Neunter Auftritt.


[27] Möller rasch herein. Vorige. Zuletzt Andres.


FÖRSTER nicht aufsehend. Na, ich gebe. Nimmt die Karten, bemerkt seinen Irrtum. Sie sind's, Herr Möller?

MÖLLER feierlich. Aufzuwarten.

FÖRSTER. So setzen Sie sich. Ist er wieder kühl, der alte Hitzkopf? Warum kommt er nicht herein? Ich soll ihn holen? Will gehn.

MÖLLER. Herr Stein läßt den Herrn Förster fragen, ob er sich besonnen hätte?

FÖRSTER. Dächt' ich doch!

MÖLLER. Daß Sie durchforsten wollen.

FÖRSTER. Daß ich nicht durchforsten will.

MÖLLER. Das heißt, daß Sie die Försterstelle aufgeben.

FÖRSTER. Das heißt – daß Sie ein Narr sind.

MÖLLER sehr feierlich. Ich habe den Auftrag von Herrn Adolf Friedrich Stein, Chef des Handelshauses Stein und Sohn, im Fall Sie den Befehl Ihres Herrn auszuführen noch sich weigern sollten, Ihnen Ihre Absetzung anzukündigen und auf der Stelle dem Buchjäger zu notifizieren, daß er Förster von Düsterwalde ist.

FÖRSTER. Und das wär' Ihnen ein Vergnügen –[27]

MÖLLER. Von mir ist hier nicht die Rede; hier ist die Rede von der Firma Stein und Sohn, die zu vertreten ich die Ehre habe. Ich lasse Ihnen fünf Minuten Bedenkzeit. Tritt ans Fenster.

FÖRSTER. Absetzen? Mich absetzen? Wissen Sie, was das heißt? Einen Mann, der vierzig Jahre lang redlich gedient? Himmelelement, Herr! Wenn ich täte, was er will – dann wär' ich absetzenswert. Durchforsten! Und der Berg liegt gegen Nord und Nordwest offen wie ein Buch –

WILKENS. Hm! Aber von Seinen Bäumen ist dahier auch gar nicht die Rede.

FÖRSTER. Daß der Wind sich hineinlegt und alles zusammenknickt? Element! Dummes Zeug. Es ist gar nicht sein Ernst. Wenn er sich nur erst besinnt.

WILKENS. Drum und so sagt' ich ja. Bis es zum Hauen kommt, kann einer sich noch hundertmal besinnen. Und das sieht Er doch, daß es dem Herrn Stein hier nicht absolut ums Hauen ist? Sondern nur, daß er sein Ansehn behaupten will. Wenn er Herr ist, so muß er doch recht behalten.

FÖRSTER. Aber er hat unrecht, und zu einem Unrecht sag' ich nicht ja. Vierzig Jahr' hab' ich das Meine nichts geachtet um das, was mir anvertraut war, hab' ich –

WILKENS. Hm, und so dächt' ich, wenn Er's vierzig Jahr' mit Seinen Bäumen treu gemeint hat, so könnt' Er das nun auch einmal mit Frau und Kindern und mit sich selbst.

FÖRSTER. Weiß Er, daß das dem Stein ein Schaden werden kann von sechstausend Talern? Was? Um die ich ihn brächte mit meinem ja? Und dann sollt' einer auftreten und sagen: der Ulrich hat ja dazu gesagt? In fünfzehn Jahren konnte ein Schlag dastehn, daß ein Jägerherz aufgehn mußte davor und –

WILKENS. Hm; und das kann ja noch immer –

FÖRSTER. Wenn der vermaledeite Wind von Hersbruck her einmal drin gelegen hat? Er red't, wie Er's versteht.

FÖRSTERIN furchtsam. Aber was soll aus uns werden?

FÖRSTER. Wir sind ehrliche Leute, und das wollen wir bleiben.[28]

WILKENS. Hm! Wenn hier von der Redlichkeit ganz und gar die Rede wäre!

FÖRSTER. Aber zum Teufel, Herr, von was sonst? Was? Pfötchen geben? Schlagt nur zu! Ihr werdet schon klug werden. Und ins Fäustchen lachen? Nur kein ehrliches offenes Wort. Das ist Eure Bauernmoral so. Wenn's Euch nur nicht an den Geldbeutel geht, ihr laßt's gehn. Wo Ihr nicht müßt –

WILKENS selbstzufrieden. Hm, ja. Wo der Bauer nicht muß, da regt er nicht Hand und nicht Fuß. Da hat Er schon recht; das ist so die Bauernmoral. Und ich sag' Ihm, die Bauernmoral ist nicht dumm. Hätt' Er die Bauernmoral befolgt, so hätt' Er seine Schuldigkeit gethan und nicht für den Heller mehr und hätte das Seine an sich gewandt und an Frau und Kinder, und nicht an fremdes Gut; so könnt's ihm nun auch egal sein, was draus wird. – Wes Brot ich esse, des Lied ich singe. Er wird nicht bezahlt, daß Er Herr, sondern daß Er Diener sein soll. Wenn also Sein Herr sagt: es soll durchforstet werden –

FÖRSTER. So muß ich dafür sein, daß es nicht geschieht. Der redliche Mann geht vor den Diener.

