Vorbericht.

Gegenwärtige Blätter sind in gleicher Absicht, als die Begebenheiten des Telemachs, des Cyrus und des Gethos geschrieben; ob sie gleich in der Art des Vortrags so weit davon abgehen, als die jetzige Welt von der alten unterschieden ist. Der Verfasser beschreibet hier die Menschen, wie sie heut zu Tage sind, und wie er selbsten hat Gelegenheit gehabt, sie kennen zu lernen.

Er hat den Hof, als die gröste Schule der Welt, zu seinem vornehmsten Schauplatz gemacht; andere Stände und Lebens-Arten aber gleichsam als Zwischen-Spiele mit eingeführet; damit ein jeder Leser etwas finden mögte, das er sich zueignen könte. Die Laster und Thorheiten der Menschen haben nicht allein etwas trauriges, sondern auch etwas lächerliches. Ein Heraclytus hatte ehedessen solche beweinet und ein Democritus belachet. Der Verfasser scheinet hier bald der Ernsthafftigkeit des einen, bald der Munterkeit des andern zu folgen, und sich in Ansehung des letztern nach dem Geschmack solcher Leute zu richten, die nur zum blossen Zeitvertreib lesen, und denen auf eine andere Art keine Wahrheit nicht wohl beyzubringen ist.

Im menschlichen Leben kommen allerhand Um stände vor; der Verfasser hat hier meistens solche Personen aufgeführet, die durch ihr Exempel lehren. Der Graf von Rivera zeiget einer jungen Standes-Person, wie sie, bey den Erhebungen ihres Glückes, sich mässigen und ihre Begierden einschräncken soll. Er kan in einer so durchaus verdorbenen Welt vielleicht zum Muster der Unschuld und der Redlichkeit dienen. Dergleichen Menschen sind heutiges Tages rar. Man glaubet nicht mehr, daß sich die Tugend noch für artige Leute, am wenigsten aber, daß sie sich an Hof schicke; Es ist auch wahr, daß sie da insgemein eine gar schlechte Figur zu machen pflegt. Die Aufführung des Grafens von Rivera zeiget uns nichts desto weniger, daß sie allenthalben zu Hause sey; und daß, wo sie nur ein wenig Klugheit begleitet, sie alle und jede Menschen zu ihrer Verehrung zwinget.

Man siehet in dem Character der Gräfin von Monteras eine junge Dame von einer hohen und zärtlichen Gemüths-Art, die eine Crone verachtet, um einem Cavalier ihre Gunst vorzubehalten, welchen sie derselben seiner Tugenden halber am würdigsten schätzet.

Der Einsiedler giebt ein lebhafftes Beyspiel von einem ruchlosen Menschen, welcher durch eine ausserordentliche Gnade ist bekehret worden; und welcher dahero auch im Stand ist, die besten Lehren zu geben.

Der Herr von Riesenburg hat dem Ansehen nach etwas leichtsinniges und flatterhafftes; im Grund aber das beste Hertz, und eine würckliche Liebe zur Tugend.

Der Herr von Greenhielm hingegen zeiget etwas gründliches und ernsthafftes, welches zugleich mit einer besondern Anmuth und Lebhafftigkeit begleitet ist: man siehet in seiner Jugend einen Eifer die Welt und die Menschen zu kennen; und in seinen reiffen Jahren.

Quelle:
Johann Michael von Loën: Der redliche Mann am Hofe. Frankfurt am Main 1742..
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