Trost

[345] Siehst du ein Menschenkind in Thränen,

Verhaltnes Schluchzen in der Brust,

So wolle ja nicht, ja nicht wähnen,

Daß du mit Worten trösten mußt.


Vermeide es, ihn zu berathen;

Geh weiter, aber sende dann

Die Liebe, die in stillen Thaten

Ihm heimlich, heimlich helfen kann.


Berührt ein kalter Schall die Wunde,

So schmerzt er nur und heilt sie nicht;

Der Trost wohnt nicht im leeren Munde,

Er ist des Herzens tiefste Pflicht.


Vor einem Wort am rechten Orte

Kehrt wohl der Harm beruhigt um,

Doch wahrer Schmerz hat keine Worte,

Und auch der wahre Trost ist stumm.[345]


Quelle:
Himmelsgedanken. Gedichte von Karl May. Freiburg i.Br. (1900), S. 345-346.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Himmelsgedanken
Himmelsgedanken. Gedichte
Himmelsgedanken. Gedichte von Karl May