Die frommen Jesuiten

[210] Alle Lust der Welt ist eitel,

sündig ist ihr Glanz zu schaun –

tuet in den Klingelbeutel

eure Scherflein, fromme Fraun!

Könnt ihr auch das Brot nicht zahlen,

schüttelt euch der Kälte Pein:

eure Tränen, eure Qualen

werft sie alle mit hinein!

Klingelingling!


Ach, wie gingen wir in Sorgen

um der Armen Wohl gebückt,

bis am heil'gen Sonntagmorgen

den Tarif wir durchgedrückt!

Da entschwanden unsre Plagen,

denn nun wußten wir aufs best:

überladen tut den Magen

ihr euch nicht am Weihnachtsfest!

Klingelingling!
[210]

Ja, wir sorgten treu und weise,

wie's von alters bei uns Brauch:

Fasten ist 'ne Himmelsspeise

und ein Satansknecht der Bauch.

Wer verhungert fromm und bieder,

kommt ins himmlische Revier;

selig lacht er dann hernieder –

für die Witwen sorgen wir!

Klingelingling!


Quelle:
Clara Müller-Jahnke: Gedichte, Berlin [1910], S. 210-211.
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