Die Insel

[176] Die umschlingende Fluth scheidet vom Weltgeräusch!

Darum lockte mich stets deiner Gestade Ruh'

Und die Dämmrung, o Insel,

Deines duftenden Erlengangs.


Wo, durch zackigen Tuff, unter der Eiche Schirm,

Die Najade des Quells brausende Fülle strömt,

Weil' am Abend ich einsam

Auf der Klippe bemoostem Bord.


Hier nur fühl' ich mich frei! Siehe! der Gram entschläft

Mit verschleiertem Haupt. Freundlich, wie Cynthia

Nach Gewittern, begegnen

Hoffnung mir und Erinnerung.


Malt mir diese den See, duftig im Abendstral,

Unter Juliens Dorf oder bei Meillerie,

Zaubert reitzender jene

Mir am Ufer ein Sorgenfrei.
[176]

Rosen kränzen den Hag, sonnige Traubenhöhn

Steigen über des Thals Baumlabyrinth empor,

Heimlich dunkelt ein Gröttchen

Hinter wankendem Immergrün.


Saaten wogen umher, schwärmendes Wollenvieh

Gras't am Nachtigallbusch, wo der gedämpfte Klang

Meiner ländlichen Leier

Oft im Schimmer des Mondes bebt.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 176-177.
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