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[67] Der Scheik. Babel.
SCHEIK.
Schon also vier von den Verbündeten!
BABEL aufzählend.
Die Gēr Amīn – – –
SCHEIK.
Und die Munāsikin – – –
BABEL.
Die Bēni Hār – – –
SCHEIK.
Und jetzt die Hāïnīn.
BABEL.
Nun noch die andern Vier!
SCHEIK.
Die kommen sicher!
BABEL mit einiger Besorgnis.
Wenn aber nicht?
SCHEIK.
So wäre es bedenklich,
Denn grad die jetzt noch fehlen, sind mir wert.
BABEL wieder aufzählend.
Die Hūkamā – – –[67]
SCHEIK.
Sodann die Ūkalā – – –
BABEL.
Die Krieger der Schukūk – – –
SCHEIK.
Und der Schuttār.
Grad diese Vier sind treu und zuverläßlich.
Ich fürchte nicht, daß auch nur Einer fehlt.
Wir sind dann völlig lückenlos umzingelt,
Und keiner von den Gästen kann entkommen.
BABEL vorsichtig.
Und wenn es aber nicht gelingen sollte – – –?
SCHEIK.
So wird die Schuld auf unsre Freunde fallen
Und nicht auf uns. Wir sind ja mit umzingelt.
Du siehst, ich spiele Schach.
BABEL.
Sogar mit mir!
SCHEIK.
Verzeih, wenn ich dir nicht so Alles sage,
Wie ich es einem Andern sagen würde,
Der mir nicht heilig und nicht teuer ist!
Du bist kein Ān'allāh, bist zart besaitet
Und hast – – –
BABEL ihn unterbrechend.
Doch Mut genug, mit euch zu kämpfen! – – –
Ich kam zu dir als armer, fremder Mann.
Du nahmst mich auf und wurdest mein Beschützer.
Du schenktest mir sogar
Auf das Zelt deutend.
dein eignes Zelt – – –[68]
SCHEIK einfallend.
Als Bēnt'ullāh von mir gegangen war,
Konnt ich es nicht ertragen, hier zu wohnen.
BABEL fährt fort.
Und was ich bin, bin ich durch deine Güte!
SCHEIK.
Durch deinen Fleiß und deine Ehrlichkeit!
BABEL.
Und nun mein Dank – – –?
SCHEIK.
Sei still; ich bitte dich!
BABEL steht von seinem Platze auf.
Wenn Schēfakā zuweilen zu dir sagt,
Du seist mein Ideal, so hat sie Recht.
Die Wissenschaft vergöttert sich den Menschen,
Damit sie sagen kann, sie diene Gott.
Ich habe dich zu mir emporgezogen.
Ich leite dich noch über mich hinaus.
Dort oben aber suche selbst nach Halt,
Denn ich bin dort ein Fremder, wie einst hier,
Und kann nur bitten, mich dir nachzuziehen.
Verstehst du mich?
SCHEIK.
Ich hoffe es, mein Freund.
BABEL.
So laß mich immer zart besaitet sein,
Doch glaube mir, ich wage mehr für dich,
Als je ein Andrer für dich wagen könnte,
Denn, wenn ich mich in dir, dem Menschen täusche,
So habe ich mich auch im »Geist« getäuscht,[69]
Muß mich auch ferner in der »Seele« täuschen,
Und alle, alle meine Wissenschaft
Bricht, mich zerschmetternd, über mir zusammen.
SCHEIK ist auch aufgestanden, sehr ernst.
Sei still, und sei getrost; ich täusche nicht!
Das schwöre ich – – – das schwöre ich – – –
Zögert, sucht in sich.
BABEL.
Bei wem?
SCHEIK.
Nicht bei Allāh und nicht bei dem Kurān – – –
Ich schwöre es bei – – – Bēnt'ullāh, der Toten – – –
BABEL.
Bei Bēnt'ullāh, mein Freund, bei Bēnt'ullāh?
Ist sie noch heut, noch heute dir so heilig,
Daß du bei ihr – – –
SCHEIK.
Das Heiligste auf Erden!
Wie in die Ferne schauend.
Sie war so rein, so schön, fast überirdisch,
Mit strahlendem Gesicht und wunderbaren,
Noch völlig unerforschten Sternenaugen.
Ich sah sie täglich aus dem Lager schreiten,
Des Morgens und des Abends, um zu beten.
Sie wandelte wie ein gekröntes Haupt.
Und wenn sie mit dem Herrn des Himmels sprach
Im ersten und im letzten Strahl der Sonne,
Da faltete von fern auch ich die Hände. – – –
O, Bēnt'ullāh, wenn ich dich stehen sah,
Den klaren Blick ins goldne Licht getaucht,
Dann eilte ich zum Schatz der Tiefe nieder
Und holte Alles, was ich köstlich fand,[70]
Um dich wie eine Herrscherin zu schmücken.
Ich sehe dich mit diesen meinen Augen
Noch heute deutlich im Geschmeide blitzen,
Das du in solchen heilgen Stunden trugst,
Nur mir zuliebe, nicht aus eitlem Sinne!
BABEL nimmt das Manuskript vom Tischchen.
Genau, wie ich die Seele hier beschreibe!
SCHEIK.
In deinem Manuskript?
BABEL.
Ja, hier.
SCHEIK.
Gib her![71]
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Babel und Bibel
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