Dritter Gesang

[1386] Noch singen die Knaben, frohlocken um die angebundene Nymphe, spotten und ängstigen sie, indem sie sich untereinander befragen, wie und was sie mit der Nymphe jetzt anfangen wollen; als Mopsus, das Wasser vom Rücken schüttlend, ihr also zuschreit: – – – »Haben wir dich? – Bestie! haben wir dich nun? Wie steht's nun, he? Wie ist's nun? Meinstu daß mir warm war im Dornenbusch, wie du mein gelacht, als ich mein jung frisch Blut vergoß, und ich vor Schmerzen dir zugeheult, dich um Erbarmnis bat? – Und du lachtest mein und riefst: ›Lieg warm!‹ – – wart, wart! – will dich bewarmen, will dir's nun eintreiben! Geht, ihr Knaben! hört ihr's? – Eilet alle! – Bleib keiner zurück! Holt Fackeln herbei! weckt alles! – Wir müssen ein Tänzlein halten. – – Will indessen hier im Gesträuche etliche Gerten dazu schneiden: Denn abgefangen muß sie sein nach aller Ordnung! – – So was ist nicht mehr, als billig!«

Also der Satyr! Und die Knaben laufen alle davon, einer hie, der andere dort hinaus. – – Als nun die Nymphe den alten Satyr allein sieht, fängt sie ganz bitterlich zu weinen an – um etwa sein Herz zum Mitleid zu bewegen. – – – »Pfeifstu nun so, Vögelchen!« spricht Mopsus, indem er eine Gerte ablaubte; »pfeif stu nun so? – – – Wart, wart, will dich – – – Nein! gehauen mußtu mir werden; – – ei, was! das kann nicht anders sein!« – Dann tritt er vor sie hin, zerret ihr den Schleier vom Busen, reißt ihren schönen Gürtel los, befiehlt ihr sich herumzudrehen, damit er sie rechtschaffen treffe. – – »He?« schreit er – – – »gelt, meinst soll dein schonen? Dein schonen, he? Dein schonen, du? – – – daß du hernach meiner Treuherzigkeit bei andern lachen könntest. – Hol dich – – – Nichts, Jungfer! Du liebst mich nicht – wohl, wohl! – Darum solltu mir auch gehauen werden; – davon soll dich Jupiter selbst und dein Großvater der blaubärtige Neptun, nicht befreien. – – Gelt! meinst nicht, daß ich auch Fleisch und Blut habe, gelt!« – Indem er noch so scheltend der weinenden Nymphe gegenüberstehet, tritt aus finstrer Wolke der Mond hervor, beleuchtet mit seinen Strahlen die weinende Göttin. – – Erschrocken sieht sie der Satyr; sieht das Wallen des Busens, der ängstlich steigend sich hebt; und an ihrer verschämten Wange blinken helle Tränen, die sanft aus ihrem halbgeschlossenen Auge herabschmelzen. – – Verstört blickt der Langohrigte umher; da ihn das Mädchen also flehentlich um Mitleid beschwört: – »Oh,[1386] beim Jupiter, Mopsus! habe Mitleiden mit mir armen Mädchen! verzeih meiner Jugend! – Knüpfe mich los, daß ich vor dir niederfalle und flehentlich deine Knie umfasse! – – O bei meiner Mutter beschwör ich dich, die, den eifersüchtigen Zorn eines Gottes fliehend, mich, kaum Geborne, in dieser Höhle wilden Tieren zum Erbarmen hinterließ, die mitleidig vor meiner Unschuld ihren Grimm vergaßen, und mich nährten, und zärtlich meine Ammen wurden. – Oh, sei du nicht grausamer, als sie! – Höre mich! – – Sieh mich an! – Sieh meine Tränen! – Ach ich verzweifle! Ach! ich sterbe vor Scham, wo du mich nicht lösest und mich so entblößt, die vielen mutwilligen Knaben hier finden!« – – So sprach das Mädchen. Und ihre Stimme bewegte des alten Satyrs Herz. Vor Mitleid fällt ihm die Gerte aus der Hand, da er des Mädchens zartes Streichlen unter seinem borstigen Kinn fühlt. – Steif und stumm steht er; und indem ihm gleichfalls die Augen tropfen, zieht er ein krummes Maul und heult von Herzen mit. – – – »So geht's, gottlose Hexe! Gelt! – – Warum hastu mich nur so grausamlich martern müssen? – – Gelt! wenn ich dich losließe! – – Geh, geh, 's wäre kein Wunder, zög dir 's Fellchen vom Hintern ab! – Betrügliches Kind, du! – – Ja; loslassen will ich dich wohl, meinetwegen! Aber dann kommen mir die Knaben auf 'n Hals? – – Verfluchte Bestie du! – – Sieh, hättest du mich nur liebgehabt, mein Lämmchen! so wäre jetzt alles gut! – – Sag? willtu mich denn liebhaben? versprichstu mir's? He? Komm! schwör mir herzhaft drauf, daß du mich künftig liebhaben willt; ich bind dich dann los, mögen auch die Knaben mit mir anfangen, was sie wollen, mögen sie mich auch totschlagen! – – Beschwör's nur recht kräftig, daß es künftig immer wahr bleibt, daß du mich recht herzlieb haben willt. Willtu? sag! willtu?« – »Ei, gerne!« rief die Nymphe, »herzlich gerne!« Und beschwor's bei allen Göttern des Himmels und der Hölle, bei allen Flußgöttern und den Göttern der Luft, daß sie ihn künftig recht herzlieb haben wolle. – – Dann gab sie dem darob schmollenden Ziegenfüßler einen Schmatz, daß er vor herzlicher Freude darüber das linke Bein aufhebt, abscheulich sein Maul auseinanderreißt und überlaut brüllet. – Nun bindet er sie los. – Aber die Knaben kommen und schreien: « Was machstu. Warum läßtu sie los?« Dringen herbei und umringen den Felsen, auf den sich das Nymphchen gerettet, und wollen sie von neuem fangen.

