Siebente Scene.

[162] Die Vorigen. Elvire, ohne Schleier.


ELVIRE unterläuft Valeros, welcher Hugo zur Linken stand, drückt ihn zurück, und zieht, vor Hugo tretend, einen Dolch aus dem Gürtel.

Rasender! – den Waffenlosen

Willst du tödten? – hier komm an!

Meine Hand ist stahlbewehrt;

Seit ich diesen liebe, trag' ich

Diesen da für jeden Feind,

Den's gelüstet, uns zu trennen![162]

HUGO welcher während Elvirens Rede den Blick fest auf ihren aufgehobenen Dolch heftete.

O, gebt Frieden! Ihr versteht

Beide nichts von solchen Dingen.

Meint ihr, daß ihr's könnt vollbringen

Mit den spitzgeschliffnen Klingen?

Daß die Hand euch nicht wird beben,

Soll sie in ein fremdes Leben

Diese kurzen Eisen drücken?

Durch den Arm zurück in euch

Dringt der Schmerz, und todtenbleich

Laßt ihr halbgethan das Werk.

Wenn euch solche That soll glücken,

Müßt ihr Schützen seyn: entfernt

In dem Raum von eurem Ziele,

Furchtbar nah ihm durch die Macht.

Zürnend kommt ihr – unentschlossen

Schlagt ihr an – nun neckt es euch,

Zu vollbringen, was ihr könnt,

Und auch nicht könnt, wie es fällt.

Wär's gewiß, ihr thätet's nicht –[163]

Aber »Ob du triffst?« – zischt eurem

Wankenden Gemüth der Teufel

Zu, und zucket in der Hand –

Und das ferne Opfer liegt.

Oh! sie ist gar schlau, die Hölle!

ELVIRE ist von ihm gegangen, und hat den Dolch wieder im Gürtel verwahrt.

Was begann ich?

VALEROS hat den Degen eingesteckt, vor sich.

Wohin riß

Mich die Macht des Augenblickes?

HUGO gehoben, aber nicht stolz.

Seht ihr wohl, so ist der Mensch!

D'rum, wenn einer ist gefallen,

Mag der andre weinen; aber

Nicht zu richten sich erkühnen.

VALEROS.

Beim allmächt'gen Gott, die Lehre

Trifft ein tief erschüttert Herz!


Ihm näher tretend, feierlich.


Sohn! vernichtet sei der Fluch,[164]

Den ich über dich gesprochen!

Und ist's wahr, daß, wie der Eid,

Vaterfluch unwiderruflich

Vor den dunklen Mächten ist;

Fall' er auf mein eigen Haupt,

Daß die Rach' ihr Opfer habe.

ELVIRE in großer Bewegung.

Nein, auf mich – auf mich den Streich!


Knieend.


Diese sterbliche Gestalt

Mit dem unglücksel'gen Reiz,

Der den Frevel hat gewecket,

Werf' ich zu des Rächers Füßen.

Send', o Gott! des Himmels Flamme,

Um das Opfer zu verzehren,

Mein Unsterbliches nur berge!


Sie bleibt noch einige Augenblicke in dieser Stellung.


HUGO ernst und ruhig, mehr noch gehoben, als vorhin.

Laßt nur gut seyn das. – Mich dünket,

Daß gelöst schon ist der Fluch;

Denn ich schöpfe freier Odem,[165]

Und mein inn'res Ange schaut

Klar – den rechten Weg zum Frieden.

ELVIRE vom Sinn seiner Rede getroffen.

Ah!


Indem sie sich abwendet, fällt ihr die Harfe in die Augen. Sie stützt sich darauf mit gesenktem Haupt und scheint an dem Folgenden weiter keinen Antheil zu nehmen.


VALEROS.

Der rechte Weg zum Heil

Führet durch den Schooß der Kirche.

Sohn, aus ihrer Hand empfängt

Auch das Vaterherz dich wieder!

Willst du mir nach Spanien folgen?

HUGO in wachem Traum.

Ja!

VALEROS froh.

Du willst?

HUGO.

Mein Geist ist dort;

Hin mögt ihr den Leib geleiten.[166]

VALEROS.

Ha! der Entschluß kam von oben,

Zögre nicht, ihn zu vollziehen!

HUGO.

O gewiß nicht.

VALEROS.

Auch Elviren

Giebst du so den Frieden.

HUGO mit unruhigem Bestreben, Valeros zu entfernen.

Das

Mein' ich – aber – Jerta wird

Schmerzlich diese Trennung fühlen.

Wollt ihr wohl sie vorbereiten?

VALEROS.

Jetzt?

HUGO.

Sie ist noch wach – für mich.

Ueberein sind wir gekommen,

Daß sie einen Boten sende

An den Herzog, ihren Ohm,

Der bei'm König gilt. Sie will,[167]

Daß man mir das Heer vertraue

Wider den verwegnen Feind,

Der die Länder jenseits plündert.

Das ist nun nicht nöthig mehr.

VALEROS.

Nein, bei Gott nicht! Fremdem Herrn

Soll Valeros Sohn nicht dienen.

Dennoch, daß du dich erhoben

Zu dem Heldenunternehmen,

Löscht des Hasses letzten Funken.

Komm an meine Brust!

HUGO sinkt tief gerührt in seine Arme.

Mein Vater! –

Oh, mein Gott! In euren Armen?

VALEROS.

Otto! Theurer – einziger!

Alles – alles sei vergeben!

HUGO nachdem er langsam, das Auge liebevoll noch auf ihn geheftet, von seiner Brust sich erhoben.

Geht zu Jerta! – sagt ihr das!

Geht, und dann legt euch zur Ruh',[168]

Und – erwacht gefaßten Muthes.

VALEROS.

O, die Freude, denk' ich, wird

Reichlich mir den Schlaf ersetzen.


Ab.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 2, Braunschweig 1828, S. 162-169.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon