3. Personen

[11] Abū Kitāl (Vater des Kampfes) der Scheik der Ān'allāh. Ungefähr fünfzig Jahre alt, hohe, breite Gestalt. Gewaltmensch aber zur Veredelung veranlagt. Körperlich und geistig vollkräftig und gewandt. Impulsiv. Aufstrebend, aber in falsche Richtung geleitet. Hat stets die Peitsche in der Hand, bis sie ihm von seinem Sohne entrissen und zerbrochen wird. Sein Auftreten ist rauh, gegen Schēfakā aber von weichster Gutmütigkeit. Kopfbedeckung Kefīje und Agāl.

Die Kefīje ist ein baumwollenes, bei vornehmen Beduinen aber seidenes Kopftuch, blau, rot, schwarz einfarbig oder mit weiß gemustert. Ist sie aus Seide, so ist die Farbe meist gelb.

Der Agāl ist ein meist schwarzer Strick aus Ziegenhaaren, welcher zweimal um den Kopf gewickelt wird, um die Kefīje festzuhalten.

Bēn Telālah (Sohn des Friedens) Scheik der Kirām. Nicht viel über zwanzig Jahre alt. aber doch schon volle Persönlichkeit. Edelmensch. Sehr ernst, aber mild. Ebenso selbstbewußt, aber bescheiden. Seine Kleidung ist unzulänglich und ärmlich. Trägt auch Kefīje mit Agāl, aber zersetzt. Entweder barfuß oder nur in Bastsandalen.[11]

Babel. Vielleicht vierzig Jahre alt. Rundglasige, aber nicht auffallende Brille. Ernst und grüblerisch, aber sehr sympathisch. Liebt den Scheik. Verzieht ihn. Man merkt ihm, ohne daß er dies beabsichtigt, immer an, daß er eigentlich ein Fremder ist, kein Ān'allāh. Kopfbedeckung ist Fez, darunter ein ganz leichtes Schattentuch.

Imām. Alter wie der Scheik. Wohlbeleibt. Glänzt in lauter Würde und Behaglichkeit. Hält die Hände meist über dem Leib gefaltet und in ihnen den muhammedanischen Rosenkranz, der jede Gestikulation des rechten Armes mitzumachen hat, während der linke ruhig liegen bleibt. Ist ein guter Redner. Vom Kādi unzertrennlich. Trägt kurdischen Riesenturban, doch ja nicht karikierend.

Kādi. So alt wie der Scheik. Langes und hageres Pendant zum wohlbeleibten Imām, ohne den er sich nicht wohlbefindet. Ist auch ganz so wie dieser gekleidet, mit kurdischem Riesenturban, doch ja nicht karikierend. Ist grämlich, ohne daß er es will. Möchte gern wohlwollend sein, bringt es aber nicht fertig.

Hākawāti. Ist über hundert Jahre alt und nicht ungebeugt von diesem Alter. Geht am Stock. Langer, silberweißer Bart. Trägt einen gewöhnlichen, aber phantastisch geschlungenen Turban. Bietet eine Ehrfurcht erweckende Erscheinung. Schēfakā nimmt sich in ganz besonderer, fast andächtiger Weise seiner an und behütet ihn auf Schritt und Tritt.

Vorbeter. Wohl dreißig Jahre alt. Ist ein Neger. Trägt auf dem[12] Kopfe nur den Fez. Hängt mit rührender Liebe am Scheik, obgleich dieser ihn schlecht behandelt.

Schēfakā. Eigentlich noch Kind. Allgemein geliebt, und darum verzogen, doch ohne eine Spur der üblen Eigenschaften verzogener Kinder. Ein vollständig unbeschriebenes, noch unberührtes Blatt.

Bibel (Bēnt'ullāh). Ohne Angabe des Alters. Ist fast stets verschleiert, und als sie am Schlusse das Gesicht enthüllt, zeigt dieses keine Spur der vergangenen Jahre. Ihre Gestalt sei edel, ihre Stimme tief und voll. Hagerkeit oder Korpulenz sind unbedingt zu vermeiden.

Mārah Dūrimēh. Noch älter als der Hākawāti, aber trotzdem von fast noch jugendlicher Rüstigkeit. Hohe, grad und aufrecht getragene Figur. Höchste Würde, die umso mehr ergreift, als sie im Gegensatz zu diesem Alter der Anmut nicht entbehrt. Edle, leicht gebräunte Gesichtszüge, mit einigen Alterslinien, die aber keine Falten sind. Langes, sehr volles, schneeweißes Haar, welches in zwei starke Zöpfe geflochten ist, die nach vorn geleitet sind und fast die Erde berühren. So lange sie unerkannt zu bleiben hat, versteckt sie dieses Haar unter das Gewand. Sie trägt unter diesem Gewande den in der orientalischen Sage oft erwähnten »Panzer von Krystall«, den sie aber vor Beginn des zweiten Aktes nicht anzulegen braucht, weil er erst am Schlusse des Stückes sichtbar zu werden hat. Ihr Anzug sei orientalisch, doch nicht nach irgend einem bekannten Schnitt. Faltenreich, doch ohne daß diese Falten der Schlankheit Eintrag tun. Er soll zwar den Gedanken unterstützen, daß Mārah Dūrimēh die »Menschheitsseele« ist, darf aber ja nicht phantastisch sein, weil es grad im Wesen der[13] »Menschheitsseele« liegt, ihre herrlichen Ziele nur auf dem einfachsten, schlichtesten Wege und in der natürlichsten, prunklosesten Weise zu erreichen.

Die Ān'allāh und die acht Scheike, welche zur nächtlichen Beratung kommen, sind in die bekannte Beduinentracht gekleidet, mit Kefīje, und Agāl, doch läßt sich durch die Abwechslung in Form, Farbe und Art und Weise das Bild in hohem Grade beleben. Die Kleidung der Kirām und der Leute von der Todeskarawane wird an den betreffenden Stellen besonders angegeben.[14]

Quelle:
Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten von Karl May. Freiburg i.Br. 1906, S. 11-15.
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