Fünfter Akt.


[355] Im Zelte Antiochus'.

Ein Thronsessel mit Baldachin; das Zelt aus prächtigen Stoffen durch von der Decke herabhängende Ampeln erleuchtet. Wenn die Hinterwand sich öffnet, Aussicht über das übrige Lager auf das hoch liegende Jerusalem, erst vom Monde beschienen, der dann von Gewitterwolken verdeckt wird und später untergeht.

Antiochus, Eleazar, Nikanor eben eintretend. Ein Hauptmann als Ordonnanz am Eingang.


NIKANOR beugt die Knie vor dem sitzenden Antiochus.

Herr, alles ist gethan, was du gebotst.

Des Marterofens Flamme leuchtet weit,

Ein glüh'nder Warnungsfinger, um den Unsinn

Zu schrecken aus des Wahnes altem Trotz.

ANTIOCHUS.

Und noch kein Bote von Jerusalem?

Ein Schritt naht eilend. Ist's der Bote endlich?

Jerusalem ergibt sich?

NIKANOR der durch den Eingang gesehn.

Hoher Herr,

's ist Gorgias.

ANTIOCHUS.

Den erst ich heimgesandt?

Was wendet den Vermessenen zurück?

GORGIAS eilend herein, beugt die Knie.

Herr, zürn' der Botschaft, doch dem Boten nicht.

ANTIOCHUS.

Was ist?

GORGIAS.

Du glaubtest auf dem Wege mich.[356]

Schon war ich's, als auf schaumbedecktem Rosse

Mir Lysias entgegenkam.

ANTIOCHUS.

Den ich

Auf meinen Stuhl hieß sitzen, bis ich kehrte?

Was treibt ihn treulos weg von seiner Pflicht?

GORGIAS.

Er war ihr treu; drum mußt' er sie verlassen.

ANTIOCHUS.

Ha, Aufruhr?

GORGIAS.

Eil' und Sorge warf ihn nieder.

Sein Wort an dich heißt: Unzufriedenheit

Mit diesem Judenkrieg, durchs Siegerbeispiel

Der Juden kühn gemacht, trägt frech den Aufruhr

Durch deine Lande. Kehr', Herr, um zu steuern!

ANTIOCHUS.

Was mehr?

GORGIAS.

In deinen Heeren Meuterei.

Drum rechne nur auf das, so mit dir ist,

Auf dies auch rechne, Herr, nicht zu gewiß!

Führ' sie zurück, dann bürg' ich ihre Treue,

Doch gegen Juden –

ELEAZAR.

Die sie erst besiegt?

GORGIAS.

Ich habe manches Sieges stählenden

Einfluß gesehn auf Siegerheere wirken

Und weiß, daß Sieg den Sieg gebiert. Allein

Der bei Ammaus über Waffenlose,

Die selbst dem Schwert die unbewehrte Brust

Entgegenboten, Herr, das war kein Sieg,

Wie er Besiegte schwächt und Sieger stärkt.

Die Krieger überfiel ein Grau'n im Schlachten,

Sie fühlten sich nicht Krieger mehr, nur Mörder.[357]

Die Wut des Feindes weckt die eigne Wut

Und scheucht den Sinn der Menschlichkeit von dannen;

Doch kalt zu morden, das ist grauenhaft.

So kam's, daß die Empfindungslosigkeit,

Mit der die Sterbenden den Tod begrüßten,

Indem sie lächelten und lächelnd starben,

Das Lächeln von der Sieger Wange pflückte

Und bleiche Reu' drauf säte und Besorgnis,

Wie sonst man im Gesicht Besiegter liest.

»Mit solchem Feind zu kämpfen, den solch furchtbar

Gewalt'ger Gott erfüllt, daß er, was menschlich

Im Menschen ist, den Sinn für Schmerz verzehrt?

Sie lachen unsrer Streiche, und wir werden

Die ihren doppelt fühlen, wenn ihr Gott,

Der sie beseelt, es will!« Das und noch Schlimmres

Sagt' ihre Blässe und ihr trüber Blick.

ELEAZAR.

Wenn das erfahrne Auge dasmal nicht

Im fremden las, was in ihm selbst nur stand.

ANTIOCHUS.

Vollende, denn die Wolk' auf deiner Stirn'

Birgt mehr noch.

GORGIAS.

Philipp, dem dein Vater sterbend

Auftrug, daß er zum König dich ernenne,

Braucht diesen Vorwand treulos, die Regierung

Des Reichs sich anzumaßen. Kehrst du nicht,

So geht er weiter. Thu' es, Herr!

ELEAZAR.

Eh' daß

Der Juden Unterwerfung du vollendet?

GORGIAS.

Noch mehr; der Sohn von deines Vaters Bruder,

Demetrius, erhebt den alten Anspruch

Auf deinen Thron. Gelandet ist er schon

An deinem Strand und naht der Hauptstadt eilend,[358]

Und alles fällt ihm zu, wohin er kommt,

Denn er verspricht den Frieden mit dem Juda,

Der großen Scheuche von ganz Syrien.

Kehr' eilend –

ELEAZAR.

Den Triumph des Feinds im Rücken,

Der den Rebellen laut zurufen wird:

»Harrt aus wie wir, wie wir, dann müßt ihr siegen?«

NIKANOR.

Herr, zieht dein Zögern diesen Aufruhr groß,

Rankt sich an seinem Siegerstab die Hoffnung

Der Juden neu empor, und zwischen Feinden

Wirst du erdrückt.

ELEAZAR.

Schickst du den Ruf vom Siege

Voran, besiegst den Arm du durch das Ohr.

Ein Tag beendet alles!

ANTIOCHUS der Gorgias mit dem abgegangenen und wieder eingetretenen Hauptmann reden sieht.

Ist's der Bote?

GORGIAS.

Die Wache bringt ein Weib. Für Judas Mutter

Gibt sie sich aus, die dich zu sprechen fleht.

ELEAZAR für sich, erschreckend.

Meine Mutter? Jetzt? Weh' mir! Was bringt sie her?

ANTIOCHUS.

Des Juda Mutter? Geh' und heiß' sie kommen!


Der Hauptmann ab.


Und muß ich's töten, um's zu unterwerfen,

Will ich auf dieses Volkes Leichnam stehn.


Lea wird vom Hauptmann hereingeführt, sie kniet am Eingang des Zeltes nieder. Nikanor führt sie auf den König zu; sie wirft sich schweigend vor dem König nieder; währenddes:


ELEAZAR.

Sie ist's! O welch ein Anblick, Tiger zähmend!

O Mutter! Mutter! Kaum noch halt' ich mich,[359]

Dein heilig Knie in Staub gebeugt zu sehn!

Sturm Gottes, wie du dieses Prachtgefäß

Zerschlugst, von Menschenhoheit überfüllt,

Du konntest seinen Inhalt nicht verschütten;

Noch predigt jede Scherbe Majestät. –

Klag' ich das Schicksal an um meine That?

Still, Eleazar! Dort liegt Grau'n und Schwindel.

Was ich gethan, hätt' ich umsonst gethan.

Verbirg dein Mitleid, schling's zurück in dich;

Ihr hälf' es nicht und dich würd' es verderben!

ANTIOCHUS nachdem Lea eine Weile vor ihm gelegen.

Wer bist du?

LEA.

Herr, ein Weib, verarmt an allem

Und selbst an Thränen; eine Mutter, Herr,

Die deine Majestät zu flehen kommt:

Herr, bist du Gottes Bild an Macht und Größe,

Sei's auch an Gnade, gieb mir meine Kinder!

ANTIOCHUS.

Sind sie in meiner Hand?

GORGIAS der mit dem Hauptmann gesprochen.

Drei Brüder, Herr,

Des Juda, von dem Hause Simei

Als Zeichen seiner Treue dir gebracht.

Sie harren deines Spruchs.

ELEAZAR für sich.

Auch meine Brüder?

Aus allen Adern strömt mein Leben fort.

LEA.

Um deinen Eleazar! gib sie mir.


Sieht um und bleibt auf Eleazar haften, der sich abwendet.


ELEAZAR für sich.

Nacht, sei mitleidig! birg mich ihren Augen![360]

LEA.

O meiner Seele Kind, noch ungeboren

Begnadigt schon mit göttlicher Verheißung,

Mußt du nun so der Mutter Auge fliehn?

Und weh mir! durch der Mutter eigne Schuld?

Herr, sieh ihn an; wie angenagt vom Wurm

Die süße Blüte welkt; gieb mir auch ihn;

Wenn du ihn liebst – und, Herr, ich weiß, du liebst ihn –,

Willst du nicht seinen Tod und giebst ihn mir.

Neig' deinen Scepter, Herr, und sieh, wie schön

Sich Majestät in Dankesthränen spiegelt.

ELEAZAR für sich.

Halt', Eleazar, dich! Du darfst nicht reden.

ANTIOCHUS.

Du flehst um deiner Kinder Leben?

LEA.

Um

Ihr nacktes Leben.

ANTIOCHUS.

Tod und Leben liegt

In ihrer eignen Wahl.

LEA erschreckend.

Wie meinst du das?

ANTIOCHUS.

Bekehrung heißt ihr Leben, Weig'rung Tod.

LEA.

Das wolltest du? Herr! Herr! was sprichst du da?

ANTIOCHUS.

So will es das Gesetz Antiochus'.

LEA.

Nein, Herr! Sprich: Das Gesetz, das ich gemacht,

Kann ich vernichten.

ANTIOCHUS.

Bald, das schwör' ich dir,

Soll es euch heil'ger sein als das von Moses.


Zu Nikanor.
[361]

Führ' sie zum Marterofen; thu' mit ihnen,

Wie das Gesetz gebeut!

NIKANOR.

So thu' ich, Herr.


Will gehn.


LEA hält ihn.

Nein, bleibe noch!


Wirft sich wieder nieder vor Antiochus.


Herr, höre mich; laß mich

Nur erst der Schreckensworte Sinn verstehn!

Ihr ungeahnter Klang hat mich erschreckt.

Sieh, meine Sinne schwindeln von dem Schlag.

Abfallen oder sterben? –


Zu Nikanor.


Bleib' noch! – Sterben?

Du kalter Laut, du lügst Gleichgültigkeit.

Wer hört die Angst der Kreatur dir an,

Alles zu lassen, was das Auge sieht,

Das Auge selbst? Und selber was wir hassen,

Wird lieb uns, wenn's es lassen gilt. Wie klein

Der Sprung, und doch liegt eine Welt von Sträuben,

Anklammern angstvoll zwischen seinen Ufern.


Sie hält Nikanor wieder auf, der gehn will.


O alles! alles! Nur nicht Tod! nicht Tod!

Und doch – Herr, bleib noch! Kann ich sie erst sehn?

Wie sind sie? Lassen sie von ihrem Gott?

NIKANOR.

Sie sind voll Trotz.

ANTIOCHUS.

Voll Trotz? Ich will ihn brechen.


Er winkt, Nikanor will gehen.


LEA hält ihn wieder.

Sie sind voll Trotz? O freilich! Strenge wirkt

Nur Trotz. Mit Drohn verlangten's fremde Männer,

Da bäumt sich in dem Kinde schon der Mann;

Doch wenn die Mutter fleht, da wird der Mann

Zum Kind und läßt sich lenken. Herr, vergönne

Die Frage mir: Darf ich die Kinder sprechen?

ANTIOCHUS.

Wenn du zu ihrem Heile reden willst –[362]

LEA.

Wie sonst? Wie anders soll die Mutter reden?

Darf ich allein sie sprechen?

ANTIOCHUS.

Laß dir g'nügen –

LEA.

Wie du willst, Herr; ich meinte nur, sprech' ich

Vor deinem Angesicht, sie würden glauben,

Ich rede deine Rede. Sei's darum!


Antiochus winkt; der Hauptmann bringt Johannes, Joarim und Benjamin.


ELEAZAR für sich.

Antiocha, schütz' du mich, süßes Bild!

BENJAMIN Lea erblickend und auf sie zulaufend.

Die Mutter! Joarim, da ist die Mutter!

JOARIM.

O Mutter! Mutter!

JOHANNES umfaßt ihre Knie.

Herrin!

LEA alle umarmend.

Kinder! Kinder!

ANTIOCHUS.

Zur Sache!

LEA.

Ja, mein Herr; so thu' ich schon,

Dorthin seht. Jener Mann dort ist der König;

Er will euch leben lassen, wenn ihr euch

Von euerm Gott zu seinen Göttern wendet –

BENJAMIN.

Wir haben ihm ja nichts zuleid gethan;

Weshalb sollt' er uns töten?

LEA.

Doch er wird's.

JOARIM.

So laß ihn, Mutter. Er ist nur ein Mensch,[363]

Wie du und ich und meine Brüder sind.

Wir wollen Gott gehorchen, nicht den Menschen.

LEA.

Mein Heldenkind! – Vergib mir, Herr; es ist

Ja so natürlich, daß die Mutter freut,

Wenn ihr die Kinder nachgeartet sind.

Von ihrer Mutter haben sie den Trotz.

Kommt her, du böser Joarim, und du,

Mein Benjamin und mein Johannes; legt

Die Hände mir aufs Haupt, schwört mir, zu thun,

Was ich euch sagen werde!

JOARIM.

Doch nichts wider

Den Herrn!

LEA.

Ich schwör' euch zu für euern Schwur,

Zu euerm Heil nur fordr' ich diesen Schwur.

BENJAMIN, JOARIM, JOHANNES die Hände auf Leas Haupt.

Wir schwören, Mutter!

JOHANNES.

Und nun sprich!

ELEAZAR bewältigt sich, daß er ihnen nicht laut zuruft.

Schwört nicht!

ANTIOCHUS.

Zeigt ihr den Marterofen, eh' sie spricht!


Die hintere Zeltwand fällt; Aussicht auf das Lager, über dem hinten Jerusalem mit dem Tempel, vom Monde erleuchtet; der Himmel übrigens bewölkt; von der Seite fällt ein Feuerschein auf die Bühne; Wetterleuchten.


LEA vor dem Feuerschein entsetzt zurückwankend.

Gott Israels!


Kniend.


Herr, sei ein Mensch! Du hattest

Eine Mutter, und du weintest, wie sie starb, –

Gewiß! Du weintest! Herr, du selbst hast Kinder

Und liebst sie, Herr! Gewiß! Du liebst sie, Herr!

Gehorch' ich dir, gehorch' ich nicht – ich muß,[364]

Ich selbst, die Mutter ihre Kinder töten.

O, denke deiner Mutter, deiner Kinder

Und sprich: Es ist genug; lebt euerm Gott!

ANTIOCHUS.

Nun komm zum Ende!

LEA.

Ja, zum Ende komm' ich,

Zu meinem Ende! – Nur so lange, Herr,

Laß mir den Atem, bis ich sie gerettet

Nicht vor des Königs, nur vor deinem Zorn!

Mein Fluch auf den, der brechen wird den Schwur!

Nun hört, was ihr geschworen: Bleibt getreu

Dem Gott der Väter; er allein ist Gott!

Und du nun, Herr, nicht mehr um Gnade fleh' ich:

Sei nur gerecht! Sie können nun nicht anders;

Nur mich laß sterben; ich allein bin schuldig!

ANTIOCHUS.

Nur du sollst leben! Meinen Schwur an deinen!

So fremd sei mir Barmherzigkeit, als dir

Die Mutterliebe ist. – Führt sie zur Marter,

Den Ältesten zuerst, zuletzt den Jüngsten!


Von hier an ferner, allmählich näher kommender Donner.


LEA.

Du bist ein Henker, kennst das Mutterherz;

Ein feiger Henker, der sich schmähen läßt!

Wärst du ein Mann, ich lebte schon nicht mehr,

Um dich zu schmähn!


Antiochus winkt Nikanor; dieser will die Kinder abführen.


LEA hält Nikanor auf, ununterbrochen sprechend.

Was ras' ich, Herr? Hör' nicht,

Was Wahnsinn aus mir redet. Bei dem Gott

Des Himmels und der Erde! sei ein Mensch!

Nur diesmal sei ein Mensch!

ANTIOCHUS.

Was flehst du mich?[365]

Ihr Tod und Leben steht in deiner Hand.

Du hörtst, ich schwur.


Wendet sich zu gehen.


LEA kleine Pause des Kampfes.

So schwurst du dein Gericht –

Denn diese wird der Herr, ihr Gott, erwecken,

Wenn du ein Schatten bist im Totenreich.

