[154] Epicharis erzehlet ihre seltzame Zufälle / und wie sich Volusius Proculus gegen ihr außgelassen habe den Nero hinzurichten. Nachdem sie aber deßen Leichtsinnigkeit / und: daß etliche der Verschwornen an statt des Nero den C. Piso zum Käyser zu machen anzielen / wahrnimmet entschleust sie sich des Proculus zu entschlagen / die Mitverschwornen aber zu Wieder-Einführung eines freyen Bürger-Regiments zu bereden / endlich als sie hierinnen überstimmet wird /machet sie mit dem Scevinus, Subrius Flavius, Sulpitius Asper, Maximus Scaurus, und Venetus Paulus den Schluß / nach dem Nero auch den Piso zu erwürgen / und den Seneca zum Käyser zu machen. Antonius Natalis und Sulpitius Asper bemühen sich den Seneca in das Bindnüs wider den Nero einzuflechten; Welcher Anfangs beweglich widerstrebet / endlich ihnen aber eine mittelmäßige Antwort giebt. Die sämtlichen Verschwornen berathschlagen sich / wie sie den Nero am füglichsten stürtzen mögen und werden schlüssig: Daß Plautius Lateranus auf dem den dritten Tag bevorstehenden Feste der Ceres den Nero umb eine Beysteuer Fußfällig ersuchen / und ihn unversehns von dem Throne reißen / die Verschwornen aber Augenblicks auf ihn loß stoßen solten. Epicharis nimmt ein Glaß mit Weine / sticht sich und tröpfelt ihr Blutt hinein / ermahnet die andern Verschwornen solches ihr nachzuthun / darauf solch Glaß herumb getruncken und auf den Nero Fluch und Dreuen außgeschüttet wird. Im Reyen erzehlet das Geschrey allerhand Wunderzeichen / welche die Wahrsager dahin außlegen: Daß Rom ein neues Haupt zu suchen sich vergebens bemühe.
Volusius Proculus, als er sich umb der Epicharis Liebe und die Eröfnung des wider den Nero habenden Bindnüßes vergebens bemühet / entrüstet sich und dreuet ihr sich zu rechnen. Der schwermütige Flavius[154] Scevinus siegelt seinen letzten Willen / theilet Theils Knechten Freyheit / Theils Geld aus / giebet dem Milichus seinem Freygelaßenen einen alten Dolch und heißt selbten scharf machen / Wunden-Pflaster zu verschaffen und Gäste zu bitten. Milichus und sein Weib Corinna erwegen dieses des Scevinus Beginnen /schlüßen daraus: Scevinus müße was Großes und zwar wider den Käyser fürhaben. Corinna beredet auch den Milichus solches dem Nero zu offenbaren. Proculus klaget die Epicharis beym Nero an: daß sie sich wider ihn verbunden habe; ob sie nun wol ihn durch ihre Vertheydigung zu Schanden macht / befiehlet Nero doch sie in Hafft zu ziehen. Epicharis versichert den Sulpitius Asper: Daß sie auch durch keine Marter zu einigen Bekäntnüße auf die Mitverschwornen werde gebracht werden / ermahnet sie auch den Anschlag wider den Käyser zu beschleunigen. Im Reyen kämpfen Klugheit / Gelücke / Zeit / und Verhängnüs / theils den Nero zu stürtzen / theils ihn zu erhalten.
Milichus und Corinna tragen dem Käyser für: Daß Scevinus wider sein Leben was fürhabe; Darauf der Käyser den Epaphroditus ihn in Bestrickung zu nehmen abschicket. Sulpitius Asper berichtet denen Verschwornen die Hafft der Epicharis und ermahnet sie beweglich den Nero alsobald anzufallen. Epaphroditus nimmet den Scevinus gefangen weg. Hierauf setzen Sulpitius Asper, Lateranus, Quinctianus, Lucanus den Piso beweglich / aber wegen seiner und des Natalis Furchtsamkeit vergebens / zu: Daß er sich zu einem Haupte in Rom aufwerffen solle; Weil sie doch schon sonst verrathen werden würden. Nero und Tigillin setzen gewaltig an den Scevinus: Daß er sein Vorhabert bekennen solle / welcher sich aber wider die Anklage stattlich vertheydigt / bis Corinna dem Käyser an die Hand gibt; er solle den Scevinus und Natalis absonderlich vernehmen / was sie den Tag zuvor so lange mit einander heimliches geredet / ob und was sie vom Piso gehandelt; Als nun bey deßen Werckstelligmachung sie zweystimmig befunden werden / heißet Nero beyde auf die Solter spannen /[155] sagt aber gleichwol dem zu erst Bekennenden Genade zu. Als nun Natalis hierauf sich / den Scevinus, und Piso verräthet / muß Scevinus sich nur auch geben und auf den Lateran, Lucan, Quinctian und Senecio, bekennen. Ja endlich verschweiget Natalis auch den Seneca nicht; zu welchem Nero den Granius Sylvanus schicket umb ihn zu befragen: Ob er sich der mit dem Natalis gepflogenen Reden erinnere. Epicharis wird bis zur Ohnmacht gesoltert / alleine von ihr ist weder durch der Bekennenden Zusprechen noch durch die Marter einiges Bekäntnüs abzuzwingen. Lucanus, Quinctianus und Senecio werden durch Dreuen bewogen: Daß sie ihre Schuld zustehen / der erste seine Mutter Atilla und den Julius Tugurinus, der andere den Manatius Gratus und Martius Festus, der dritte den Annius Pollio und Vulcatius Araricus offenbaren. Welche alle der Käyser gefänglich einzuziehen befiehlet. Im Reyen beweinen die Tyber und die Heben Berge zu Rom die Tyranney des Nero.
