Nachtgesang

[136] Durch die Dämmrung sinkt gelinde

nun herab der Abendtau

und die leichten Frühlingswinde

hauchen durch die Blüten lau;


und des Mondes Silberwallen

zittert hin auf dunkler Flut

Möge dir! mein Lied gefallen,

Auserwählteste von allen!

die geweckt von Nachtigallen

nun auf weichem Lager ruht.


Lieblich steiget auf von hellen

Perlen süßer Maienduft,

aus der Erde Busen schwellen

Blumen tausendfach zur Luft;


und des Himmels klare Kerzen

gießen nieder milden Schein.

Aber fern von holden Scherzen,

klagen einsam wunde Herzen;

bange sind der Liebe Schmerzen,

sie durchnagen Mark und Bein.


Nacht verbreitet still die Flügel,

dämmernd ruhet Feld und Bach;

alles schlummert, Tal und Hügel,

nur mein Aug' bleibt tränenwach.


O du weißt, mit welchen Stricken

Liebe mir die Seele band.

Willst du mich der Not entrücken,

lösen ach! mit sanften Blicken

Tod und Leben, Qual, Entzücken!

Alles steht in deiner Hand.

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Band 1, Mannheim und Neustadt/Hdt. 1918, S. 136-137.
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