Thor, der du meinst, die Kinder zu verderben,

Und bist das Werkzeug nur, sie zu erhöhn!

Denn über ihrer Marter wird der Herr

Von seinem Volke wenden seinen Zorn.

Solang' ein Odem weht, wird er sie preisen,

Doch du wirst ewiglich verworfen sein!

ELEAZAR für sich.

Sie reißt mich fort so wie auf Adlerschwingen.


Da Antiochus wieder winkt, stürzt er vor ihm auf die Kniee; Nikanor bleibt noch erwartend.


Herr, laß sie leben! Herr. laß sie! um mich,

Herr, laß sie leben, ihrem Gotte leben.

Herr, sieh: ich bin ihr Bruder; sieh, ihr Volk

Ist mein Volk; sieh, ihr Gott mein Gott; ich muß

Ihr Schicksal teilen, welches auch es sei.

ANTIOCHUS.

Wirfst du zu früh die Larve hin, Verräter?

ELEAZAR aufschreiend.

Verräter? Ich, der alles dir geopfert,

Volk, Vater, Mutter, Brüder, Gott und mich?

ANTIOCHUS.

Dem sollt' ich trauen, der sein Volk verriet?

ELEAZAR auflachend.

Das Herz gerissen aus der Brust und dir

Geopfert und nun weggeworfen wie

Ein totes Werkzeug, das man nicht mehr braucht!

Du bist gerecht, furchtbarer Gott, du strafst

Verräter durch Verräter. Zittre drum,

Tyrann, auch dein Verrat wird sich bestrafen.[366]

Vor deinem Diener zittre, der dir treu ist,

Und zwing' durch Mißtrau'n selbst ihn zum Verrat.

ANTIOCHUS.

Aus meinen Augen!

ELEAZAR.

Strafst du so, Tyrann?

Aus deinem Aug'? Das heißt: aus Nacht und Tod

Ins Leben, in das Licht und in die Freiheit!


Wirft sich den Seinen in die Arme.


Ich hab' euch wieder!

LEA.

Zweimal mir Geborner,

Doppelt mein Kind!

ELEAZAR.

Ich hab' euch wieder, Mutter,

Euch, Brüder! Aus des dunkeln Thales Irrweg

Gerettet, steh' ich an des Vaters Thür.

Sieh, wie sich dir des Herrn Gesicht erfüllt;

Wir alle tragen Kronen jetzt, sind Fürsten

Des Duldens, du der Schmerzen Königin. –

Daß der Tyrann nicht meine, seine Ohnmacht

Füll' uns mit Bangen! – Juda grüß mir noch.

Sag' ihm: ein Königreich warf Eleazar

Von sich – und sag' ihm, daß ich ihn geliebt

Wie – Nun leb' wohl! Sieh her, Tyrann, der du

Dich Sieger meinst, sieh her: wir sind die Sieger!

Wir höhnen deiner Qual und deiner Götter,

Denn mit uns ist der ewig einz'ge Gott.


Er umschlingt Johannes und Joarim und eilt mit ihnen ab, indem er anstimmt und die beiden einstimmen:


Wen er behütet, der kann lachen,

Denn wer ist herrlich so wie er?

Der Herr ist mächtig in den Schwachen,

Schickt seinen Sieg vor ihnen her.

Halleluja!


Nikanor und Gorgias folgen. Die folgenden Reden begleitet der Psalm, bald schwächer, bald stärker, melodramatisch; Donner immer stärker und in kürzeren Zwischenräumen. Der Sturm reißt am Zelte und verlöscht eine Ampel nach der andern; das Mondlicht immer düsterer unter den Gewitterwolken.
[367]

LEA unwillkürlich nach.

So laßt die Mutter ihr? ohn' eine Thräne,

Ohn' einen Kuß, eh' noch das Mutterherz –

Weh mir! Was thu' ich? Falsche Thräne, fort!

Wollt ihr dem Henker feile Helfer sein?

Wenn jetzt du weinst, hast du sie nie geliebt.

Zu stählen gilt es jetzt, nicht zu erweichen! –

Geht hin, zu kämpfen, wie ein Löwe kämpft,

Geht hin, zu sterben so, wie Lämmer sterben.

