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[31] Der Förster steht im Fenster und pfeift. Wilkens sucht Stock und Hut. Die Försterin sieht ratlos von einem zum andern. Möller im Abgehn stößt auf Robert und Andres, die hereingestürmt kommen. Marie hängt an Roberts Arm, den sie zu besänftigen sucht.
ROBERT zornig im Hereintreten. Er soll nachgeben, er soll den schönen Tag nicht stören.
ANDRES. Geh' zu deinem Vater; der hat den Streit angefangen.
MÖLLER. Gut, daß ich Ihnen begegne, Herr Stein. Sie möchten sogleich nach Hause kommen. Ab.
ROBERT. Ulrich, Sie geben nach, Sie müssen nachgeben.
FÖRSTER sich vom Fenster wendend. Sie, Herr Stein? Was suchen Sie bei mir? Marie, du gehst dort hinaus. Was suchen Sie bei dem Mann, den Ihr Vater absetzen will?
ROBERT. Aber warum wollen Sie nicht ja sagen?
ANDRES. Weil er ein rechtschaffener Mann bleiben will und sich nicht zum Schurken machen lassen will von euch. Der Förster winkt ihm zu schweigen.
ROBERT. Mit dir red' ich jetzt nicht, Andres.
FÖRSTER. Sind Sie mit Ihres Vaters Bewilligung hier, Herr Stein? Außerdem – Herr, und wenn Ihr Vater mir meine Stelle nehmen könnte und meine Ehre – daß ich ein unbescholten Kind hab', das kann er mir nicht nehmen. Und[31] ein andrer – was? Junger Herr, hier bin ich kitzlich. Verstanden?
FÖRSTERIN. Aber willst du's noch mit dem letzten Freund verderben?
FÖRSTER. Die Marie hat einen Ruf zu verlieren. Wenn er ein Freund ist, weiß er ohne mich, was er thun muß.
ROBERT. Ich weiß, was ich thun muß, aber Sie wissen's nicht; sonst setzten Sie Ihrer Kinder Glück nicht an eine Laune – an –
FÖRSTER. Oho; das sagen Sie Ihrem Vater, junger Herr.
ROBERT. An einen Eigensinn. Ich hab' Ihr Wort, und Marie hat das meine; ich bin ein Mann und will kein Schurke sein.
FÖRSTER. Und weil Sie kein Schurke sein wollen, soll ich einer sein? Soll's heißen: der Ulrich hat Vater und Sohn auseinander gebracht? Herr, mein Mädel da ist zu gut, als daß es heißen soll von ihr, sie hat sich in die Familie geschlichen. Herr Stein, hier bin ich zu Haus. Sie wissen, was ich meine.
FÖRSTERIN. So laß die Kinder wenigstens –
FÖRSTER. Einen dummen Streich machen? Und ihr seht zu, und hernach wißt ihr nichts als Heulen.
ROBERT. Marie, wie es auch werden mag –
FÖRSTER. Ich weiß nicht, ob ich die Marie kenn. Wenn ich die Marie nicht kenn, so ist's besser, du gehst gleich mit ihm.
MARIE. Vater, er meint's so treu.
FÖRSTER. Gut; so geh' mit ihm.
FÖRSTERIN. So hart –
ROBERT. Bei dem Himmel, Marie, der uns einander bestimmt hat –
FÖRSTER wie vorhin, zur Försterin. Und daß du mir nicht etwa – Hörst du, wenn's geschäh' – Er wendet sich mit ihr nach dem Hintergrunde.
ANDRES losbrechend. Nun ist's genug. Marie, du gehst oder der hier geht.
FÖRSTERIN. Nun fang auch du noch an, Andres! Sie geht zu ihm auf die linke Seite.[32]
ANDRES. Ich hab' lang genug geschwiegen. Laß mich, Mutter. Sein Vater hat meinen Vater beschimpft, der soll nicht auch noch meine Schwester beschimpfen.
