An Rosenfeld

[67] Trauter! dessen Bruderhand

Durch der Jugend Feenland,

Manches leichtbeschwingte Jahr,

Trost und Schuz und Stab mir war;


Dessen Auge sich ergoß,

Wenn mir Nacht die Seel' umfloß,

Dessen Brust, wenn Freude quoll,

Sympathetisch überschwoll;


Schau! der Trennung Stunde blikt

Fürchterlich hernieder, zükt[67]

Schon den Seelendolch nach mir,

Fernt, du Lieber, mich von dir!


Allgewaltig gräbt der Schmerz

Wund' auf Wunde mir ins Herz,

Sie zu heilen, ach! vermag

Nur des Wiedersehens Tag!


Wenn in öder Ferne nun,

In des Freundes Arm zu ruhn,

Den kein Erdenlied besingt,

Meine ganze Seele ringt:


Webe dann sein Angesicht,

Phantasie! aus Mondenlicht,

Seinen Blik aus Aetherblau,

Mir zur süßen Wonneschau!


Daß in düstrer Trennungsnacht,

Wo kein Stern der Freude lacht,

Noch sein Lächeln himmelan

Meine Seele flügeln kann!


Horch! Geliebter, da umscholl

Dich mein leztes Lebewohl!

Dank für jede Wonne, Dank –

Hier versieg', o mein Gesang! [68]

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 67-69.
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