WILKENS. Hm! Da wären wir ja glücklich wieder beim Anfang. Wendet sich.

FÖRSTERIN. Er will doch nicht gehen? Er ist noch mein einziger Trost, der Herr Vetter. Er wird sich ja noch besinnen. Auf den Herrn Vetter gibt er noch das meiste.

WILKENS. Das merk ich.

FÖRSTERIN. Die Verlobung! – Die Marie! – Und daß auch der Herr Pastor nicht da ist! Wenn doch nur der Herr Vetter –


Andres tritt auf.


WILKENS. Er hat einen Schädel von Eisen. Kann man ihm denn was deutlich machen?

MÖLLER der bis jetzt ruhig aus dem Fenster gesehn, sieht nach seiner Uhr und wendet sich dann feierlich gegen den Förster. Herr Förster; nun möcht ich um Ihre letzte Erklärung bitten.[29]

FÖRSTER. Was ich gesagt hab', das hab' ich gesagt. Schritte; bleibt stehn. Und übrigens kann er's gar nicht, das mit dem Absetzen. Er kann mich ja gar nicht absetzen. Erst muß er mir nachweisen, daß ich's verdient hab'. Um nichts und wieder nichts kann er mich nicht absetzen.

MÖLLER mit Ansehn. Also Sie wollen nicht? Rund heraus: Sie wollen nicht?

FÖRSTER. Wenn's Ihnen noch nicht rund genug war, nein! Runder kann ich's nicht zusammenbringen. Ein Schurke will ich nicht sein, und einen redlichen Mann kann er nicht absetzen. ist das nun rund genug, daß es rollt? Ich bin Förster, und ich bleibe Förster und – durchforstet wird nicht! Das sagen Sie Ihrem Herrn und Ihrem Buchjäger und wem Sie wollen!

FÖRSTERIN. Haben Sie nur ein wenig Geduld mit ihm. Das kann ja gar nicht Herrn Steins Ernst sein, und Sie haben schon soviel Güte gehabt –

MÖLLER. Wenn ich's wäre, ich, Justus Möller – was rät' ich nicht, der Frau Försterin zu Gefallen? Aber ich stehe hier als Bevollmächtigter von Stein und Sohn.

FÖRSTER. Wenn er ein Recht zu haben glaubt, so mag er's verfolgen. Und du sollst mein gutes Recht nicht so beleidigen, Weib, daß du beim Unrecht betteln gehst. Guten Tag, Herr Möller. Wünschen Sie sonst noch was? Nicht? Haben Sie mir sonst noch was zu sagen?

MÖLLER sehr feierlich. Nichts, als daß Ihre Försterschaft von diesem Augenblick an zu Ende ist. Hier ist die Besoldung, ein Halbjahr voraus. – Dafür werden Sie so bald als möglich, spätestens in drei Tagen, das Forsthaus räumen, damit der nunmehrige Förster hereinziehn kann, der von diesem Augenblick an ganz allein für den Forst zu sorgen hat.


Der Förster muß sich setzen.


FÖRSTERIN zu Andres, den sie immer zurückhalten müssen und der nach der Thüre eilt. Wohin, Andres?

ANDRES. Dem Robert sagen, was sein Vater –[30]

FÖRSTERIN. Daß du nicht etwa –

ANDRES. Laß mich, Mutter, eh' ich den am Kragen fasse da – Heftig ab.

FÖRSTER. Schon gut. Schon gut. Daß du mir still bist, Weib! Steht auf. Guten Tag, Herr Möller. Hier haben Sie Geld liegen lassen. Herr, sonst werf ich's Ihnen nach. Tritt ans Fenster und pfeift.

MÖLLER. Sie sehen, Frau Försterin, ich thu' meine Schuldigkeit mit Schmerzen. Ich gehe zum Buchjäger.

FÖRSTER ohne sich nach ihm zu wenden. Glückliche Reise!


Quelle:
Otto Ludwig: Werke. Leipzig und Wien [1898], S. 27-31.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Erbförster
Der Erbförster: Ein Trauerspiel in Fünf Aufzügen (German Edition)

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon