafel war rund und das Gespräch allgemein. Der Goldmacher, weil er nebst dem Ritter Bonadi am aufgeräumtesten war, muste dismahl darzu den Stoff hergeben. Unser Herr von Auerthor, so nannte sich derselbe, wird sonder Zweifel, sagte der Commendant, wieder ein gutes Experiment gemacht haben; dann er siehet mir heute ungemein vergnügt aus. Ja, antwortete ihm dieser, ihre Excellenz[127] geben mir wohl Kohlen und Tiegel, aber die Ducaten, die Ducaten sind ihnen noch zu lieb: aus nichts aber kommt nichts. Unterdessen sollen doch heute Ew. Excellenz an einem gewissen Proceß von Wein-Geist ihren Wunder sehen, den ich dermassen geläutert habe, daß er, wenn er angebrannt wird, nebst den allerglänzendsten Farben, auch gewisse Creuz-Figuren vorspiegelt, welche man ohne die äusserste Andacht nicht betrachten kan.

Darf ich mir, fragte ihn hier der Herr von Ridelo, dieses Chymische Kunst-Stück mit anzusehen, die Erlaubniß ausbitten? ich bin ehedessen auch ein Liebhaber dieser edlen Kunst gewesen. Wie! gewesen, wiederhohlte hierüber der Herr von Auerthor ganz bestürzt, Ew. Excellentz verzeihen mir, wer einmahl sich mit der geheimen Philosophie als ein Liebhaber eingelassen, der kan, so lang er lebet, nicht aufhören, ein solcher beständig zu seyn. Ich bin es auch noch, versetzte darauf der Herr von Ridelo, um den schier erzürnten Weisen wieder zu begütigen. Es ist noch nicht gar lang, fuhr er fort, daß ich selbst ein Particular erfunden, Venerem in veram lunam vermittelst eines Mercurialischen Menstrui zu verwandeln: es fehlet mir noch an einem guten Fermento.

Der Herr von Auerthor war ganz entzückt, an dem Intendanten einen solchen Kenner seiner Wissenschaften anzutreffen: denn man hatte bisher seine geheime Redens-Arten nicht[128] verstanden; obgleich der General ihm zur Kurzweil, Oefen, Brennkolben, Tiegel und Kohlen nach Verlangen herbeyschaffen ließ. Nunmehr aber winkte er dem Herrn von Ridelo mit einem freundlichen Blick, und versprach ihm hernach in seinem Laboratorio Dinge zu zeigen, darüber er erstaunen solte. Unter andern rühmte er sich auch, daß er eine geschwinde Generation des Salpeters erfunden, darüber er bereits dem Herrn Commendanten die Eröffnung gethan hätte. Dieser muste bekennen, daß man nicht leicht ein schöneres Gemengsel von allerhand elementarischen Feuer-Farben sehen könte, als wenn man dem Herrn von Auerthor ein Paar Ducaten in den Tiegel schmiß: der Rauch allein von diesem glänzenden und Wunders-würdigen Chaos sey nicht nachzumahlen; und gäbe genugsam zu erkennen, daß die Natur den Menschen nicht umsonst ihre verborgene Schönheiten zeigte.

Uber diesem Gespräch wurde der General geruffen; er beurlaubte sich deswegen von seinen Gästen, und bat sie, seinetwegen sich nicht zu stöhren. Man war einer solchen Freyheit auf dieser Festung gewohnt, daß ein jeder that, was er wolte: einige blieben noch bey dem Wein an der Tafel; andere aber machten sich vor das Camin, rauchten eine Pfeiffe Toback und liessen sich dabey mit Caffee und Thee bedienen. Weil aber der Herr von Ridelo begierig war, die Begebenheit des Freyherrn von Riesenburg zu vernehmen, so begab er sich mit ihm auf des Grafens von Rivera Zimmer, da dann jener seine Erzehlung folgendergestalt anfieng.

Quelle:
Johann Michael von Loën: Der redliche Mann am Hofe. Frankfurt am Main 1742., S. 104-129.
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