ROBERT. Du bist mein, Marie. Den will ich sehn, der uns – Fort mit der Hand!
MARIE. Robert, es ist mein Bruder!
ANDRES drohend. Nur einen Schritt weiter, so –
ROBERT. Fort, sag' ich, um Gottes willen –
ANDRES. Du bist mein Mann nicht –
ROBERT. Nicht mit der Fingerspitze sollst du berühren, was mein ist. Euch allen zum Trotz –
ANDRES. Hörst du's, Vater?
FÖRSTER zwischen die beiden tretend. Zurück da, Bursche. Wer ist Herr im Haus?
ANDRES. Bist du's, Vater, so zeig, daß du's bist, oder laß mich's dem zeigen da.
FÖRSTER. Andres, jetzt gehst du dorthin und muckst mir nicht.
ANDRES. Vater-
FÖRSTER. Ob du Parition leisten wirst!
Andres reißt eine Flinte von der Wand.
FÖRSTER. Was machst du da?
ANDRES verbissen. Nichts. Hier im Hause bist du Herr; draußen ist's niemand; draußen sind wir's alle.
FÖRSTER. In meinem Forst bin ich's.
ANDRES. Aber keinen Schritt weiter!
FÖRSTER. Was heißt das? Antwort!
ANDRES. Nichts weiter, Vater. Es braucht's nur der dort zu wissen. Wenn du auf deine Ehre nicht hältst – für der Marie ihre sorg ich. Das ist für den, der der Marie zu nahe kommt.
FÖRSTERIN. Was für Reden!
ROBERT. Reden eben. Kinder fürchten sich vor Reden.
ANDRES. Bei Reden soll's nicht bleiben, so wahr ich ein Mann bin.
ROBERT. Wärst du ein Mann, du drohtest nicht, du –[33]
ANDRES. Wären wir wo anders, du höhntest nicht –
FÖRSTER. Andres!
ROBERT. Gib' Raum –
ANDRES. Fort, sag' ich.
Förster, fast zugleich, pfeift durchdringend auf dem Finger.
ANDRES. Wo du nicht mehr –
FÖRSTER indem er zwischen die beiden tritt. Rebellische Jungens! Ruhe da! Daß sich's keiner einfallen läßt! Blitzjunge da! Wenn ich einen Vormund brauche, so nehm ich keinen Gelbschnabel dazu. Bin ich Herr hier oder ist's sonst jemand? Was hast du hier zu thun, Bursche? In den Wald mit dir; dem Weiler auf die Hände sehn, daß er nicht faulenzt; dann ein Dutzend Ahornpflanzen in der Baumschule herausgenommen, in feuchtes Moos geschlagen; der Haslauer Bote, wenn er kommt, daß er nicht warten muß. Kein Muck. Vorwärts!
Andres gehorcht und geht, nachdem er Robert einen herausfordernden Blick zugeworfen, den dieser
beantwortet.
FÖRSTER. Und Sie, Herr Stein; guten Tag, Herr Stein; Sie wissen, was ich meine.
FÖRSTERIN. Wenn Sie's Ihrem Vater vorstellten; aber sanft und freundlich! Und brächten ihn zurück.
MARIE. Dann säh' ich, wie lieb du mich hast, Robert.
FÖRSTER milder. Eher kommst du mir nicht wieder. Adieu, Robert. Und läßt mir das Mädel da in Ruh'.
ROBERT. Ich gehe. Aber wie's auch werden mag, mein Recht an die Marie geh' ich nicht auf. Ab.
FÖRSTERIN. Muß heut denn alles zum Schlimmsten ausgehn? Und Er, Herr Vetter, auch Er will uns verlassen?
WILKENS. Hm! Wenn einer absolut mit der Stirn durch die Wand will! Der Narr bin ich nicht, der die Hand dazwischen hält. Ab.
Vorhang fällt.
Ende des ersten Aufzugs.
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Der Erbförster
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