An Nemesis

[184] Was ist's, das mitten

Im Freudenfluge scharf und bitter,

Des Winters strengem Odem gleich, das Herz

Belastet und im trunkensten Genusse

Den Flügel lähmt? Ist's vom Orcus

Der Hohn? Ha, oder ist's der Klang

Von deinem furchtbarn Maß, o Nemesis,

Vor blinden, überüppigen Begierden warnend?

Denn o, zu ausgelassner Mut ist fürchterlich.


Wir flehen, flehen,

O Nemesis, zu dir!

Erhell' die düstre Wolke, die zu schwer

Das Aug' des Sterblichen umhüllet!

O zeig' uns klar die sich're Bahn,

Erhabne Göttin, die du mächtig

Auf Athos Gipfel standest einst,

Und furchtbar deinen Stab bei Marathona

Und Salamis erhubest: Brich,

O brich die schwere Kett' entzwei, zerschlage

Der Unterdrücker Vorsatz und Gewalt!

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Band 1, Mannheim und Neustadt/Hdt. 1918, S. 184.
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