Dreiundzwanzigster Auftritt


[102] Der Scheik, der Schwarze. Alle Andern sind fort, um nach dem Imām und dem Kādi zu suchen.


DER VORBETER.

Es lassen drunten bei Imām Ssināt

Sich große, starke Reiterhorden sehen.

SCHEIK prallt zurück, wie vor etwas ganz Fremdem, besinnt sich aber rasch.

Die Krieger der Schukūk!

VORBETER mit Betonung.

Die uns noch fehlten!

SCHEIK tief Atem holend.

Allāh sei Dank, die Freunde kommen alle!

Wie wird das Herz mir leicht! Der Sieg ist unser!

Der Sieg, der Sieg für meine Ān'allāh,

Für mich, Abū Kitāl, des Kampfes Vater,

Für den Islām und für – – –


Stockt, besinnt sich auf das Vorhergehende.


und Bēnt'ullāh?


Vergißt die Anwesenheit des Negers, wird von seiner Erregung hin und her getrieben.


Und Bēnt'ullāh – – –! die von dem Tod Erwachte – – –!

Die Mutter meines Sohnes – – –!


Erschrickt.


Meines – – – Erben![102]

Der mir als Scheik zu folgen – – – – – – – –

– – – – – – – – Bēnt'ullāh!

Du glaubst an Einen, der dir höher steht,

Als der Islām und alle Paradiese.


Abwägend.


Bei dir find ich das Glück, das Himmelreich,

Und hier den Ruhm, die Herrlichkeit der Erde.


Ratlos.


Was soll ich tun? Was soll ich wählen? Sag!

Ich frage mich und frage das Geschick,

Doch keine Antwort kommt. So muß ich beten!


Faltet die Hände, ängstlich.


»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichtes! Dir wollen wir dienen, und zu dir wollen wir flehen, auf daß du uns führest den rechten Weg, den Weg derer, die deiner Gnade sich freuen, nicht den Weg derer, denen du zürnest und nicht den Weg der Irrenden!«


Dreht sich um, da steht der Vorbeter noch vor ihm; zurückweichend.


Was willst du noch? Was hast du noch zu sagen?

VORBETER hebt warnend den Arm, genau so, wie am Schlusse des Nachmittagsgebetes, als der Scheik ihn fortwies.

Daß es – – – mit dir – – – zum raschen Ende geht!

SCHEIK verständnislos.

Wie meinst du das?

VORBETER.

Erinnre dich, o Scheik!

Soeben hast du sie gebetet!

SCHEIK.

Was?[103]

VORBETER.

Die heilge Fāt'ha!

SCHEIK zusammenfahrend.

Wirklich?

VORBETER die Hand wie zum Schwur erhebend.

Bei Allāh!


Vorhang nieder.


Ende des ersten Aktes.


Quelle:
Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten von Karl May. Freiburg i.Br. 1906, S. 102-104.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Babel und Bibel
Babel und Bibel: Arabische Fantasia in zwei Akten

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon