Abendlandschaft

[155] Goldner Schein

Deckt den Hain,

Mild beleuchtet Zauberschimmer

Der umbüschten Waldburg Trümmer.


Still und hehr

Stralt das Meer;

Heimwärts gleiten, sanft wie Schwäne,

Fern am Eiland Fischerkähne.


Silbersand

Blinkt am Strand;

Röther schweben hier, dort blässer,

Wolkenbilder im Gewässer.


Rauschend kränzt

Goldbeglänzt

Wankend Ried des Vorlands Hügel,

Wildumschwärmt vom Seegeflügel.


Malerisch

Im Gebüsch

Winkt, mit Gärtchen, Laub' und Quelle,

Die bemooste Klausnerzelle.


Pappeln wehn

Auf den Höhn,

Eichen glühn am Felsenstrome

Dichtverschränkt zum Schattendome.


Schleierlos

Tanzt auf Moos[156]

Gnom und Elfe, dort wo Rüstern

Am Druidenaltar flüstern.


Auf der Fluth

Stirbt die Gluth,

Schon erblaßt der Abendschimmer

An der hohen Waldburg Trümmer.


Vollmondschein

Deckt den Hain;

Geisterlispel wehn im Thale

Um versunkne Heldenmale.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 155-157.
Lizenz:
Kategorien: