Glut

[59] Mit roten Kressen hatt' ich mich geschmückt –

du hast sie jäh an deiner Brust zerdrückt.


Mit bleichen Wangen bot ich dir den Gruß –

in Flammenwogen tauchte sie dein Kuß.


Mit ruhigem Herzschlag trat ich zu dir her, –

und nun, und nun: ich kenne mich nicht mehr....
[59]

Nun lachst du mich verstohlen an

mit dunklem Auge, du fremder Mann;

mit brennender Lippe streifst du mich –

heiß pocht mein Herz: ich kenne dich!


Aus schwüler Träume Zauberspuk,

aus Wüstenschemen voll Lug und Trug,

aus Frühlingsnächten voll Windeswehn

hab ich dein Bild mir winken sehn!


Aus düster flammendem Morgenrot,

das Hagelschauer den Saaten droht,

aus lohendem Blitz, wenn ein Wetter braut,

hat schon dein Auge mich angeschaut . . .


Nun trittst du selbst in meinen Pfad:

ich weiß, daß mein Verhängnis naht;

mit brennender Lippe streifst du mich –

wild rast mein Blut – ich grüße dich!


Und als ich aus dem liebebangen,

dem Kindertraum emporgeschreckt,

hieltest du meine Hand umfangen

und hast mit Küssen sie bedeckt.


Ich hab im Blick dir lodern sehen

der Sehnsucht zwingende Gewalt – –

ich sah die Fieberschauer gehen

durch deine trotzige Gestalt.
[60]

Umsonst! umsonst nun Kampf und Beben:

du hast gewußt, was dir gefrommt . . . .

ein Blütenopfer war dein Leben,

neige dein Haupt – der Herbststurm kommt!


Auf meinen Lippen brennt dein Kuß,

er brennt wie Feuer und Sünde,

er brennt wie himmlischer Hochgenuß

und macht mich zum schwachen Kinde.


Viel wilde Rosen erblühn und glühn

und glühn und verwelken am Hage –

und der Wald ist duftig, der Wald ist grün

am leuchtenden Julitage . . . . .


Vom Meer herauf die Sonne grüßt,

Tautropfen am Riedgras beben: – –

wir haben uns kaum Willkommen geküßt

und sollen uns Abschied geben!


Und gehen sollst du, geliebter Mann,

mit all' dem zitternden Bangen,

mit der ungelöschten Glut hindann –

und durften uns kaum umfangen.


Wie lange währt es, so schwillt der Wein,

im Felde die Sicheln klingen;

all', was da blühte im Sonnenschein,

wird reifen und Früchte bringen.
[61]

Die Luft wird kühl, und das Laub verdorrt,

Schnee liegt auf Hängen und Hagen ...

wir aber werden von Ort zu Ort

die zehrenden Gluten tragen.


Ich lag in deinen Armen

in willenloser Haft,

durch deine Seele brauste

der Sturm der Leidenschaft.


Du zogst an deine Lippen

aufjauchzend meine Hand –

auf deiner stolzen Stirne

ein Wort geschrieben stand.


In schweren dunklen Zügen

ein rätselwirres Wort, –

ich seh' vor meinen Augen

es leuchten immerfort.


Es glüht in meinem Herzen

und brennt sich in mein Hirn,

es lockt mich in die Hölle

das Wort auf deiner Stirn . . . .


Und weil du meinem besseren Wesen mich

entfremdet hast in jener schwülen Stunde,

weil ich dich liebe, darum hass' ich dich,

ja, hass' ich dich aus meines Herzens Grunde!
[62]

Ich rüttle wild das eiserne Geflecht,

das ich mir selber habe schmieden müssen;

in deinen Armen hass' ich dich erst recht –

und töten möcht' ich dich mit meinen Küssen!


Laut pocht mein Herz – und dürstend blickt dein Aug':

den Becher hebst du, – wohl, so laß uns trinken!

Verglühen sollst du noch in meinem Hauch

und sterbend mit mir in die Flammen sinken!


Und siehst du nicht auf meiner Stirn

das blutige Mal, den roten Streif? –

Er drückte weh und wund mein Hirn,

und ich zerbrach den Kettenreif.


Des frommen Spieles ward ich müd,

aus meinem Herzen bricht ein Schrei:

es wogt die Nacht – die Lippe glüht –

und aller Bande bin ich frei!


Zieh mich noch einmal an deine Brust,

erstick mich in lodernden Küssen:

wir haben vom ersten Blick ja gewußt,

wie bald wir scheiden müssen.


Wir haben geschwelgt in heißem Genuß,

als gält' es ein ewiges Meiden,

und doppelt geküßt jeden feurigen Kuß,

als wär' es der letzte vorm Scheiden!
[63]

Bei dem die Minne am längsten wohnt,

nicht der mag am besten fahren – –

wir haben genossen in einem Mond

die Seligkeit von Jahren!


Ich habe aus dem übervollen

Pokal der Liebe rasch gezecht,

ich nahm im Sturm, im heißen, tollen

lenzseligen Rausch mein Jugendrecht.

Dann hat der Trotz zu roten Flammen

empört in mir das wilde Blut –

und all mein Leben brach zusammen

in schrankenloser Liebesglut.


Was mir das Reinste schien und Beste,

begraben liegt's im Flammenschoß.

Am glühend heißen Aschenreste

harre ich schauernd atemlos

des lichten Wunders, das sich zeigen:

des Phönix, der da lebensvoll

aus toten Erdengluten steigen

und mich gen Himmel tragen soll.

Quelle:
Clara Müller-Jahnke: Gedichte, Berlin [1910], S. 59-64.
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