Die von Pein und Ohnmacht sich ermunternde Epicharis hetzet den Subrius Flavius, Sulpitius Asper, Martius Festus, Maximus Scaurus und Venetus Paulus im Kercker auf den Nero an / schreibet auch deßwegen durch den Maximus Scaurus an Piso / durch den Festus an Seneca. Nero, Sabina Poppæa und Tigillin verfahren wider die Gefangenen. Atilla, weil sie nicht bekennen wil / wird mit Rutten geschmißen /dem Munatius Gratus die Zunge außgerißen. Hierauf wil Subrius Flavius den Degen auf den Nero zucken /wird aber vom Fenius Rufus angehalten; welcher endlich selbst / nachdem et denen andern Verschwornen zusätzet / vom Scevinus entdecket / und vom Cassius gebunden wird. Diesem nach bekennen die Verschwornen auf den Subrius Flavius und Sulpitius Asper, welche nach behertzter / aber / weil sie durch ihre Schreiben überwiesen werden / vergebener Leugnung / dem Nero seine Boßheiten eyfrig unter Augen sagen. Worauf Subrius Flavius weggeschleppet / Sulpitius Asper geköpfet / die andern in Kercker geführet werden. Als Granius Sylvanus dem Käyser die Post bringet: Daß er am Seneca kein Sterbens-Zeichen vermercket / heißet er / ungeachtet seines Vorbittens /ihm die Nothwendigkeit zu[156] sterben andeuten. Maximus Scaurus übergibt dem Piso der Epicharis Schreiben; inzwischen dringet Epaphroditus mit seiner Schaar bey ihm ein / und veruhrsachet: Daß Piso nach weibischer Heucheley regen dem Nero ihm die Adern selbst zerschneidet; welchem es Maximus Scaurus aber behertzter nachthut. Dem Lateran aber wird es verwehret / und er hinweg gerißen. Im Reyen klagen die drey Theile der Welt über der Römer Bedrengung / die Sibylla von Cuma aber weiset in einem Spiegel / was Rom für Tyrannische Käyser gehabt / und ferner haben würde.
Martius Festus bemühet sich / aber vergebens / dem Seneca zu einer Empörung wider den Nero zu bewegen / als welcher sich mit der Tugend und Weißheit auf alle Zufälle tröstet. Cotualda saget dem Seneca den Todt an / verwehret ihm die Schlüßung des Testaments. Seneca bereitet sich zum Sterben / gesegnet seine Freinde / beschweret sich über den Hof und den Nero / tröstet Paulinen / welche er aber / nachdem sie mit ihm zu sterben verlanget / zum Tode aufmuntert /und das Meßer / damit er ihm die Adern zerkerbet /überreichet; mit welchem sie ihr auch die Adern entzwey schneidet; aber solgends auf Befehl des Seneca aus dem Zimmer getragen / dem Seneca aber vom Statius Annæus ein Glaß voll Gist zu trincken gereichet wird. Als aber weder die Adern recht blutten /noch das Gifft würcken wil / begiebet er sich in eine Wanne warmen Waßers / und giebet darinnen hertzhaftig seinen Geist auf. Fenius Rufus und Subrius Flavius werden enthauptet; Dieser stirbt hertzhaft /jener kleinmüttig und schimpflich. Nero und Poppæa kommen in den Kercker / laßen die auf sie fluchende Epicharis aufs neue soltern / welche / nachdem ihm Lucanus die Adern entzwey geschnitten / Quinctian, Senecio und Scevinus enthauptet / Cervarius Proculus und Natalis begnadigt / Milichus beschencket werden / sich auf dem Solter-Stule in einer Binde selbst erwürget.[157]
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