Aber Mopsus schreit gewaltig, und hebt beide Hände in die Höhe – – – »Wollt ihr ruhen? – He! ruht doch! Wir sind wieder[1387] gute Freunde; sie ist meine Braut, und ich ihr Liebchen. – Ich kann ihr ja alle Dornstiche verzeihen. Geltu mein Knöttelchen!« – – Zugleich löset die Nymphe ihre Goldsyster vom Gürtel und verspricht den Knaben einen Gesang. – Da werden alle fröhlich, stoßen ihre Fackeln aus und lassen sich um den Felsen herum im Mondglanze nieder.

Und nun die Göttin! – Die goldne Saiten erklangen – prächtig erhaben nun; – – bald schauernd wild, wie des Waldgipfels Murren, wenn ihm Stürme die Locken zerreißen, gepeitscht vom riesigten Donner; – bald schwer, wie der Mitternacht Getön, deren melancholischen Laut einzusaugen, Gespenster auffahren und Verstorbene erwachen aus modernden Träumen; – bald zärtlich süß klagend, dem Gegurgel der Nachtigall ähnlich, die von Quellen den Frühling lockt, wenn er zu lange verweilet und Flora hyazinthengekrönt, nun unter Mandeln seiner erwartet.

Zuerst sang sie die Grotte, wo der greise Saturnus nickt, mit ihren Hütern, Geburt und Tod; – im Morgen- und Abendrot dämmern und schlummern beide und der lichte Fluß des Lebens schlägt an ihre eherne Sohlen.

Dann den Drachen Chaos, wie der gewaltige Zeus über ihm lag; – siegjauchzend umflicht er des Fürchterlichen Schuppenhals, daß er umsonst stürmende Flügel schlägt; sie sinken und steigen, bis überwunden der Scheußliche kreischt und nun aus seinem schwarzen Rachen ausspeit die lichte Sonne, und von des kräftigen Gottes Armen niedertropfen die Sterne des Himmels und Orion und der Wagen. – – Dann die Geburt der Welten, und wie Prometheus Menschen gebildt, und wie aufschwollen zum ersten Strahle neugeschaffen die Hügel, grottenreiche Gebirge und grüne Klippen der Fichten und der Tannen. – – Dann die Grotte der Sirenen und ihren himmlischen Gesang; auch den taumlenden Bacchus, der siegreich um Indiens schneckenreiches Ufer hinzog; das Geklapper der Muscheln und Hörnerschall ins Jubeln der Meernymphen auf Walrosse gebunden und umschlungen vom rasenden Chor. – – – Dann der Zentauren würgendes Lied, und Gejauchz der streitenden und sinkenden Schall. – Und nun vom zärtlichen Orpheus, der, ach! von Liebe geleitet, stygische Nächte durchdrang. – Hingesunken am glühenden Ufer strömt sein kläglich Lied, erschröcklich schön klang's ins Geheul der Verzweiflung; – eine Musik, Sterbliche zu entsinnen und Seelen im Schauer aufzulösen; die Götter selbst haben noch keine widereinander streitendere Harmonie gehört; bis allgemach sein sanfter[1388] Ton die Verzweiflung ganz bezwang, hingesunken zu seinen Füßen der wedlende Zerberus entschlief, stille steht im roten Ufer der flammenwälzende Acheron, und Geheul und die Angst sich legen, und innehalten alle Räder der Verdammnis, der Wut; – daß mitleidig sich küssen die Schlangen auf der Erinnys schröcklichem Haupte – – – und sich vergessen und all ihren Jammer die Verdammten, und all ihre nagende, nagende Qual. – Herab rinnen nun allen die Tränen, als der göttliche Sänger sie also um Mitleid fleht: – »Gebt mir sie, ach gebt mir sie zurück meine Eurydice! – Oh, wenn ihr auf jener Welt je geliebt, je die Angst, die zärtliche Angst getrennter Liebe empfunden, o so erinnert euch, durch all eure Marter hindurch erinnert euch – bejammert mich, wie ich euch bejammre! – Möchten sich, ach möchten sich die Götter eurer so erbarmen! Denn lange ist die Ewigkeit!« – – – Gerührt stehen nun alle, denken zurück an die Oberwelt, die sie verlassen und an ihre Freunde und Geliebten; – und wie sie sonst im grünen Tale und Sonnenschimmer, und an Quellen und Silberströmen sich ergötzet und gelebt, und geliebt und glücklich waren. – Und die Tränen stürzen ihnen schneller. – – – Dann ihren jetzigen grausamen Zustand, wie sie nun hoffnungslos ewig, ewig dulden und leiden – und nimmer, nimmer ein Ende sehen. Und mit Blutblicken – – knirschend emporgerissener Brust, heulen nun all im fürchterlichen Chor auf: – – »Ja! lange lange, o Ewigkeit! – – Oh, ihr Götter, erbarmet euch unser!«

Dann von Neptuns väterlicher Liebe, als er die schönste Götter und Göttinnen beschwor, sein geliebtes Söhnchen, den artig gezogenen Polyphem zu besuchen. – Auf glänzenden Muscheln getragen fuhr der schöne Himmel über Ozeans spieglenden Rücken dahin und es klangen und sangen die Wogen, als am goldnen Gestade sich die schöne Schar gelagert. – – Von Klippen herab springt nun der Riese der väterlichen Stimme entgegen; wohlgezogen reckt er zum Gruße gegen den Vater die Zunge und zupft ihn bei der Nase; dann säuft er in einem Zuge einen ungeheuren Weinbecher aus, stellt ihn vor sich nieder und zieht aus seinem Ranzen einen jungen Büffel, den er mit einem Faustschlag niederwirft und mit Haut und Knochen auffrißt. Also mit Blut beschmiert tanzt er und schäkert, die Göttinnen zu küssen, und indem er sich seitwärts bücket, die geschmeidige Venus zu haschen – dreht sie sich lächlend weg – – – und der Ungeheure schlägt nieder, daß von seinem Fall das ganze Gebürg erschallt, und Silens Esel schreiend mit den Vorderfüßen in den ungeheuren[1389] Weinbecher setzt und seinen dickbäuchigten Reuter in Kot wirft.

Dann von der klagenden Meernymphe Cymodoce, die vergeblich in den blaubartigen Proteus verliebt. Hülfe suchend, zu Amors lieblicher Grotte kam. Mit zerstreuten Haaren und nackten Füßen trat sie in die düftende Wohnung ein, wo der kindische Gott an seiner schönlockigten Mutter Busen lag. – Tränend sitzt sie nun zur Erde nieder, verhüllt mit ihren Händen ihr Angesicht und weinet überlaut. – Umsonst daß sie Venus bittet, ihr Herz zu erleichtern und ihren Kummer vor ihr auszuschütten: Denn es schien, daß die Nymphe viel Trübsal in ihrer Seele verschlösse, und Tränen rannen durch ihre kleine Finger die weißen Arme herab; – – bis die freundliche Göttin beim Styx und bei ihres machtvollen Sohnes Bogen schwur, ihr zu helfen und ihr beizustehen wider jedes Gottes Gewalt. Da erhebt sie sich und trocknet mit ihren Haaren ihr nasses Angesicht und, indem sie den schönen Amor schmeichlend mit der Linken umschlungen auf ihr Knie hinsetzt und mit der Rechten des Ozeans süß'ste Früchten und farbigte Muscheln zum Spielwerk in seinen kleinen Schoß aufhäuft, lehnt sie schamhaftig ihre Stirne an seine Schulter und fängt oft von Seufzern unterbrochen, ihm also bitterlich zu klagen an: – – – »Soll ich nicht weinen trautes Kind! da ich durch die Grausamkeit des unbarmherzigsten Gottes, der, ach! meiner getreuen Liebe so zuwider ist, sowohl dich selbst, als deine unvergleichliche Mutter, die dich schönen Knaben zur Welt bracht, so tief verachten sehe! – – Ach mein Herz blutet! – Oh, wüßtestu, wie lange ich schon der Liebe wegen erdulde! Denn wie soll ich dir schönen Knaben, der du ein Gott bist und mir allein nur helfen kannst, länger meine Liebe zum alten Proteus verbergen? – – Ach! ach! Mit der Morgenröte steig ich vom blauen Meer auf und sitze an seiner Grotte den ganzen Tag über, bis die schwarze Nacht vom Himmel sinkt; schmachte und schaue nur nach ihm. Ach! und so unempfindlich ist er – O es durchschneidet mir das Herz, wenn ich nur daran gedenke! Denn was tut einem jungen Mädchen leider, als verachtete Liebe? – So unempfindlich ist er, daß er mich nicht einmal anblickt; – den ganzen Tag läßt er mich einsam sitzen, ohne nur einmal zu fragen: ›Woher?‹ oder ›Nymphe! warum weilstu so lange?‹ Oder sonst durch eine holdselige Rede meiner Blödigkeit zu Hülfe käme, das mein schmachtendes Herz erquickte. – Nein; das tut der Grausame nicht! – Herum gehet er lieber, singt und[1390] freuet sich seiner Künsten, die tausendfach sind; verwandelt sich nach seinem Gefallen in was er will. – Bald ziehet er als eine Schlange mit seinem Schweife ein goldnes Rad in den Sand, indem er die glitzriche Brust zur Sonne sträubt und mit geschwinder Zunge ihre scharfe Strahlen spaltet; – oder er hängt als ein grauer Meerrabe, an schroffer Klippe und schreit herab ins Tal. – Wenn ich ihn dann so verwandelt sehe, geh ich, mich weniger schämend, herzu; – – rede daß er alles vernehmen kann, von meiner unglücklichen Liebe zum alten Proteus, und wie und wo ich ihn zuerst gesehen und geliebet, beim Tanz der Nymphe Galatee, wo er, als einer der flinksten Jünglinge mir mein Herze stahl. – Aber, o mein trautes Kind! das alles, alles beweget ihn nicht; kaum vernimmt er nur meinen Seufzer, so flieht er sichtbar oder unsichtbar davon. – – Dann seh ich ihn nicht wieder, bis er abends unter seiner Herde sitzt und melkt. – – – Mit seinem schön gefleckten Meerochsen spielt er dann: – Denn unter allen seinen Meertieren liebt er nur den vorzüglich. Bei ihm in der Sonne zu sitzen, seine blaue glänzende Mähne zu strieglen und seinen fetten Wampen zu streichlen – denk nur –, gefällt ihm besser, als süße goldne Liebe, und sein scheußlich Gebrüll rührt ihn mehr, als alle meine zärtlichste Seufzer. – – Drum mache dich auf, mein streitbares Kind! Räche du meine Schmach an diesem grausamen Manne! Oh, sei mir gnädig und schieße ihn mitten ins Herz, damit er mich liebgewinne und auch fühle, wie wehe verschmähte Liebe tut: Und wenn er dann so ein Weilchen gelitten, denn lange Böses wollt ich ihm nicht gerne wünschen; oh, so schenke ihn mir! – – Dadurch daß du einer Bedrängten beistehst, verherrlichstu dein Ansehen und das Ansehen deiner glorwürdigen Mutter, der himmelreinen Venus, die Jupiters erhabene Tochter und gewiß die schönste unter allen Frauen ist.« – – Also die Nymphe! Und nun hebt sie auf ihrer Hand Amorn zur freundlichen Mutter empor; aber Venus schlägt ihr, holdselig lächlend, auf die Schulter und spricht: »Betrübe dich nicht Cymodoce! Du hast ein Wörtchen gesprochen, das mir gefällt; deine Bitte sei dir gewähret!« – – Dann langt sie von der Wand Amors goldne Geschosse und bewaffnet ihn. – Siegfreudig jauchzt der Kleine, da ihm der pfeilvolle Köcher am Nacken klingt; – hüpfend zettelt er die goldne Spielwerke vom Schoße und erhaschet rüstig den Bogen und leicht wie ein rucksendes Goldtäubchen, das vom Lilienbusch auffliegt, worin sich die traute Buhle verstecket, schwingt sich der goldbefiederte Knabe[1391] lachend von der Nymphe Hand auf, davon, durch die säuslenden Lüfte.

Und letztlich, wie Amor, Proteus nun zu überwinden ging. – Lange schlich er dem blaubärtigen Alten nach, und zielet und schießet oft; – aber immer vergebens: Denn ehe die sprühende Spitze noch trifft, verwandelt sich der schlaue Gott in Wasser und löschet die giftige Glut. – – Zur List greift nun Amor, der verschämte Schütze; steigt als ein schön geflecktes Meerkalb über die blaue Welle empor; springt dann unter den Meerungeheuren her, die in der Mittagsglut um die Grotte herumlagen und den schläfrigen Alten in Schlummer brüllten. Süßblökend tanzt er in muschelreichem Sande, springt auf und ab und die ganze Herde springt verliebt ihm nach. – – – Ängstlich fährt nun Proteus, von ungewohnter Stille erweckt, im Schlummer auf; – und wie er nun staunend alles stille findt, entriegelt er schnell die feste Grotte, läuft mit schwachen Füßen hervor; – im brennenden Sand keucht und pfeift er und schreit zu spät seine Herde zurück: – – – »O ihr Unsinnigen! wo lauft ihr hin? Ach! kennt ihr eures alten Herrn Stimme nicht mehr? Wollt ihr mich verlassen, verlassen meine Grotte, wo so guter Meerfenchel wächst? – Und du, mein blaumähnichter Stier! der du vorangehest – o mein Sohn! –, dessen strahlende Locken alle Tage die Meernymphe Cymodoce gestriegelt und mit bunten Muscheln, mir zuliebe, behangen, dich geküsset und glücklich gepriesen, weil ich dich so hochschätze! – Ach! deinetwegen wollt ich sie ja nicht lieben, weil du mir werter bist als alles in der Welt! – Kehre doch wieder! – – Ach! kennstu den Verräter Amor nicht, der dich mir verführet, der dich mir raubt!« So schrie der Gott, keuchend am krummen Stabe; und Amor schießt den sich Vergessenden ins Herz. Heftig schreiend fährt er auf, als er die sprühende Spitze nun im Herzen fühlt. – – Aber sogleich verschmilzt auch in ihm des blaumähnigten Stiers Bild – und der strahlenhaarigen Cymodoce Lächlen stehet hell in seiner lohen Seele; seiner Herde vergessend, wirft er den krummen Stab in Sand hin; eilet, von Amorn überwunden, zu Ozeans Klippen; schnell spaltet er dort die silberne Woge und schießt verliebt hinab zu Cymodocens muschelreichem Palast.

Also sang die Quellennymphe Persina. Die Morgenröte klimmt schon herauf und Mopsus und die Knaben stehen nun erfreut auf. »Oh!« schreit Mopsus, »komm herunter, komm herunter, hast gut gesungen mein Täubchen, komm herunter will dir's lohnen,[1392] dir einen herrlichen Schmatz geben. – Ei daß dich der Guckuck du liebes Närrchen du! sag wenn wollen wir denn Hochzeit machen? Kann's nicht gleich den Augenblick sein? Sieh bin dir so verliebt und ist mir so drum ums Hochzeitmachen. – Geh, sag doch: Soll's morgen oder übermorgen sein?« – – »Ja übermorgen Mopsus, übermorgen« – spricht die Nymphe, »rüste dich drauf.« Aber vergnügt, daß sie so dem Satyr entrunnen, eilet die Nymphe lautlachend in ihre Wohnung zurück; und Mopsus und die erfreute Schäfer begleiten sie und klatschen in die Hände.[1393]

Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1386-1394.
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