[130] Wie Gutempfang gar kein bedacht
Dem Liebenden den Vorschlag macht,
Dass er sich zu den Rosen kehrt,
Die er vor Allem so begehst.
Indem ich so Gedanken pflag,
Ob ich durchbräche wohl den Hag –
Da sah ich kommen grad' auf mich
Ein'n Knappen fein und hofelich,
An dem man Nichts zu tadeln fand.
Derselb' war Gutempfang genannt,
Ein Sohn der weisen Adlichkeit.
Der gab mir frei den Weg zur Zeit
Zur Hecke freundlich und gemuth,
Und sagte zu mir lieb und gut:
Spricht Gutempfang.
Lieb' Freund, wenn's Euch gefallen mag,
Geht unverzüglich durch den Hag,[131]
Zu fühlen da der Rosen Ruch.
Ich bin Euch Bürg' für den Versuch,
Daß Leid nicht noch Verrath da harrt,
Wenn Ihr vor Thorheit Euch bewahrt.
Wenn ich in was Euch helfen kann,
So steht nicht lang mit Bitten an:
Denn ich bin Euch zu Dienst bereit
Und thu' es ohne Arg' und Neid.
Spricht der Siebende.
Herr, fing' ich an zu Gutempfang,
Gar gern den Antrag ich, empfang'.
So sage ich Euch Dank sofort.
Für Euer all' so gütig Wort,
Aus gar so großer Gütigkeit.
Weil Ihr's so wollt, nehm' ich zur Zeit
Gar gern Eu't Anerbieten an.
Durch Dornen und durch Ranken dann,1
Wovon der Hag gewaltig strotzt
Hab' ich den Eingang da ertrotzt,
Und zu der Knospe mich geschmiegt.[132]
Die schöner als die andern riecht.
Und Gutempfang gab mir Geleit.
So sag' ich Euch, wie mich's erfreut,2
Daß ich sonach nicht mochte spüren,
Wie ich die Knospe konnt' berühren.
Und Gutempfang war werth mir da,
Als ich so nah die Knospe sah. –
Jedoch der schlimmste, ärmste Wicht
An diesem Orte fehlte nicht:
Er hieß Gefahr; so war er Schutz
Und Schirm dem ganzen Rosenputz:
Ihm war die Wache anvertraut,
Er deckte da wohl Blatt und Kraut,
Daß er abwehre da, und fahe,
Wen er nach Rosen langen sahe
Doch war nicht er blos aufgestellt
Vielmehr war ihm dazugesellt,
Der Lästermaul, der üble Gauch
Und Scham und Furcht daneben auch.
Die mächtigste davon war Scham,
Und wisset nun, woher sie kam
In richt'gen Stamm- und Ahnenreih'n.
Vernunft, der weisen, Töchterlein
Hatt' sie zum Vater Frevel, der
So häßlich war ohn' Sitt' und Ehr',
Daß nie Vernunft auch zu ihm ging,[133]
Vom Ansehn nur sie Scham empfing,3
Als Gott nun Scham entstehen ließ,
Ward Keuschheit, die da Frau gewiß
Von Ros' und Knospe dürfte sein,
Bekämpft von ganzen Schelmereih'n,
So daß ihr Hilfe thät' gar Noth,
Dieweil sie Venus arg bedroht,
Die Tag und Nacht zusammen ist
Mit Ros' und Knosp' zu dieser Frist.
Da bat Vernunft ihr' Tochter hie,
Zu retten vor der Venus sie,
Und weil sie so verzweifelt sta't,
Wollt' thun Vernunft, um was sie bat;
So ward auf ihr Gesuch geschafft
Die Schaar, gar einfach, ehrehaft.
Und zu der Rosen bessrer Hut
Sie Eifersucht entbieten thut,
Und Scheu, die auch gar mächtig strebt,
Daß man vor ihrer Herrschaft bebt.
Sie Dreie sind der Rosen Wacht,4
Daß Keiner, der nicht sie bedacht,[134]
Nicht Ros', noch Knospe nehmen kann.
Ich kam dabei gar trefflich an,
Daß ich von ihn'n nicht ward beacht't,
Denn artig und auf Huld bedacht
War Gutempfang gar eifrig drin,
Zu thun mir ganz nach meinem Sinn'.
Oft litt er's, daß ich näher kam
Zur Knospe, und den Rosenstamm
Berührte, der sie selber trug.
Dazu gab er mir Recht und Fug.
Und da er ahnt', wie gern ich's hatt',
Hatt' er gepflückt ein grünes Blatt
Noch von der Knosp', und schenkt' es mir,
Weil es entstanden doch bei ihr.
Das Blatt, das macht' mir große Lust,
Und da ich mich befreundet wußt',
Und so vertraut mit Gutempfang,
Wähnt ich, daß mir es schon gelang.
Da faßte Herz und Muth ich hie,
Dem Gutempfang' zu sagen, wie
Mich Amor traf und fing zur Zeit.
Herr, fing ich an – nie hätt' ich Freud',
Als wie nur um ein einzig Ding;
Dieweil mir ganz das Herz befing
Ein Uebel, das mich drückt gar schwer.
Ich weiß nicht, wie ich Euch belehr',
Dieweil ich fürcht', Ihr zürnt darum.[135]
Und lieber wollt' ich um und um,
Von Messern gänzlich sein zerstückt,
Als daß es Euch zu Zorn' entrückt.
Gutempfang.
Sprecht, sagte er, nur was Ihr wollt,
Und nimmer Ihr gewahren sollt,
Daß mich's erzürnt, was es auch wär'.
Der Liebende.
Da sagt' ich: Wisset, lieber Herr,
Mir schicket Amor harte Plage –
Und glaubt nicht, daß ich Lüge sage,
Er macht in's Herz fünf Wunden mir,
Daß ich die Schmerzen noch verspür', –
Doch nicht mehr, wird die Knospe mein,
Die vor den andren schön mag sein.
Sie ist mein Leben, ist mein Tod,
Daß Nichts, als sie mir Lust mehr bot.
In Gutempfang ein Schrecken fährt –
Gutempfang.
Und sagt mir: Bruder, Ihr begehrt,
Dem nimmer, werden kann Gewähr.
Wie! Bringt Ihr so mich in Unehr?
Ihr thätet an mir argen Fleck,
Wenn Ihr die Knospe brächet weg[136]
Vom Rosenstock'. Es geht nicht an,
Daß man von hier sie nehmen kann.
Ihr seid nicht klug, es zu begehren,
Laßt hier sie wachsen und sich nähren
Ich möcht' sie trennen nimmermehr
Vom Stocke, der sie trug bisher,
Um Nichts, das lebt – so schätz' ich sie.
Der Schreiber.
Flugs sprang Gefahr, der schlimme, hie
Herzu vom Platz, darauf er stund,
Gar groß und schwarz – ein übler Kund',
Roth war das Aug', wie Feuerlicht,
Und runzlich Nase und Gesicht.
Darauf nun schrie er mächtig sehr:
Gefahr.
Nun Gutempfang, was bringt Ihr her
Den Burschen zu den Rosen hier?
Ihr thatet schlimm, Gott helfe mir!
Daß sich's zu Eurem Schaden kehrt'.
Schlimm ging' es, wenn nicht Ihr es wär't,
Dem, der ihn führt' in dies Bereich.
Wer Schelmen dient, gilt ihnen gleich.
Ihr meintet Liebes ihm zu thun,
Und er dagegen schmäht Euch nun.
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