Hörst du, mein Kind?


Nach dem Himmel zeigend.


BENJAMIN.

Jehovahs Stimme donnert,

In Wolken donnert hoch der große Gott.

LEA.

Er ist euch nah'; der Herr sieht, wie ihr leidet,

In seines Atems Sturm ist er euch nah',

In seinem Donner redet er zu euch,

Daß über euerm Haupt er wenden will

Den Zorn von seinem Volk. Er will euch rächen

Und euch erwecken wieder von dem Tod.

Vergebens birgst du unter deinem Lächeln

Der Seele Angst, die deine Blässe plaudert!

Wo willst du hinfliehn? wo, Tyrann, wenn er

Herniederfährt im Sturm, um dich zu richten?


Der Sturm verlöscht zwei Ampeln.


So wie er deine Lampen jetzt verlöscht,

So wird er dich verlöschen! – Benjamin,

Hörst du Schaddais Ruf?

BENJAMIN.

Hast keinen Henker,

Tyrann, du mehr für Benjamin?

ANTIOCHUS.

Welch Weib!

Und welch ein Kind! – Im Schein der letzten Ampel

Steht er so wie mein Perseus vor mir da.[368]

Soll's heißen: seine Heere schlug ein Mann,

Ihn selbst ein sterbend Weib mit ihrem Knaben?

Schenk' seinen Schwur ihm, Weib; gehorch' und rett' ihn!


Eine einzige Lampe flackert noch, der Mond ist unter.


LEA.

Rette dich selbst!

ANTIOCHUS.

Und er soll groß –

LEA.

Er ist

Größer als du.

ANTIOCHUS.

Gib ihn dem Leben.

LEA.

Leben

Wird er, wenn dich des Todes Nacht umfängt.

ANTIOCHUS.

Auf deiner Seele last' er denn. Sprich selber

Sein Urteil ihm.

LEA.

Er sterbe. Nehmt ihn hin!


Sie hält ihn, bei ihm knieend, unwillkürlich fest.


Geh'! – Seid barmherzig! Nehmt ihn mir!


Matt, indem sie ihn mit Gewalt fortstößt.


Geh'! Geh'!


Benjamin geht, die Hände erhoben, in den Gesang einstimmend ab. Lea kniet; sie stemmt mit Anstrengung sich auf eine Hand, um nicht zu sinken; ohne zu hören, was gesprochen wird, sieht sie Benjamin starr und atemlos nach. Gorgias kommt eilend zurück.


ANTIOCHUS.

Gehorchen sie?

GORGIAS.

Für solche Menschen, Herr,

Gibt's keine Marter. Sieh und hör' sie selbst.

Ein solch Verachten aller Qual sah ich

An keinem Wesen noch.


Nikanor eilend herein.


NIKANOR.

Herr, laß es enden!

Die Krieger stehn entsetzt. Von Brust zu Brust,[369]

Von Zelt zu Zelt schleicht die Entmutigung.

Die Meuterei hebt schon ihr Schlangenhaupt,

Die Schar, die die Gefangnen soll bewachen,

Befreit sie selber. Aus der Brüder Qual

Weissagen sie das Ende Syriens.

Die Simeiten, die sie dir gebracht,

Zerrissen sie im Zorn; ich konnt's nicht hindern,

»Fort,« hört ich einen rufen, »eh' das Weib,

Das riesige, den Himmel niederbetet,

Uns zu erdrücken!« Andre schwuren drauf,

Judas Posaunen klängen durch die Donner.

Herr, laß dein Schauspiel enden.

ANTIOCHUS nach kleiner Pause.

Macht ein Ende.


Der Hauptmann ab.


Zum Aufbruch blast! Zurück nach Syrien!


Noch ein aufjubelndes Halleluja, dann schweigt der Psalm plötzlich.


LEA zusammenbrechend.

Gelobt sei Gott, der Herr! es ist vollbracht.

Nun – end' – dein Werk an mir – sonst trügt, dir untreu,

Dein – Scherge Tod – dich um – die Marterlust.


Die letzte Ampel verlöscht.

Von allen Seiten Posaunen in den Donner.


ANTIOCHUS.

Posaunen? Sind's die unsern?


Erstes Frührot; das Gewitter verzieht sich.

