In Paris

[819] Die französische Revolution hatte ihren Kreislauf vollendet.

Aus dem Consulate war ein Kaiserthum geworden, und der groß gewordene kleine Corse hatte sich mit einem prunkvollen Hofstaate von Großoffizieren und Großwürdenträgern umgeben. Ganz Europa hörte auf seine Stimme, und nur das stolze Albion verschmähte es, ihm ein Liniensystem in der Partitur des politischen Concertes zu gestatten. Wie sein Stern emporgestiegen war, so sollte er auch wieder sinken und verschwinden, plötzlich, aus dem Nichts in das Nichts – ein Meteor, welches keine Rückkehr feiert.

Die Häfen Frankreich's waren von England seit mehreren Jahren so nachdrücklich blockirt worden, daß es kaum einmal einem französischen Schiffe gelang, die See zu gewinnen. Diese Sperre legte natürlich den Handel Frankreich's vollständig au das Trockene. Uebrigens hatte Frankreich fast alle seine Colonien an England verloren und damit ganz unersetzliche Verluste erlitten. Frankreich hätte nun diese Schläge zu verhüten oder an den Gegner zurückzugeben vermocht, aber Napoleon war kein Seemann und hegte bereits damals den großartigen, später so traurig verunglückten Plan, England in Indien über das eroberte Rußland hin anzugreifen. Dazu bedurfte er einer mächtigen Völkercoalition im Herzen Europa's, auf welche er sein ganzes Augenmerk richtete, anstatt einen kürzeren, weniger kostspieligen und weniger unsicheren Weg einzuschlagen.

Seine Versuche, an der Küste Großbritannien's zu landen, waren stets gescheitert. Es fehlte an einer tüchtigen Flotte und an Männern, deren Namen man neben dem der damaligen britischen Admirale hätte nennen können. Das Erbauen neuer Schiffe erforderte bedeutende Summen, aber sobald sie in See gingen, wurden sie von den Engländern weggenommen. Und doch hätte sich bereits im Jahre 1801 Napoleon einer Erfindung bemeistern können, durch welche er England in Furcht versetzt haben würde. Robert Fulton, der berühmte amerikanische Mechaniker, war nach Paris gekommen, um zu beweisen, daß es möglich sei, Schiffe mittelst der Kraft des Dampfes zu bewegen. Er stellte daselbst im Verein mit dem damaligen amerikanischen Vertreter in Paris, Kanzler Livingston, verschiedene Versuche an, welche aber nicht beachtet wurden. Aus diesem Grunde ging er nach England, wo er auch keinen Beifall fand. Dennoch ließ er sein Projekt nicht fallen und kehrte zwei Jahre später nach Paris zurück.

Er brachte auf der Seine sein erstes Versuchs-Dampfboot in Gang, wurde aber von keiner Seite unterstützt. Er wandte sich direkt an den ersten Consul, und es wurde ihm eine Audienz gestattet. In einem Zimmer der Tuilerien standen Beide einander gegenüber, der Held des Dampfes und der Heros der Schlachten.

»Man sieht ein,« sagte Fulton nach einer längeren Debatte über seine Erfindung, »daß die Dampfkraft der Schifffahrt von ungeheurem Nutzen sein und sie auf ungeahnte Weise heben wird. Die Entfernungen werden schwinden, die Schwierigkeiten sich vereinfachen, die Gefahren und Unglücksfälle sich vermindern. Die Manövrirfähigkeit eines Schiffes muß sich verzehnfachen, wenn sie nicht mehr von Wind und Segelwerk abhängig ist. Derjenige Fürst, welcher die ersten Kriegsdampfer baut, wird jeder Marine der Welt überlegen sein.«

Der Consul hatte schweigsam und mit einem sarkastischen Lächeln um den Mund zugehört. Jetzt ergriff er Fulton beim Arme und zog ihn an's Fenster. Auf die vor demselben wogende Menge der Passanten deutend, frug er in einem sehr ironischen Tone:

»Sehen Sie die neue Erfindung, welche viele dieser Leute zwischen den Lippen tragen?«

»Ich sehe sie,« antwortete Fulton. »Es ist die Cigarre, welche man jetzt auch in Frankreich zu rauchen beginnt.«

»Nun wohl! Alle diese Raucher sind lebendige Dampfmaschinen. Sie entwickeln Dampf; weiter nichts!«

»Ich wage zu bemerken, daß der Rauch nicht mit dem Dampfe zu verwechseln ist. Es ist nicht Dampf, was bei dem Rauchen einer Cigarre entsteht.«

Bei diesem Einwande zogen sich die Brauen des ersten Consuls unmuthig zusammen; er war es nicht gewohnt, sich von einem schlichten Mechanikus corrigirt zu sehen; darum klang seine Stimme schroffer als bisher:

»Dampf oder Rauch, das bleibt sich gleich! Wie kann dem Rauche einer Cigarre die Kraft inne wohnen, ein Schiff zu treiben? C'est drôle – es ist lächerlich!«

Fulton wagte jetzt keine abermalige Berichtigung, aber er entgegnete in dem rücksichtsvollsten, höflichsten Tone:

»Ich wiederhole jedoch und behaupte nachdrücklich, daß derjenige Herrscher, welcher die ersten Dampfschiffe besitzt, in kurzer Zeit Herr der Meere sein wird. Einem solchen Erfolge gegenüber sind die Kosten einiger Versuche verschwindend klein zu nennen. Ich erinnere an England's Haß gegen Frankreich. Wenn der Beherrscher der französischen Nation eine Dampferflotte besäße, so würde er in London den Engländern Gesetze vorschreiben können.«

Napoleon trat von dem Fenster, an welchem Beide stehen geblieben waren, zurück und meinte in seinem kältesten Tone:

»Mon ami, ich pflege meine Chancen nicht dem Dampfe anzuvertrauen. Ich sehe mich über Ihr Object vollständig informirt und muß mich ablehnend verhalten.«

Eine stolze verabschiedende Handbewegung sagte Fulton, daß die Audienz beendet sei.

Fulton ging. Er war um eine große Hoffnung ärmer geworden. Der Consul aber ahnte nicht, daß er als verbannter Kaiser einst dieser Stunde bedauernd gedenken würde.

Aber schon wenig über ein Jahr später sollte er an sie erinnert werden. Der unterdessen Kaiser gewordene Bonaparte hatte in der Nähe von Boulogne und außerdem bei Utrecht eine bedeutende Heeresmacht zusammengezogen, um in England zu landen. In Folge dessen wurde die Bewachung der französischen Häfen von den Engländern auf eine Weise verschärft, daß keinem französischen Schiffe das Entschlüpfen gelingen wollte. Außerdem kreuzten in den Frankreich begrenzenden Meerestheilen englische Flotten, welche jedes ihnen begegnende Fahrzeug anhielten und durchsuchten; war es ein Franzose oder hatte es für Frankreich geladen, so wurde es weggenommen. Diese Calamität machte dem Marineminister ungeheuer zu schaffen; er hatte fast täglich Conferenzen mit dem Kaiser, die gewöhnlich mit beiderseitiger Erregung endigten.

Während einer dieser turbulenten Besprechungen, als eben wiederum die Rede von der strengen Blockade der sämmtlichen Häfen war, sagte der Minister:

»In dieser Misère ist es eine um so größere Freude, zu erfahren, daß es doch noch Männer gibt, deren Muth und Geschicklichkeit der Aufmerksamkeit dieser britischen Seebären gewachsen ist.«

Der Kaiser blickte auf.

»Was ist's?« fragte er. »Hat Hugues etwas gethan?«

Admiral Hugues war nämlich einer von den wenigen französischen Seemännern, welche zuweilen glücklich operirten.

»Nein,« antwortete der Minister. »Es ist etwas Anderes; es ist fast ein kleiner Seeroman.«

»Sprechen Sie, so wenig ich mich sonst für Romane interessire!«

»Von dem englischen Geschwader des Commodore Dancy ist eine Fregatte auf Belle-Isle gegenüber Le Palais gelandet, um die kleinen Ortschaften der Insel zu beängstigen. Während die[819] Mannschaften sich am Lande befinden, kommt eine kleine Brigg herangesegelt, zeigt die englische Flagge, legt sich Seite an Seite mit der Fregatte, nimmt sie weg, zieht die französische Flagge auf und segelt davon. Am andern Morgen kommt dieselbe Fregatte, hinter sich die Brigg mit niederhängender Flagge, als habe sie dieselbe genommen, ganz wohlgemuth an das englische Blockadegeschwader vor Brest gesegelt; sie läßt ganz stolz vom hohen Top die englischen Farben wehen, und da ein jeder Kapitän die Fregatte kennt, so denkt man, sie sei von Commodore Dancy mit irgend einer Botschaft an den Commandanten des Geschwaders gesandt und habe unterwegs das französische Schiff genommen. Sie salutirt, und alle Schiffe des Geschwaders antworten. Sie segelt das Flaggenschiff an und thut, als wolle sie beidrehen; da aber plötzlich sinkt die englische Flagge und die französische fliegt empor, bei der Brigg ebenso. Beide jagen dem englischen Flaggenschiffe, einem Linienschiff von hundert und zwanzig Kanonen, die Kugeln einer Breitseite in den Riesenleib, strengen im Nu alle Segel an und kommen glücklich unter den Schutz der Batterien von Le Goulet13. Die Engländer, welche natürlich sich zur schleunigen Verfolgung aufgemacht hatten, wurden von den Kugeln der Batterien gezwungen, umzukehren.«

Die Augen des Kaisers leuchteten.

»Das ist ein Heldenstück, an das man nicht glauben kann!« rief er.

»Sire, ich erzähle eine Thatsache!«

»Ich selbst bin allerdings Zeuge eines ähnlichen Heldenstückes gewesen. Ein ganz junger Seemann nahm ein englisches Fahrzeug und segelte damit ganz offen durch die Flotte des Admirales Hood. Dieser Mann hieß Robert Surcouf und ist derselbe, von dessen indischen Thaten man mit jeder neuen Post auch Neues hört. Ihr Held muß übrigens die Küste der Bretagne und den Hafen von Brest ganz genau kennen.«

»Dies ist der Fall, denn er ist in der Bretagne geboren.«

»Auch Robert Surcouf ist ein Breton. Wie ist der Name Ihres Mannes? Es ist sehr nothwendig, ihn zu merken, denn man wird seinen Besitzer brauchen können.«

»Majestät haben ihn bereits zweimal genannt.«

»Ah! Surcouf ist es? Wirklich Surcouf?«

»Er selbst, Sire.«

»Dann glaube ich an die Wegnahme der Fregatte. Es ist dies ein Meisterstück, welches ihm Niemand nachmachen wird. Man wird diesen Mann festzuhalten suchen, ihm einstweilen ein Linienschiff und dann eine Escadre geben. Bemerken Sie sich das; es ist mein Wille!«

»Ich danke Ew. Majestät in seinem Namen. Er bringt uns nicht nur die eroberte Fregatte, sondern auch Berichte, Briefe und Gelder von Isle de France und Isle Bourbon. Der Gouverneur von Isle de France meldet mir, daß er in den letzten drei Monaten elf Schiffe von Surcouf überkommen hat, welche dieser kühne Parteigänger den Engländern wegnahm. Frankreich hat Surcouf nicht nur diese außerordentliche Schädigung des Feindes, sondern auch die durch den Verkauf dieser Prisen und die Verwerthung ihrer Ladungen erlangten großen Summen zu verdanken. Ich gestatte mir die Bemerkung, daß ich überzeugt bin, dieser noch so junge Breton könnte den Engländern furchtbar werden, wenn man ihm erlaubte, sich an der rechten Stelle zu befinden. Und dabei ist er bescheiden und anspruchslos, wie ich selten einen Mann von seinen Verdiensten gefunden habe.«

»Wie, Sie kennen ihn?« frug der Kaiser rasch.

»Verzeihung, Sire! Ich vergaß, zu sagen, daß er mich gestern um eine Audienz bat, die ich ihm heut gewährte.«

»So befindet er sich in Paris?«

»Er ist hier, um einen Prozeß gegen den Gouverneur von Isle de France zu betreiben, welcher sich weigert, ihm den Erlös einiger Prisen auszuzahlen.«

»Wie hoch ist die Summe?«

»Gegen anderthalb Millionen Francs. Er hat gegen den Gouverneur bereits einen ähnlichen Prozeß gewonnen, wo sich der gesetzgebende Körper für Surcouf entschied. Es handelte sich dabei um rund siebenmalhunderttausend Francs.«

»Solch ein Kaper verdient ja ungeheure Summen!«

»Nur ein Kaper von dem Unternehmungsgeiste und der Einsicht Surcouf's. Aber Majestät mögen geruhen, an die Summen zu denken, welche er braucht, um stets seetüchtig zu sein. Uebrigens weiß man genau, daß Surcouf nicht einen Franken für sich behält; er ist der Vater, der Freund, der Schatzmeister unserer indischen Ansiedelungen, welche leider so oft allein nur auf seinen Schutz und seine Freigebigkeit angewiesen sind.«

»Wird er seinen Prozeß gewinnen?«

»Ich zweifle keinen Augenblick!«

»So kann ich diese Angelegenheit selbst begleichen, ohne der Gerechtigkeit durch eine décision arbitraire Eintrag zu thun. Kann man diesen Surcouf einmal wie durch Zufall sehen?«

»Ich habe mit ihm zu sprechen. Wollen Ew. Majestät befehlen, wann dies bei mir zu geschehen hat?«

»Elf Uhr morgen. Sie werden dafür sorgen, daß er pünktlich ist. Wie steht es mit seinem Antheile an der Fregatte?«

»Man ist bereits daran, das Fahrzeug zu taxiren.«

»Man kann dies unterlassen; ich selbst werde Surcouf entschädigen!« – – –

In der Vorstadt Poissoniêre stand ein Gasthaus. Es war zwar kein feines Hôtel, aber eine recht angenehme Auberge, und der Wirth desselben pflegte, wie allen seinen Besuchern bekannt war, sich nur mit an ständigen Gästen zu befassen. Es war der gute Oncle Carditon, der einem Jeden, welcher es hören wollte, sehr ausführlich erzählte, daß er zuvor eine Taverne in Toulon besessen habe, doch mit Hülfe des berühmten Kapitän Surcouf in seinen Verhältnissen so weit vorwärts gekommen sei, daß er nach Paris ziehen und sich die hübsche Auberge kaufen konnte.

Seit gestern befand sich Oncle Carditon in einer sehr gehobenen Stimmung und zugleich in einer ungewöhnlichen Geschäftigkeit: Robert Surcouf hatte Quartier bei ihm genommen, und zwar nicht allein, sondern mit seinem Lieutenant Bert Ervillard, seinem Segelmeister Holmers und noch einigen Leuten des »Falken«. Dieser liebe Besuch mußte natürlich auf das Beste und Sorgsamste bedient werden, und darum ist es kein Wunder, daß Oncle Carditon für Andere nicht gar viel Zeit übrig hatte.

Der gute Oncle Carditon war außerordentlich stolz auf Surcouf. Trotz seiner Geschäftigkeit fand er doch Zeit, den Stammgästen zu erzählen, daß Kapitän Surcouf gestern sofort nach seiner Ankunft zum Minister gefahren sei, und daß auch vorhin ein reich gallonirter Diener desselben einen Brief für Surcouf gebracht habe. Es sei noch nie ein Gast bei ihm eingekehrt, der mit den Ministern des Kaisers verkehrt hätte, und es könnten sehr viele vornehme Hôtels genannt werden, deren Gäste noch nie mit einem Minister gesprochen und noch weniger ihn besucht oder gar einen Brief von ihm empfangen hätten.

Als der Kapitän von einem Spaziergange zurückkehrte, brachte ihm Oncle Carditon diesen Brief in eigener Person auf einem feinen Glasteller, denn der gute Oncle dachte sich, daß der Brief eines Ministers anders zu behandeln sei, als ein Papier aus gewöhnlichen Händen. Surcouf öffnete und fand die Weisung, sich am nächsten Vormittag präcis halb elf Uhr bei dem Chef des Marinewesens einzufinden.

Als der Kapitän des »Falken« am andern Morgen das Hôtel des Ministers betrat, wurde er direkt nach dessen Arbeitszimmer geführt. Er wußte, daß dies eine Auszeichnung für ihn sein solle, doch nahm er dieselbe so gleichmüthig hin, als ob er es gar nicht anders erwartet habe. Der hohe Beamte empfing ihn mit der ausgesuchtesten Höflichkeit.

»Ich habe Sie nicht rufen lassen,« begann er, »um über Ihre Angelegenheit mit Ihnen zu verhandeln, sondern um mich von Ihnen über einige nautische Fragen, welche die von Ihnen mit Vorliebe befahrenen Gegenden betreffen, unterrichten zu lassen. Es sind eben jetzt so wenig Männer gegenwärtig, von denen ich die gewünschte Auskunft erhalten könnte, daß ich Ihre Anwesenheit nicht unbenützt vorübergehen lassen darf.«

Und nun brachte er eine Anzahl Seekarten zum Vorscheine, über welche eine nach und nach immer lebhaftere Unterhaltung geführt wurde. Surcouf hatte Gelegenheit, seine reichen Erfahrungen in seiner stillen, anspruchslosen Weise zur Geltung zu bringen, und der Minister verbarg es keineswegs, daß ihn der junge Seemann – je länger desto mehr – interessirte.[820]

Da öffnete sich plötzlich die Thür, und der Diener meldete den Kaiser, welcher zu gleicher Zeit mit der Meldung eintrat.

»Excellenz,« sagte er, »ich komme persönlich, um eine höchst wichtige Angelegenheit selbst – – ah!« unterbrach er sich, »Sie sind beschäftigt?«

»Ich bin zu Ende und stehe Ew. Majestät überhaupt zu jeder Stunde zur Verfügung,« lautete die Antwort.

Der Kaiser hatte Surcouf scharf in das Auge gefaßt, um zu sehen, welchen Eindruck die plötzliche Gegenwart des Lenkers Frankreich's auf ihn mache. Wenn er geglaubt hatte, den Kapitän in Verlegenheit zu bringen, so hatte er sich getäuscht, denn dieser zuckte mit keiner Miene, und die Farbe seiner tief gebräunten Wangen blieb ganz die gleiche; er trat nur mit einer tiefen, respektvollen Verbeugung zur Seite und richtete dann seinen Blick auf den Minister, da er erwartete, verabschiedet zu werden.

»Kapitän Surcouf, Majestät,« stellte dieser ihn vor.

»Kapitän?« frug Napoleon kalt. Und dann fügte er mit scharfer Stimme, als beabsichtige er, einen Verweis zu ertheilen, hinzu: »Wer hat Sie zum Kapitän gemacht?«

Dieser Ton und diese Frage, welche einen Andern verblüfft hätte, brachte den Gefragten nicht im mindesten aus der Fassung; er antwortete ruhig, aber mit einem beredteren Blick, als die Demuth ihn erfordert hätte:

»Frankreich nicht, Sire, sondern der Seegebrauch. Frankreich gab mir kein Schiff; da nahm ich mir ein solches und wurde von diesem Augenblick an Kapitän genannt. Diejenigen, welche mich mit diesem Worte beehren, wissen vielleicht kein anderes, welches ihnen passend erscheint; denn die Zeit, in welcher es genügte, einen Jeden einfach ›Bürger‹ zu nennen, ist vorüber.«

Er hatte den Ausfall des Kaisers parirt und ihm dafür zwei Hiebe zu gleicher Zeit gegeben. Daß sie getroffen hatten, zeigte das kleine Fältchen, welches sich über der Nasenwurzel Napoleon's bildete.

»Sehnen Sie diese Zeit zurück?« frug dieser mit jener Kürze, welche er anzuwenden pflegte, wenn er einem Andern in den Grund der Seele zu blicken beabsichtigte.

Diese Frage war verfänglich, doch Surcouf antwortete ruhig:

»Ich ersehne vor allen Dingen das Glück meines Vaterlandes; in jener Zeit war Frankreich nicht glücklich; möge es jetzt anders werden!«

»Was verstehen Sie unter dem Glück eines Volkes, in's Besondere unter dem Glück der französischen Nation?« frug Napoleon mit einem überlegenen Lächeln.

