Von dem Sechsten Gebot.
Du solt nit Ehebrechen.

[268] In dissem gebot wirt auch ein gut werck gebottenn, das vil begreifft und vil laster vortreybt, und heysset Reynickeit odder keuscheit, davon vil geschrieben, gepredigt, unnd fast yderman wol bekant, on das man sein nit so fleissig warnympt und ubet, als man thut in den andern ungebottenen werckenn. Szo gar sein wir bereyt zuthun was nit gebotten ist, unnd zulassen was gebotten ist. Wir sehen, das die welt vol ist schendlicher werck der unkeuscheit, schandparer wort, fabeln unnd liedlin, dartzu teglich reytzung sich mehret mit fressen und sauffen, mussig gahn und ubrigem schmuck, doch gehn wir hyn als weren wir Christenn, wen wir tzur kirchen gewest, unser gebetlin, fasten und feyer gehalten haben, damit sol es auszgericht sein.

Nu wen nit mehr werck geboten weren, dan die keuscheit allein, wir hetten alle tzuschaffen gnug dran, szo ein ferlich, wutend laster das ist, dan es in allen glidmassen tobet, ym hertzen mit gedanckenn, in den augen mit dem gesicht, in den oren mit dem horen, in dem mund mit worten, in den henden, fussen und gantzen leyp mit den wercken. Solchs alles zutzwingen, wil erbeyt und muhe haben, und leren uns alszo die gebot gottis, wie grosz ding es sey umb rechtschaffne gutte werck, ja das unmuglich sey ausz unsern krefftenn ein gut werck tzugedenckenn, schweyg dan anfohen odder volnbrengen. Sanct Augustin spricht, das unter allenn streytten der Christen sey der keuscheit streyt der hertist, allein darumb, das er teglich weret on auffhoren, und sie selten obligt. Es haben alle heyligen drob geclagt und geweynet, wie sanct [Rand: Röm. 7, 18.] Pauel Roma. vij. Ich find in mir, das ist in meynem fleisch, nichts guttis.

Czum andern, Disz werck der keuscheit, sol es bestan, szo treybt es zu vielen andern gutten werckenn, zum fasten und messickeit widder den frasz und trunckenheyt, zu wachen und fru aufftzustehen wider die faulheit und den[268] ubrigen schlaff, zur erbeyt und muhde wider den mussig gang. Dan fressen, sauffen, vil schlaffen, faulentzen unnd mussig gahn sein wapenn der unkeuscheit, da mit die keuscheit behend ubirwunden wirt. Widderumb nennet der heylig Apostel sanct Paul das fasten, wachen, erbeyten gotliche wapen, da mit [Rand: Röm. 13, 12 f.] unkeuscheit getzwungen wirt, doch also, wie droben gesagt, das die selben ubung nit weyter gahn, dan bisz zur dempffung der unkeuscheit, nit tzur vorderbung der natur.

Ubir disz alles ist die sterckist were das gebet unnd wort gottis, das, wo die bosze lust sich reget, der mensch zu dem gebet flihe, gottis gnade und hulff anruffe, das Evangelium lesze und betrachte, darinnen Christus leydenn ansehe. Alszo sagt der cxxxvij. psalm ›Selig ist, der die jungen von Baby- [Rand: Ps. 137, 9.] lonien ergreyfft und zurknurset sie an dem feltz‹, das ist, szo das hertz mit den boszen gedancken, die weyl sie noch jung und ym anfang sein, leufft zum hern Christo, der ein feltz ist, an wilchem sie zurieben werden und vorgahn.

Sihe, da wirt ein iglicher mit yhm selb ubirladen gnug zuthun finden, und in yhm selb vieler gutter werck ubirkommen. Aber itzt gaht es also zu, das des gebettis, fastens, wachens, erbeytens niemandt hie tzu gebraucht, sondern lassens werck fur sich selb bleybenn, die doch solten geordenet sein, dis gebottis werck zurfullen und teglich mehr und mehr reynigen.

Es haben auch etlich mehr antzeigt zu vormeyden, als weich lager und kleyder, meyden ubrigs schmucks, weybes oder mannes person geselschafft, rede und gesicht, unnd was der gleichen mehr furderlich ist zur keuscheit. In dissen allen kan niemandt eyn gewisse regel und masz setzenn. Ein iglicher musz sein war nehmenn, wilche stucke unnd wievil, wie lang sie yhm fodderlich sein tzur keuscheit, das er sie yhm selb also erwele und halte: wo er dasselb nit kan, das er sich ein weil lang untergebe in eynis andern regiment, der ihn dartzu halte, bisz das er sein selb muge mechtig werden zu regieren, dan darumb sein vortzeiten die kloster gestifft, junge leut zucht und reynickeit zuleren.

Czum drittenn, In dissem werck hilfft sehr ein gutter starcker glaub, empfindlicher dan fast in keinem andern, das auch der halben Isaias xi. sagt, [Rand: Jes. 11, 5.] der glaub sey ein gurt der nieren, das ist ein bewarung der keuscheit. Dan wer alszo lebet, das er sich aller gnadenn gegen got vorsicht, dem gefellet die geystliche reynickeit wol, drumb mag er szo vil leychter der fleyschlichen unreynickeit[269] widderstehen, und saget yhm gewiszlich der geyst in solchem glaubenn, wie er meyden sol bosz gedancken und alles was der keuscheit widert: dan der glaub gotlicher huld, wie er on unterlasz lebt unnd alle werck wircket, szo lest er auch nit nach seine vormanung in allen dingen, die got angenhem odder [Rand: 1. Joh. 2, 27.] vordrieszlich, wie sanct Johannes in seiner Epistolen sagt ›Ihr durfft nit, das euch yemandt lere, den die gotliche salbe, das ist der geist gottis, leret euch alle ding‹.

Doch mussen wir nit vortzagenn, ob wir der anfechtung nicht schnel losz werden, ja nit furnehmen ruge fur yhr haben, die weil wir leben, und sie nit anders aufnehmen, dan als ein reytzung und vormanung zu beten, fasten, wachen, erbeyten, unnd andere ubunge, das fleysch zudempffen, sonderlich den glaubenn in got zutreyben unnd uben. Dan das ist nit ein kostliche keuscheit, die stil ruge hat, sondern die mit der unkeuscheit zu felt ligt unnd streytet, on unterlasz ausztreibt allen vorgifft, den das fleisch und boszer geyst einwirfft. [Rand: 1. Petr. 2, 11.] Szo sagt sanct Peter: Ich vormane euch, das yhr euch enthaltet der fleischlichen begirden und lusten, die do streyten altzeit widder die seele, und sanct [Rand: Röm. 6, 12.] Paul Ro. vi. Ihr solt dem leyb nit folgen nach seinen lusten etc. In dissen unnd der gleichenn spruch wirt antzeygt, das niemant on bosze lust ist, aber sol und musz teglich damit streyten. Wie wol aber dasselb unruge bringt und unlust, ists doch fur got ein angenehm werck, daran unser trost und gnuge sein sol: dan die do meinen solcher anfechtung mit der folge zu steuren, tzunden sich nur mehr an, unnd ob sie ein weyl stil staht, kumpt sie doch auff einn ander tzeit stercker widder unnd findet die natur mehr geschwechet dan vorhyn.

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Martin Luther: Werke. 120 Bände, Band 6, Weimar 1888 ff., S. 268-270.
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