Judas Gefolge erst noch in der Szene.


JUDAS GEFOLGE.

Schwert des Herrn

Und Juda!

GESCHREI IM LAGER.

Ein Überfall! Ein Überfall!


Von der einen Seite kommt Juda mit Gefolge; von der andern Syrier, alle mit bloßen Schwertern.


JUDA.

Birg, Syrierkönig, dich im Kern der Erde,

Der Juda gräbt sich nach! – Du bist's; sonst lügt

Dein stolzes Angesicht. Steh meinem Schwert![370]

NIKANOR.

Den König schützt!


Die Syrier scharen sich um Antiochus, sie stehn bis in die Coulissen hinein, sodaß man an ihre Menge gegen Judas Häuflein glauben kann.


ANTIOCHUS.

Halt' ein! Bist Juda du,

Scheuch an die Seit' zurück der Deinen Schwerter

Und hör' mich reden. Nicht aus Furcht – sieh her,

Unübersehbar folgen meine Treuen.

Ihr seid vom Hunger abgezehrt, die Meinen

Sind stark; was irgend Sieg verspricht, das steht

Auf meiner Seite.

JUDA.

Wer den Sieg verspricht,

Ist unser Gott, der Herr, der uns beseelt.

Bist deines Schwerts du so gewiß, was ziehst du

Die Zunge? Zieh' dein Schwert!

ANTIOCHUS.

Wollt' ich's bekränzt

Vom Siege sehn, so zög' ich's; doch den Frieden

Zu reichen genügt die unbewehrte Hand.

Ich will euch nicht vertilgen. Lebt fortan

Und sterbet euerm Gott; bei meinen Göttern

Und euerm Gott schwör' ich's.

JUDA.

Gib mir die Mutter,

Die Brüder, die Gefangnen meines Volkes,

Und zieh' in Frieden.

ANTIOCHUS.

Deine Brüder kann

Kein Gott dir wiedergeben.

JUDA wütend, will auf ihn ein.

Kindermörder!


Die Seinen folgen, die Syrier setzen sich zur Wehr; da erhebt sich Lea zwischen beiden mit dem Aufwand der letzten Kraft.


LEA.

Zurück, Sohn Mattathias'! laß ihn ziehn!

Im Namen des, der war und ist und sein wird![371]

Er spricht durch mich: Zieh', Syrier, hin in Frieden!


Die Syrier ziehen ab; Lea hält Juda zurück.


Und du – setz' nicht der Brüder Sieg aufs Spiel,

Den sterbend sie ersiegten. – Hier hat Gott

Geweilt; – bet an!


Sie sinkt; Juda hält sie.


JUDA.

Wie wird dir?

LEA immer schwächer.

Meine Leiche

Und deiner Brüder bring zu Mattathias

In unser Erbbegräbnis nach Modin.

Dann nach Jerusalem und reinige

Sein Haus vom Heidengreul und weih's ihm neu.

Noch nach Jahrtausenden wird unser Volk

Das Fest von Judas Tempelweihe feiern.

Wie Moses das gelobte Land, so zeigst

Du meinem letzten Blick die Herrlichkeit,

Die neue deines Volks, und so – wie Mose –

Sterb ich – dich – preisend –


Sie stirbt; Juda läßt sie nieder und kniet bei ihr.

Jonathan, Simon, jüdische Krieger, Priester und Volk. Sonnenaufgang, der Himmel ist rein; ein ferner Donner verhallt leise bis zum Ende des Stücks.


KRIEGER, PRIESTER, VOLK.

Fort ist der Tyrann!

Juda sei König! Juda sei's, der Retter!

JUDA halb für sich.

Er braucht den Starken nicht; er haucht die Schwäche

Mit seinem Odem an, und sie wird Sieger;

Es überhebe keiner sich vor Gott. –

Nehmt auf den toten Leib!


Es geschieht; er steht auf.


Sein Priester will

Ich sein, doch König ist allein der Herr!


Er erhebt den Speer; indem man sich zum Abzug ordnet, einige Posaunenaccorde; der Vorhang fällt schnell.



Ende des Stückes.


Quelle:
Otto Ludwig: Werke. Leipzig und Wien [1898], S. 355-372.
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