»Nichts Anderes, als was ich unter dem Glück der Menschheit verstehe: innerliches und äußerliches Wohlbefinden.«

»Und was ist dazu erforderlich?«

»Ein friedliches Regiment und eine freie Bahn für alle redlichen Erzeugnisse des Geistes und der Hände.«

»Und wenn dieses friedliche Regiment nicht möglich ist?«

»So erzwinge man es durch würdige Mittel, welche klug und kraftvoll anzuwenden sind. Kein Friede ohne vorherigen Kampf.«

»Halten Sie die Kaperei auch für eines dieser würdigen Mittel?« fragte der Kaiser lächelnd.

»Nein,« erklang die aufrichtige Antwort. »Es wird die Zeit bald kommen, welche dieses beklagenswerthe Institut verurtheilt, und alle seefahrenden Nationen werden sich zur Abschaffung desselben vereinigen. Ich selbst bin Kaper, doch ohne daß mich mein Gewissen verurtheilt, denn ich habe mich zu jeder Zeit bestrebt, bei meinem Thun alle Härten zu vermeiden und es so einzurichten, daß daraus ein Segen für brave Menschen entspringt. Ich darf mich frei von Schuld und Unrecht fühlen, denn ich bin der Wurm, welcher sich unter dem Fuße des Feindes krümmt, der Wurm, dem nicht das Gebiß des Löwen oder die Pranken des Bären gegeben sind.«

»Aber dennoch ein sehr respektabler Wurm,« konnte Napoleon sich nicht enthalten, zu bemerken. »Man hat zuweilen von Ihnen gehört. Warum treten Sie nicht in die Marine ein?«

»Weil die Marine nichts von mir wissen wollte.«

»Vielleicht hat sie ihre Ansicht geändert. Sie müssen sich darnach erkundigen!«

»Wer mir seine Thür zeigt, kann nicht erwarten, daß ich es bin, der ihn um Eintritt bittet. Man hat mich allerdings bemerken lassen, daß man mit meinen kleinen Erfolgen zufrieden ist; auch sind mir von anderen Nationalitäten zuweilen Anträge zugegangen, doch habe ich keine Veranlassung, eine Aenderung meiner Gesinnung eintreten zu lassen. Ich habe für mein Vaterland gekämpft, obgleich es mich von sich stieß; ich werde demselben treu bleiben zu aller Zeit, selbst dann, wenn es mir nichts Anderes bietet, als bisher.«

»Der vermeintliche Undank des Vaterlandes ist bereits für Viele der Sporn zu hohem Wirken gewesen; auch Sie werden sich nicht beklagen. Man sagt, daß Sie einen Prozeß führen?«

»Man enthält mir mein wohl erworbenes Eigenthum vor, welches ich zum Nutzen derjenigen zu verwenden habe, welche auf keine andere Hilfe rechnen können.«

»Ich bin überzeugt, daß Sie Gerechtigkeit finden. Ich sehe hier Karten liegen. Hat Excellenz Ihre Erfahrungen in Anspruch genommen?«

»Ich hatte das Glück, einige kleine Antworten geben zu dürfen.«

»Die jedoch für mich von großer Bedeutung waren,« ergänzte der Minister. »Kapitän Surcouf ist der Mann, an welchen man sich wenden muß, wenn man sich über unsere indischen Angelegenheiten orientiren will.«

»Auch ich interessire mich für diese Angelegenheiten sehr,« bemerkte der Kaiser. »Ich werde Sie einmal sehen und Ihnen die Stunde mittheilen lassen.«

Mit einer Handbewegung gab er das Zeichen, daß Surcouf entlassen sei.

Einige Tage später staunte Oncle Carditon nicht wenig, als vor seiner Thür ein Wagen hielt, aus welchem ein Adjutant des Kaisers stieg. Dieser fragte nach dem Kapitän Surcouf, und als er hörte, daß derselbe nicht anwesend sei, befahl er dem Wirth, Surcouf zu sagen, daß Seine Majestät geruhen würden, ihn morgen zur Mittagszeit zu empfangen.

Der Wagen war längst wieder verschwunden, da stand der gute Oncle Carditon noch immer mit offenem Munde vor der Thür. Welch eine Ehre für seine Auberge! Das mußte er sogleich seinen Stammgästen erzählen, obgleich er eigentlich gar keine Zeit dazu hatte.

Am andern Tage stand Surcouf einige Minuten vor der angegebenen Zeit in den Tuilerien und wurde Punkt 12 Uhr vor den Kaiser geführt. Dieser empfing ihn in demselben Raume, in welchem Robert Fulton seine verunglückte Audienz gehabt hatte. Der Kaiser warf einen seiner durchdringenden Blicke auf die stattliche Gestalt des Sohnes der Bretagne und erwiederte dessen tiefe Verneigung nur mit einem kaum bemerkbaren Senken seines Kopfes.

»Kapitän Surcouf,« begann er, »ich habe mich Ihrer Angelegenheit angenommen. Man wird Ihnen die streitige Summe auszahlen, sobald Sie dieselbe begehren.«

Er schwieg, als erwarte er, eine Fluth von Dankesworten zu vernehmen. Der Seemann aber sagte einfach:

»Sire, ich danke! Ich hatte die Richter Frankreich's für so gerecht gehalten, daß meine Angelegenheit Ew. Majestät nicht hätte belästigen sollen.«

»Ich verstehe Sie nicht,« fiel der Kaiser rasch ein. »Ihre Angelegenheit ist durch mich zwar schneller, aber ganz mit demselben Resultate erledigt worden, welches sie durch den richterlichen Spruch gefunden hätte. Ganz ebenso ist es mit der von Ihnen den Engländern abgenommenen Fregatte, deren Werth bereits taxirt worden ist. Nehmen Sie dieses Portefeuille! Es enthält genau die Summe, welche Sie zu fordern haben.«

Er griff nach der Brieftasche, welche auf einem neben ihm stehenden Tischchen lag, und reichte sie ihm entgegen. Surcouf nahm sie unter einer dankbaren Verbeugung und sagte:

»Ich danke abermals, Majestät! Auf diese Weise bin ich eines längern, thatlosen Aufenthaltes in Paris überhoben und kann zur Erfüllung meiner Pflichten zurückkehren.«

»Sie wollen Frankreich verlassen?«

»Ja.«

»Jetzt, wo alle Häfen gesperrt sind und kein Schiff auszulaufen vermag!«

»Sire,« lächelte Surcouf, »ich bin eingelaufen trotz der Blockade und werde auch wieder die See gewinnen.«[822]

»Eh bien! Kann ich Ihnen einen Wunsch erfüllen?«

»Es gibt sogar zwei Wünsche, welche ich Ew. Majestät zu Füßen legen möchte. Der erste betrifft meinen braven Lieutenant Bert Ervillard. Er ist einer der tüchtigsten Seeleute, welche ich kenne, obgleich er kein hohes Alter hat. Ich habe noch kein feindliches Schiff betreten, ohne Meister desselben zu werden, und er ist der Gefährte meiner Siege; er würde der Marine Frankreich's von großem Nutzen sein.«

»Will er Sie verlassen?«

»Er weiß nichts davon, daß ich von Ew. Majestät ein Schiff für ihn begehre.«

»Er soll die Fregatte erhalten, welche er mit Ihnen den Engländern entführt hat! Und Ihre zweite Bitte?«

»Sie betrifft meinen Segelmeister. Er ist ein Deutscher und gehörte zu den zwölftausend Hessen, welche für England in Nordamerika bluten sollten. Er wollte aber gegen die Union nicht kämpfen und entfloh. Da ihm als Deserteur die Rückkehr in das Vaterland nicht möglich war, verlor er eine geliebte Braut, ein nicht unbedeutendes Vermögen und mußte verzichten, seinen Eltern die Augen zuzudrücken. Er wurde Seemann, befuhr alle Meere, wurde von dem berüchtigten Kapitän Schooter gepreßt und entkam dann glücklich zu mir, wobei er mir den ›Eagle‹ in die Hände lieferte. Seit jener Zeit hat er Frankreich viele Dienste geleistet, denn bei jedem feindlichen Schiffe, welches ich nahm, ist er der Vorderste gewesen. Er sehnt sich, in die Heimat zurückzukehren, und hat mich dringend gebeten, Ew. Majestät sein Gesuch um Ihre allerhöchste Befürwortung zu unterbreiten.«

»Kapitän, ich habe in dem Vaterlande dieses Mannes nichts zu befehlen; aber um Ihretwillen soll er heimkehren dürfen. Ich werde diesen Wunsch der betreffenden Stelle zu erkennen geben; dabei aber mag er selbst eine Bittschrift an seine heimatliche Behörde gehen lassen, und ich bin überzeugt, daß dieses Gesuch nicht abschlägig beschieden wird. Sind Sie zufrieden gestellt?«

»Ich empfinde die Gnade Ew. Majestät mit herzlicher Dankbarkeit!«

»Und für sich selbst, haben Sie da keinen Wunsch?«

»Sire, geben Sie meinem Vaterlande den Frieden, dessen es bedarf; gewähren Sie ihm, was es braucht, um glücklich zu sein, so sind meine heißesten Wünsche erfüllt!«

»Sie verlangen für sich nichts und für Ihr Vaterland doch mehr, als ich vielleicht zu geben vermag. Man darf nicht sanguinisch sein. Zum Wohle des Vaterlandes hat ein jeder Einzelne nach Kräften beizutragen. Sie selbst haben scheinbar genug gethan, aber es gibt eine Sphäre, in welcher Sie noch Besseres leisten könnten. Soll Ihnen dieselbe verschlossen bleiben?«

»Majestät, die Frage macht mich glücklich, aber dennoch muß ich mit einem bittern ›Ja‹ antworten.«

»Warum?«

»Ich bin ein Seemann, ein Krieger, aber ich werde niemals ein Kriegsknecht sein können. Ich beklage den Feldherrn, der den Krieg nur um des Krieges willen führt; der Krieg ist eine traurige Nothwendigkeit; er soll geführt werden, wenn ihn ein großer Zweck erheischt, und nur so, daß dieser Zweck auch erreicht wird. Wäre dies nicht der Fall, so würde ich als Offizier meinen Abschied fordern oder nehmen.«

»Ah, ich sehe, daß ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe! Sie wollen mir einen Rath ertheilen, wie damals vor Toulon!«

»Ich bin nicht zum Rathgeber eines Kaisers berufen. Zum Bürger Colonel Bonaparte konnte ich ohne Bedenken sprechen, heut aber darf ich nur der Gründe gedenken, welche mich abhalten, in die Marine zu treten, und mich zwingen, ein ›Privateer‹ zu bleiben.«

»Surcouf, Sie können sprechen, ja, Sie sollen sprechen! Ich werde Ihre Offenheit ohne Zorn entgegen nehmen. Sie wissen, daß man sagt, ich habe die Absicht, in England zu landen?«

»Ich weiß, daß Sie Ihre Truppen bei Boulogne zusammenziehen; aber ich weiß ebenso gut, daß diese Truppen nicht nach England kommen werden.«

»Ah! Sie behaupten kühn!«

»Meine Behauptung hat triftige Gründe. Wo hat Frankreich die Seemänner, welche es vermögen, uns den Weg nach England zu öffnen, indem sie die Engländer von unsern blockirten Häfen vertreiben und ihre Flotten in den Grund schießen? Wo sind die Schiffe, welche dazu gehören? Es bedarf langer Jahre, Jahre des Friedens, um Frankreich's Seemacht von den Wunden zu heilen, die ihr geschlagen worden sind. Frankreich muß mit allen anderen Nationen Frieden haben, um sich auf den großen Schlag vorbereiten zu können, mit dem es England's Uebermuth demüthigt, denn Frankreich hat keinen andern Feind als nur diesen einzigen: – England. Sire, warum haben Sie Robert Fulton von sich gewiesen? Ohne Prophet zu sein behaupte ich, daß in wenigen Jahren der Dampf die riesigsten Schiffe über alle Meere treiben wird. Dann werden Sie bedauern, die Gelegenheit, der mächtigste Monarch zu sein, von sich gestoßen zu haben!«

»Pah, Fulton! Er ist ein Träumer, und seine Träumerei scheint ansteckend zu sein, da sie sogar Ihren Kopf ergriffen hat.«

»Majestät haben mich aufgefordert, zu sprechen, und können überzeugt sein, daß ich nichts sage, von dessen Wahrheit ich nicht ganz durchdrungen bin. Ich bin kein Höfling, sondern ein nüchterner Seemann, und wenn ich Phantasie besitzen sollte, so will ich sie jetzt nur gebrauchen, um zu denken, ich spreche nur zu dem Bürger Colonel Bonaparte. Ein eigennütziges Interesse treibt mich nicht, denn ich werde nach Indien zurückkehren, wo Hunderte meiner bedürfen. Mein Schiff ist der kleine ›Faucon‹; auch ich will klein bleiben; auch ich habe etwas vom Falken an mir: ich muß mich frei bewegen können, mein Flug muß nur von meinem eigenen Willen abhängig sein; ich bin ein schlechter Untergebener.«

Der Kaiser hatte ruhig zugehört. Kein Zug seines ehernen Angesichtes verrieth, was er bei den Worten Surcouf's dachte; jetzt aber spielte ein leises Lächeln um seine Lippen, und er meinte fast scherzend:

»Surcouf, Ihre Heimat ist die rauhe Bretagne, und Sie sind ein ächter Sohn derselben: derb, offen, kühn, fromm, treu und dabei ein klein wenig unhöflich oder gar rücksichtslos. Aber der Bürger Colonel Bonaparte hat einst Wohlgefallen an Ihnen gefunden und wünscht jetzt, ein halbes Stündchen mit Ihnen zu verplaudern. Folgen Sie mir!«

Er schritt voran, und der Kapitän trat hinter ihm in ein anderes Kabinet. – –

Eine volle Stunde war seitdem vergangen, und von Minute zu Minute ließ sich Oncle Carditon an der Thür sehen, um den Herrn Kapitän ja sofort empfangen zu können. Und je länger es dauerte, desto freudiger glänzte das Gesicht des Wirthes, denn welch' eine Ehre für seine Auberge, daß sein Gast die kostbare Zeit des Kaisers so lange in Anspruch nehmen durfte!

Endlich kehrte Surcouf zurück. Sein Gesicht war sehr ernst, aber er nickte doch dem Oncle Carditon freundlich zu und begab sich sodann hinauf in seine Wohnung. Ervillard und Holmers hatten auf ihn gewartet; sie kamen sogleich, um sich nach dem Resultate der Audienz zu erkundigen.

»Du warst so lange bei dem Kaiser?« frug der Lieutenant.

»Allerdings, Herr Kapitän!«

»Wie? Was? Welchen Kapitän meinst Du?«

»Den Fregattenkapitän Bert Ervillard, dem ich hiermit herzlich gratulire!«

Ervillard begriff nicht eher, als bis Surcouf ihm seine Ernennung ausführlich erzählte. Aber der Eindruck war ein anderer, als er gedacht hatte.

»Trittst auch Du in die Marine?« erkundigte sich der Lieutenant.

»Nein; ich kehre nach Indien zurück.«

»So gehe ich mit! Ich bleibe bei Dir; sie mögen ihre Fregatte behalten!«

»Das wird sich schon noch finden! Uebrigens hat mir der Kaiser höchst eigenhändig unser Prisengeld ausgezahlt. Laß sehen, wie viel es ist!«

Napoleon hatte kaiserlich honorirt, und als Surcouf sagte, daß auch sein Prozeß bereits günstig entschieden sei, verdoppelte sich die Freude, an welcher Holmers herzlich Theil nahm.

Surcouf reichte ihm die Hand.

»Segelmeister,« sagte er, »auch Deine Sache steht gut. Du wirst heimkehren dürfen, denn der Kaiser will Dein Gesuch befürworten.«[823]

Der Deutsche weinte vor Freude; auch die Anderen waren gerührt, und Surcouf gestand:

»Heut habe ich einen Kampf zwischen Ehrgeiz und Principientreue bestehen müssen. Der Kaiser geht nicht nach England; ich glaube vielmehr, daß seine Rüstung Oesterreich und Rußland gilt. Ich sollte eine Escadre im Mittelmeere befehligen und habe es abgeschlagen, weil ich nur in England den einzigen Feind Frankreich's erkenne und gegen keine andere Macht kämpfen werde.«

»So hat er Dich wohl im Zorne entlassen?« frug nun Ervillard.

»Nein, sondern in allen Gnaden. Er ist ein großer Geist, ein gewaltiges Genie, aber er wird untergehen, weil er sein Ziel auf einem durchaus falschen Weg sucht.« –

Und wieder am nächsten Tage wurde Oncle Carditon aus seinem Gleichmuthe gerissen, denn es erschienen mehrere Equipagen, aus denen reich uniformirte Herren stiegen. Sie ließen sich die Wohnung Surcouf's zeigen, und eine halbe Stunde später erzählte der Oncle allen seinen Gästen athemlos, daß Kapitän Surcouf vom Kaiser das Kreuz der Ehrenlegion und einen von kostbaren Steinen funkelnden Degen erhalten habe. Welche Ehre abermals für die Auberge! Es gab große und größte Hôtels, in denen kein einziger Gast den goldenen, fünfstrahligen Stern und einen Ehrendegen erhalten hatte!

Eine Woche später reiste Surcouf nach Brest. Es gelang ihm, die Engländer zu täuschen und mit seinem »Falken« in See zu stechen.

Bert Ervillard ging nur nach Brest mit; er hatte dem selbstlosen Drängen seines bisherigen Kapitäns nachgegeben und sich entschlossen, das Kommando der Fregatte zu übernehmen.

Der Segelmeister Holmers blieb noch kurze Zeit in Paris bei Oncle Carditon wohnen, bis er dann die Erlaubniß erhielt, nach seiner Heimat zurückzukehren. Surcouf hatte dafür gesorgt, daß dieser Mann keine Noth zu leiden brauchte.

Napoleon's Stern ging unter im Jahre 1815 im Monat Juli, in welchem er auf dem »Bellerophon« als Gefangener nach England gebracht wurde. Im Kanale begegnete ihm das erste Dampfschiff, welches er sah; da wandte er sich an Montholon, welcher neben ihm stand, und sagte im trübsten Tone:

»Als ich Fulton aus den Tuilerien wies, habe ich meine Kaiserkrone weggegeben!«

Und auf St. Helena, als er, von aller Welt verlassen und von dem englischen Gouverneur Hudson Lowe fortwährend auf das Bitterste gekränkt, eines Tages auf der Klippe stand und seinen Blick nach Norden über das Meer schweifen ließ, legte er dem treuen Bertrand die Hand auf die Schulter und seufzte:

»Jener Robert Surcouf hatte Recht. England war mein einziger Feind. Der kühne Kaperkapitän wußte den richtigen Weg, diesen Feind zu besiegen und dann glücklich zu sein. Adieu, ma belle France!« – – –[824]

[Fußnoten]

1 Derselbe Junot, welcher später Herzog von Abrantes wurde.


2 Handspeiche, Brechstange.


3 Diese That ist geschichtlich wahr, so unglaublich sie auch klingen mag.


4 Auch der Ballabend auf dem englischen Dreimaster ist geschichtliche Thatsache.


5 Zweimaster mit Gaffelsegel und einer Schraube als Auxiliarkraft.


6 Surcouf nannte sein Schiff zuweilen auch nach seiner Heimat, der Betragne, »le breton«.


7 Antiaris toxicaria.


8 Strychnos Tieute.


9 Alpinia galanga.


10 Zingiber cassamumar.


11 Capsicum.


12 Lehrer, Missionär.


13 Die enge Einfahrt in die Rhede von Brest.

Quelle:
Robert Surcouf. Ein Seemannsbild von Ernst von Linden. In: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild. 8. Jg. 1881/82. Heft 18. Regensburg, New York, Cincinnati (1882). Nr. 52.
Lizenz:

Buchempfehlung

Jean Paul

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon