11. Verzicht

[836] Bleistift nahmen wir mit und Zeichenpapier und das Reißbrett;

Aber wie schön ist der Tag! und wir verdürben ihn so?

Beinah dächt ich, wir ließen es gar, wir schaun und genießen!

Wenig verliert ihr, und nichts wahrlich verlieret die Kunst.

Hätt ich auch endlich mein Blatt vom Gasthaus an und der Kirche

Bis zur Mühle herab fertiggekritzelt – was ist's?

Hinter den licht durchbrochenen Turm, wer malt mir dies süße,

Schimmernde Blau, und wer rundum das warme Gebirg?

– Nein! Wo ich künftig auch sei, fürwahr mit geschlossenen Augen

Seh ich dies Ganze vor mir, wie es kein Bildchen uns gibt.
[836]

Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 836-837.
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