Das Frühlingsmahl

[265] Wer hat die weißen Tücher

Gebreitet über das Land?

Die weißen duftenden Tücher

Mit ihrem grünen Rand?


Und hat darüber gezogen

Das hohe blaue Zelt?

Darunter den bunten Teppich

Gelagert über das Feld?
[265]

Er ist es selbst gewesen,

Der gute reiche Wirth

Des Himmels und der Erden,

Der nimmer ärmer wird.


Er hat gedeckt die Tische

In seinem weiten Saal,

Und ruft was lebet und webet,

Zum großen Frühlingsmahl.


Wie strömt's aus allen Blüthen

Herab von Strauch und Baum!

Und jede Blüth' ein Becher

Voll süßer Düfte Schaum.


Hört ihr des Wirthes Stimme?

Heran, was kriecht und fliegt,

Was geht und steht auf Erden,

Was unter den Wogen sich wiegt!


Und du, mein Himmelspilger,

Hier trinke trunken dich,

Und sinke selig nieder

Auf's Knie und denk' an mich!


Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 265-266.
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