Seinem Freunde Alexander Baron von Simolin zum 24sten Junius 1827

der Verfasser


An der Seine lauten Wogen

Suchen meine Lieder dich,

Und den Liedern nachgezogen

Fühlt des Dichters Seele sich.


Einmal hab' ich dich gefunden,

Einmal hab' ich dich erkannt,

Und nun bleiben wir verbunden,

Bruder, über Zeit und Land.


Keine Trennung kann uns scheiden,

Unser Herz ist unsre Welt,

Wo in Freuden, wie in Leiden,

Einer an dem andern hält.


O wie kurz ist unsre Reise,

Lieder, an des Freundes Brust!

Und es tönt aus eurer Weise

Ihm wie eigne Qual und Lust.


Und ihr tragt auf euren Klängen

Wieder mir den Freund zurück,

Und erblühend aus Gesängen

Steht verjüngt das alte Glück.


Sieh, zu einem Hochaltare

Weihet sich mein kleiner Herd,

Wo das Schöne, Gute, Wahre

Unser stilles Opfer ehrt.


Mag er vor der Pforte toben

Draußen, der gemeine Chor:

Über seinen Staub erhoben

Trägt ein Gott uns leicht empor.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 235-237.
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